Karin Roth blickt gern zurück auf ihre Zeit als Abgeordnete. Foto: Weller - Weller

Karin Roth hat nicht nur in Esslingen viel bewegt. Die streitbare Sozialdemokratin feiert am Mittwoch ihren 70. Geburtstag.

EsslingenFragt man Karin Roth nach ihrem politischen Credo, zitiert sie gerne Willy Brandt: „Politik ist dann richtig und gut, wenn sie dazu dient, Menschen mit großen Sorgen und großen Belastungen das Leben ein kleines bisschen leichter zu machen.“ Dieser Anspruch hat die engagierte Sozialdemokratin durch ihre politische Karriere begleitet – und sie versucht bis heute, ihn mit Leben zu erfüllen. Karin Roth will denen ihre Stimme leihen, die selbst nicht genug Gehör finden. Und sie mag nicht einfach zuschauen, wenn sich manches in eine Richtung entwickelt, die sie falsch und manchmal auch fatal findet. Deshalb war ihr gesellschaftliches und politisches Engagement nicht zu Ende, als sie sich 2013 nicht mehr um das Bundestagsmandat im Wahlkreis Esslingen beworben hat. Mittlerweile erhebt sie ihre Stimme für das Kinderhilfswerk „Plan international“. Und auch wenn sie inzwischen in Berlin lebt, weil sie dort näher am großen politischen Geschehen ist, blieb sie der Esslinger Region und ihren Menschen verbunden. Kein Wunder, dass Karin Roth auch aus dem Neckartal zahlreiche Glückwünsche erhalten wird, wenn sie am Mittwoch ihren 70. Geburtstag feiert. Nach der Ausbildung zur Verwaltungsangestellten bei der Bundespost hat die geborene Erkenbrechtsweilerin Sozialarbeit studiert. Und weil sie schon immer nicht bloß an sich, sondern auch an andere gedacht hat, hat sich Karin Roth schon in jungen Jahren engagiert. Dass sie 1972 der SPD beitrat, findet sie deshalb konsequent: „Willy Brandt hat mich sehr beeindruckt. Seine aufrechte und zutiefst demokratische Haltung, sein Wille zur Aussöhnung und sein Engagement für eine offene und freie Gesellschaft – all das sind bis heute Anliegen, in denen ich mich wiederfinde.“ Ihrer Überzeugung ist Karin Roth privat und beruflich gefolgt: Sie war Assistentin beim Hauptvorstand der Deutschen Postgewerkschaft, ging zum Deutschen Gewerkschaftsbund Rheinland-Pfalz und wurde 1979 Referentin beim Vorstand der IG Metall. 1993 wurde sie Vize-Chefin, 1994 Vorsitzende des DGB-Landesbezirks Nordmark. So wurde der damalige Hamburger Bürgermeister Ortwin Runde auf sie aufmerksam: Als er 1998 eine Senatorin für Arbeit, Gesundheit und Soziales suchte, fiel seine Wahl auf Karin Roth, die bis zum Ende des rot-grünen Senats im Oktober 2001 im Amt blieb. Was damals für Karin Roth den Abschied aus einem Amt bedeutete, das ihr sehr am Herzen lag, erwies sich für ihre Parteifreunde in Esslingen bald darauf als Glücksfall: Die mussten 2002 die Nachfolge ihres scheidenden Bundestagsabgeordneten Siegmar Mosdorf regeln, klopften bei Roth an – und konnten sie von den Vorzügen einer Rückkehr in die alte Heimat überzeugen. Elf Jahre lang hat Karin Roth den Wahlkreis Esslingen im Bundestag vertreten – von 2005 bis 2009 war sie als Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in höherer Verantwortung. Und viele erinnern sich noch gut daran, wie viel sie in dieser Zeit bewegt hat – auch, aber nicht nur für ihren Wahlkreis. Der Lärmschutz entlang der Bahnlinie und der Bundesstraße 10, der Autobahn-Anschluss in Neuhausen, ihr Einsatz für den Ausbau der Neckarschleusen oder die Verlängerung der S-Bahn bis Neuhausen hat sie betrieben.

Mindestens ebenso wichtig war und ist der streitbaren Sozialdemokratin der Einsatz für einzelne. Wer in ihrem Abgeordnetenbüro in der Katharinenstraße anklopfte, durfte sicher sein, ein offenes Ohr und in den allermeisten Fällen auch ganz konkrete Hilfe zu finden. Denn die Abgeordnete wusste, dass selbst die scheinbar kleinsten Probleme für den einzelnen bisweilen übermächtig sein können. Lässt man Revue passieren, was Karin Roth nicht nur in Esslingen bewegt hat, spricht sie gern von „Bausteinen auf dem Weg, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern“. Sie versteht es, Kontakte zu knüpfen und Menschen zusammenzubringen, die gemeinsam mehr erreichen können als jeder für sich alleine. Und wenn es sein muss, legt sie eine Hartnäckigkeit an den Tag, die vielleicht nicht jedem gefällt, jedoch geeignet ist, die Mühlen der Bürokratie, die manchmal allzu langsam mahlen, wieder in Schwung zu bringen. „Sie sucht immer nach einem Weg, wie sich ein als richtig erkanntes Ziel verwirklichen lässt“, bescheinigte ihr zum Abschied der damalige SPD-Kreisvorsitzende Michael Wechsler.

Mittlerweile lebt Karin Roth in Berlin, doch ihre Zeit in Esslingen mag sie nicht missen. „Ich habe viele Freundinnen und Freunde, die ich regelmäßig besuche“, erzählt sie. „Wenn man sich so lange gemeinsam engagiert hat, verbindet das“, sagt sie und denkt dabei an Weggefährtinnen wie Elisabeth Nill und Hanna Scherrieble, mit denen sie sich intensiv austauscht. Dass es dabei auch um die aktuelle Situation ihrer Partei geht, liegt auf der Hand. Dass der Sozialdemokratie derzeit der Schwung vergangener Tage fehlt, sieht sie mit Sorge: „Unser Land braucht die SPD, weil wir für vieles stehen, was den Menschen wichtig ist.“ Deshalb nutzt sie die Kontakte, die sie in langen Jahren an vorderster politischer Front geknüpft hat, und schaltet sich immer wieder in den programmatischen Erneuerungsprozess der SPD ein. Denn sie ist überzeugt, dass es auch heute die oberste Aufgabe ihrer Partei ist, das Leben von Menschen mit großen Sorgen und großen Belastungen ein kleines bisschen leichter zu machen.