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Es ist eine Frage der Haltung: Im Schwarzwald und andernorts im Südwesten werden Kühe im Stall angebunden - so ist es Tradition. Doch der Druck auf Landwirte wächst. Tierschützern und Verbrauchern ist Kuhhaltung mit Seil und Kette nur schwer vermittelbar.

Freiburg (dpa)Die Kühe stehen im Stall in Reih und Glied. Vor ihnen liegt Heu zum Fressen. Zum Melken sind sie jederzeit parat. Denn ihre Bewegung ist eingeschränkt. Ein Seil oder eine Kette am Hals hält die Tiere am Platz. Diese Anbindehaltung ist umstritten. Verbreitet ist sie vor allem in Baden-Württemberg und Bayern. Bauern hier wären von einem deutschlandweit verordneten Aus der Haltungsform besonders betroffen. Sie fürchten ein mögliches Verbot, das Tierschützer sowie Bundesländer wie Hessen und Thüringen fordern.

«Aus Sicht des Tierschutzes bräuchte es dringend ein generelles Verbot dieser veralteten Haltungsform», sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Die Bewegungsfreiheit der Tiere sei extrem eingeschränkt, die Kuh könne sich lediglich auf den Boden legen oder aufrichten: «Dies schränkt viele Verhaltensweisen erheblich ein und führt zu Schäden am Bewegungsapparat.»

So genannte Laufställe, in denen sich Tiere frei bewegen können, seien die bessere Variante. Landwirte müssten umdenken und auf das Anbinden von Tieren verzichten. Das fordern auch andere Tierschutzorganisationen. «Die Anbindehaltung ist nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand nicht mehr zeitgemäß», attestiert die Bundestierärztekammer, wie eine Sprecherin sagt.

Doch sie ist Realität: «40 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg binden Kühe im Stall an», sagt Werner Räpple, Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) in Freiburg. In den Wintermonaten seien die Tiere so im Stall, im Sommer draußen auf der Wiese. Meist seien es die für die Region typischen kleineren Bauernhöfe, die auf das seit Generationen bewährte Modell setzen. «Sie haben vergleichsweise wenig Kühe, seit Jahrzehnten bestehende Stallanlagen, beengte Platzverhältnisse und werden von einer Familie bewirtschaftet.» Nur das Anbinden der Tiere ermögliche ihnen Wirtschaftlichkeit. Ein Verbot wäre das Ende dieser Betriebe.

Anbinden im Stall nicht mehr zeitgemäß

«Uns ist bewusst, dass die Anbindehaltung nicht das Modell der Zukunft ist», sagt Räpple: «Aber wir brauchen für die kommenden Jahre Planungssicherheit.» Die beiden Bauernverbände im Südwesten fürchten derzeit nach eigenen Angaben ein staatliches Verbot der Anbindehaltung. Zudem könnte der Lebensmittelhandel aussteigen.

«Wir haben die Befürchtung, dass der Handel mit Blick auf sensibler und kritischer werdende Verbraucher Produkte, die aus Anbindehaltung kommen, nicht mehr ins Sortiment nimmt», sagt Räpple. Das Anbinden im Stall gelte als nicht mehr zeitgemäß und könne nur noch schwer vermittelt werden. Für Bauern sei das ein Problem. Ein Umstellen auf moderne Haltungsformen brauche Zeit - und koste jeweils Millionen.

Die Tierhaltung mit Seil und Kette gehe zwar zurück, sei aber noch weit verbreitet. «Nördlich der Mainlinie ist das anders», sagt der Verbandschef. Dort seien bäuerliche Betriebe in der Regel größer. «Sie haben die räumlichen Möglichkeiten und den finanziellen Spielraum, große Ställe zu bauen, in denen sich Kühe frei bewegen können.» In der im Süden vorherrschenden kleinstrukturierten Landwirtschaft dagegen fehle Bauern hierfür die finanzielle Kraft.

Der Landesbauernverband, sein badisches Pendant BLHV sowie der Milchwirtschaftliche Verein Baden-Württemberg, der Molkereien vertritt, haben sich daher zusammengetan. Sie fordern den Erhalt der umstrittenen Haltungsform sowie finanzielle Zuschüsse für Landwirte, die neue Ställe bauen und Tieren ohne Seil und Kette einen Platz geben. Auch der Bayerische Bauernverband lehnt ein mögliches Verbot der Anbindehaltung ab, wie Präsident Walter Heidl sagt. In Bayern hat laut Verband mehr als die Hälfte der Betriebe diese Haltung.

«Am besten ist, wenn die Tiere raus auf die Weide kommen», sagt Rainer Bank, Landwirt in Kirchzarten bei Freiburg: «Doch im Winter geht das nicht.» In Banks Bioland-Bauernhof sind die Kühe im Winter am Seil. «Auch für die Tiere ist das die beste Lösung», sagt der Landwirt aus dem Schwarzwald. Konflikte und in der Herde und Auseinandersetzungen würden so vermieden. Zudem sinke, weil die Tiere nicht frei herumlaufen, die Verletzungsgefahr.

Vor zwei Jahren wurde ein mögliches Verbot im Bundesrat beraten, unter anderem Thüringen und Hessen befürworten es. Die bisherige Bundesregierung sowie der Stuttgarter Agrarminister Peter Hauk (CDU) lehnen es ab. Endgültig vom Tisch ist es aber nicht.

«Ich wünsche mir eine ehrliche Debatte über diese Haltungsform», sagt Landwirt Bank. Käme ein Verbot, müsste er aufgeben. Sein geringes Einkommen als Bauer reiche für einen neuen Stall nicht aus.