Die von ihr gegründete und nach ihr benannte Marke existiert und inspiriert bis heute: Modeschöpferin Jil Sander wird 80 Foto: dpa/Matteo Bazzi

Der sogenannte Zwiebellook machte die Modeschöpferin Jil Sander weltweit bekannt. Mit schwarzen Hosenanzügen und streng geschnittenen Kleidern schrieb sie Modegeschichte. Jetzt wird die Hanseatin 80.

Als Person ist Jil Sander selten in Erscheinung getreten. Nach Präsentationen ihrer Kollektion, trat sie höchstens flüchtig auf den Laufsteg, um einen schnellen Blick ins Publikum zu werfen. Die Modedesignerin aus Hamburg lässt lieber ihre Entwürfe für sich sprechen. Denn so dezent Sander in der Öffentlichkeit auftritt, so selbstbewusst hat sie schon in jungen Jahren ihr Modeimperium aufgebaut und mit ihren Designs die Modewelt bis heute geprägt. An diesem Montag wird sie achtzig Jahre alt und auch für dieses Jubiläum wird sie nicht die große Bühne suchen.

Jil Sander ist im Jahr 1943 als Heidemarie Jiline Sander geboren. Es waren die letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs. Ihre Mutter floh aus dem zerbombten Hamburg, um ihre Tochter in einem Militärlazarett auf dem Land zur Welt zu bringen. Ihre Kindheit verbrachte sie mit ihrer Mutter und deren zweitem Ehemann in Hamburg.

Mode für moderne, unabhängige Frauen

Wie prägend die Hansestadt für ihre Karriere war, zeigt sich bis zu ihrer letzten Kollektion. Die Entwürfe sind minimalistisch, oder – hanseatisch schlicht. Der Fokus lag stets auf einer reduzierten Farbpalette, raffinierten Schnitten und hochwertigen Materialien. Weit geschnittene Hosenanzüge, strenge Mäntel, Shirts mit besonderer Silhouette: Jil Sander entwarf Mode für moderne, unabhängige Frauen in einer Zeit, in der traditionelle Rollenbilder noch fest in der Gesellschaft verankert waren.

Angefangen hatte es mit einer kleinen Boutique im aufstrebenden Hamburger Stadtteil Pöseldorf, die Sander im Jahr 1968 mit gerade einmal 24 Jahren eröffnet hat. Die Milchstraße war berühmt-berüchtigt. Gunter Sachs stellte nebenan Werke von Andy Warhol aus. Zunächst verkaufte Sander Mode anderer Labels, bis sie anfing an eigenen Entwürfen zu arbeiten. Das technische Verständnis hatte sie an der Textilingenieurschule in Krefeld erlangt. Das modische Gespür verfeinerte Sander durch ihre Arbeit als Modejournalistin bei Magazinen in den USA und Deutschland – den Rest taten Kreativität und unbändiger Fleiß.

Die Erfinderin des „Zwiebellooks“

Der Anfang war zunächst schwer. Die großen Modehäuser Armani und Dior schickten in den Siebzigern ihre Models in bunter, ausgefallener Kleidung über den Laufsteg. Die Newcomerin aus Hamburg, einer sowieso nicht gerade für Mode bekannten Großstadt, machte genau das Gegenteil. Die „Queen of Less“ war nicht auf Anhieb erfolgreich. Das sollte sich jedoch schnell ändern, als Sander den sogenannten Zwiebellook erfand: simple, leicht miteinander kombinierbare Einzelstücke. Damit gelang der Hanseatin der Durchbruch, die Augen der Modewelt waren auf die Neue aus Deutschland gerichtet.

Mit Sanders Karriere ging es steil bergauf. Ihre Mode feierte man von Tokio bis Mailand, die Boutiquen vermehrten sich und fanden sich irgendwann auf drei Kontinenten. 1989 ging Jil Sander an die Börse und war damit die erste Frau im Vorstand eines deutschen Aktienunternehmens. Die tüchtige Geschäftsfrau verkaufte längst nicht mehr nur Mode, sondern auch Parfum und Kosmetikprodukte – beworben teilweise mit ihrem eigenen Gesicht. Auch die Herren bekamen ihre eigene Modelinie.

1999 fusionierte Jil Sander mit dem Modehaus Prada

Ihrem Stil blieb Sander stets treu, egal wie sehr das Unternehmen wuchs und wie vielen Kundenkreisen sie sich öffnete. Ihren Minimalismus beschreibt sie als „pur“ – clean, würde man heute sagen. Ästhetisch fühle sie sich der Architektur verbunden, verriet sie einmal in einem Interview. Ihre Studienjahre in der Bauhausstadt Krefeld, die unter anderem Mies van der Rohe mit seinen Gebäuden geprägt hat, spiegeln sich in ihrem bis heute andauernden Gefühl für Proportionen und schnörkellose Funktionalität wider. Die ganze Bandbreite ihrer Inspirationsquellen war 2017 im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt zu sehen. Die Schau „Präsens“zeigte auf rund 3000 Quadratmetern nicht nur Modekollektionen und Einblicke ins Atelier sondern auch woraus Sander ihre kreative Kraft schöpft: Gartenkunst, Stoff-Innovationen und eben die Architektur.

1999 fusionierte Jil Sander mit dem Modehaus Prada, zog sich nach einiger Zeit aus ihrem Unternehmen zurück, um zwei Mal als Designerin wieder zurückzukehren und schließlich ganz aufzuhören. Heute hat das Unternehmen mehrere Eigentümerwechsel hinter sich und gehört dem italienischen Modekonzern OTB. Das Ehepaar Lucie und Luke Meier ist als Kreativduo für die Designs bei Jil Sander verantwortlich.

So ganz hat sich Sander aber dann doch nicht aus der Branche zurück gezogen. Wahrscheinlich ist das auch gar nicht möglich. Zwischendurch war sie als Kreativdirektorin beim japanischen Textilriesen Uniqlo tätig. Unter dem eigenen Label „+J“ entwarf sie erschwingliche Mode im typischen Jil-Sander-Stil. Erst vor wenigen Jahren feierte sie damit ein Comeback. Der Ansturm auf die Teile war erwartbar groß. Der Zauber ihrer Mode ist noch lange nicht verflogen.