„Wir sind die einzige Anlaufstelle“, betont Jugendhausleiter Florian Stifel. Foto: Karin Ait Atmane - Karin Ait Atmane

Die Nachricht, dass die Evangelische Kirche in Plochingen ihr Dietrich-Bonhoeffer-Haus verkaufen will, sorgt für Unruhe. Denn vom Verkauf wird der Jugendtreff place2b betroffen sein.

PlochingenDie Evangelische Kirchengemeinde hat einen Pressetermin am 5. Dezember angesetzt und möchte sich vorher nicht äußern. Doch nachdem bekannt wurde, dass das Dietrich-Bonhoeffer-Haus 2023 verkauft werden soll, zieht das Thema Kreise – besonders deshalb, weil der Jugendtreff place2b davon betroffen sein wird.

Bürgermeister Frank Buß hatte die Nachricht in der Gemeinderatssitzung bekannt gegeben; im evangelischen Gemeindebrief kann man ebenfalls nachlesen, dass das Dietrich-Bonhoeffer-Haus in den Lettenäckern verkauft werden soll. Grund dafür ist die schlechte Finanzlage der Plochinger Kirchengemeinde. Der relativ hohe Gebäudebestand der Kirche in Plochingen ist dabei mehr Last als Segen, denn an verschiedenen Stellen stehen Renovierungen an. Fest stehe, dass Priorität eins dem Erhalt von Kirchengebäuden gelte, schreibt Pfarrer Gottfried Hengel im Gemeindebrief. Die drei Pfarrhäuser wolle man abgeben, sobald die entsprechenden Pfarrstellen wegfielen. Konkret fasst der Kirchengemeinderat jetzt aber den Verkauf des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses (DBH) im Jahr 2023 ins Auge.

Passt zum kirchlichen Auftrag

Das DBH ist das jüngste Gebäude der evangelischen Kirchengemeinde. Sie hat das Grundstück in den Lettenäckern 2001 von der Stadt gekauft und bebaut. Im vorderen Drittel ist der Jugendtreff place2b des CVJM zu Hause, dessen Personal- und Betriebskosten die Stadt Plochingen und anteilig der Landkreis tragen. Zu seinen Sachkosten tragen der CVJM, der „Förderverein offene Jugendarbeit“ und Stiftungsgelder bei. Außerdem zahlt die Stadt einen jährlichen „Instandhaltungsbeitrag“ in vierstelliger Höhe fürs Gesamtgebäude, über dessen weitere Räume die Kirchengemeinde frei verfügen kann. Hier sind unter anderem Konfi-Gruppen, CVJM-Sportgruppen, Volkshochschulkurse oder ein Tanztreff des Stadtseniorenrats aktiv, teilweise werde auch privat vermietet.

Für die Kirchengemeinde bleibe letztlich ein eher überschaubarer Betrag für die Finanzierung des Gebäudes übrig, meint Reiner Nußbaum, Vorsitzender des Fördervereins offene Jugendarbeit. Auch aus Sicht seines Bruders Thomas, der CVJM-Vorsitzender ist, ist es „unverständlich, dass die Kirche den Verkauf aus finanziellen Gründen erwägt“. Die Kirchengemeinde habe ihre Jugendarbeit an den CVJM delegiert und lasse ihn jetzt damit alleine. Dass offene Jugendarbeit neben den klassischen kirchlichen Gruppen zu den Aufgaben einer christlichen Gemeinde gehört, steht für beide außer Frage, grade angesichts der Bevölkerungsstruktur in den Lettenäckern. „Kindern mit Migrationshintergrund eine Heimat zu bieten und Hilfestellung für das Hineinwachsen in unsere Gesellschaft zu geben, ist erste Pflicht auch der Kirche“, betont Reiner Nußbaum.

Kirchengemeinderat macht sich rar

„Wir sind die einzige Anlaufstelle“, betont Florian Stifel, der seit Jahren den „place2b“ leitet. Das gelte für die Lettenäcker wie den Stumpenhof. Im Treff geht es lebhaft zu: Da wird gekickt, auf den Matten gecatcht, Billard und Brettspiele gemacht. Regelmäßig kommen Kinder aus der benachbarten Unterkunft für Geflüchtete zum Hausaufgabenmachen. Auch Ausflüge stehen auf dem Programm – etwas, das viele der Jugendlichen in ihren Familien noch nie erlebt haben, sagt Stifel. Mehr als 35 Besucher seien die Regel – vom Kirchengemeinderat habe allerdings schon seit Jahren keiner mehr vorbeigeschaut.

Stifel fragt sich, ob das Haus ganz oben auf der Streichliste steht, „weil wir keine explizit kirchliche Arbeit machen“. Explizit kirchlich, das seien etwa Bibelstunden oder der Konfirmandenunterricht, der ja auch in den Räumen stattfindet. Wenn man ernst nehme, was der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland sage, gehe der kirchliche Auftrag viel weiter und passe zum Betrieb im Dietrich-Bonhoeffer-Haus. „Ich weiß nicht, wie es aufgefangen werden könnte, wenn es das nicht mehr gäbe.“

Tatsächlich denke man beim Plochinger Personalpool für Kinder- und Jugendarbeit darüber nach, wie man die Öffnungszeiten im „place2b“ erweitern kann. Über die Jugendarbeit hinaus ist das Dietrich-Bonhoeffer-Haus auch ein Stadtteilhaus, in dem sich Generationen begegnen. Das Fazit der Brüder Nußbaum steht fest: „Der neue Kirchengemeinderat sollte die Entscheidung, das Haus zu verkaufen, nochmals überdenken.“