Quelle: Unbekannt

Künstliche Hüftgelenke mit Keramikköpfen sind das Markenzeichen der Plochinger Firma CeramTec. Auf diesem Sektor ist sie Weltmarktführer.

PlochingenWir sind im wahrsten Sinne des Wortes ein Hidden Champion“, sagt Hadi Saleh und nimmt ein kleines weißes Teil aus einer Schachtel. Eine keramisches Mahlscheibe, die im Mahlwerk von Kaffeemaschinen verarbeitet wird, daneben liegt eine Piezokeramikscheibe, die in Abstandssensoren in der Fahrzeugtechnik eingebaut wird. Dahinter steht ein künstliches Hüftgelenk mit Keramikkopf. Saleh streicht über das pinkfarbene Kugelgelenk und setzt die Keramikpfanne darauf. Bei diesem Produkt ist die CeramTec GmbH aus Plochingen Weltmarktführer. Weltweit stammen rund 90 Prozent der Hüftgelenke mit Keramikkopf von CeramTec. Seit mindestens zehn Jahren sind die Plochinger mit diesem Medizintechnikprodukt führend. Man habe sich durch hohe Liefertreue und ein hochqualitatives Produkt als zuverlässiger Partner der Medizintechnik in den vergangenen 40 Jahren schrittweise viel Vertrauen aufgebaut, meint Saleh. Er ist seit 2018 Vorsitzender der Geschäftsführung und hat als Arzt im St. Josefs-Hospital in Wiesbaden selbst schon Hüftgelenke implantiert. Wie oft, daran erinnert er sich nicht. Nur soviel meint er zu wissen: Der Keramikkopf habe so gut wie keinen Verschleiß. Das liege an der Hochleistungskeramik, die sowohl in der Kugel als auch in den anderen rund 10 000 Produkten des Plochinger Herstellers eingebaut wird.

Dafür werden verschiedene Stoffe verwendet wie Bauxit, Zirkonerde, Silizium und Quarzsand. Über unterschiedliche chemische Verfahren wird aus den Ausgangsstoffen Pulver für die technischen Keramiken gewonnen und von CeramTec bei den Herstellern gekauft. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Keramik aufgrund seiner Eignung als Isolationsmaterial erstmals in der Technik eingesetzt. Seitdem wurden die keramischen Werkstoffe erforscht und systematisch weiterentwickelt. Hochleistungskeramik wird immer dann verwendet, wenn Metall und Kunststoff nicht mehr ausreichen, beispielsweise wegen zu hoher Temperaturen oder mechanischer und biologisch-chemischer Belastungen.

Derzeit hält CeramTec rund 700 Patente und 350 Markenanmeldungen. Jährlich kommen neue Patente dazu. Allein in Forschung und Entwicklung sind weltweit 100 der insgesamt 3500 Mitarbeiter an 20 Standorten beschäftigt. Am Firmenstammsitz in Plochingen arbeiten 700 Menschen, in ganz Deutschland sind es 2000 Beschäftigte.

Sie sorgen dafür, dass Kunden aus der Medizintechnik, dem Geräte- und Maschinenbau, der Umwelt und Energietechnik, der Elektronik, Fahrzeug- und Automobilindustrie fristgemäß beliefert werden. Doch die Aufträge aus der Automobilbranche – sie hat einen Anteil am Umsatz von rund 40 Prozent – bereiten dem Unternehmen Kopfzerbrechen. Die Diskussion um den Diesel- und den Verbrennungsmotor überhaupt und die dadurch entstandene Verunsicherung wirke sich aus, sagt Saleh: „Wir sind wie alle anderen Zulieferer von den makroökonomischen Entwicklungen abhängig.“ Das Unternehmen könne dies noch abfedern durch Umschichtungen in die Medizintechnik, die sich gut entwickle. Außerdem hoffe er, dass sich bis gegen Ende des Jahres die Situation in der Automobilindustrie verbessere. Insgesamt macht die Industrie einen Anteil von zwei Drittel des Umsatzes bei CeramTec aus, die Medizintechnik ein Drittel. 2018 lag der Gesamtumsatz bei 600 Millionen Euro. Es sei der bislang beste in der Unternehmensgeschichte gewesen. Prognosen für das laufende Geschäftsjahr gibt Saleh nicht. „Nach außen werden diese nicht kommuniziert“, erklärt er. Schließlich sei man kein börsennotiertes Unternehmen. Nur soviel verrät er: Im globalen Vergleich stehe Europa beim Umsatz an erster, die USA an zweiter und Asien an dritter Stelle. Der asiatische Kontinent sei ein guter Wachstumsmarkt. Hier und ebenso in den USA sei man vor allem an Zukäufen von Unternehmen der Keramikindustrie interessiert, um die Präsenz auszubauen. Doch auch in den anderen Weltgegenden wolle man zulegen.

Dafür sind qualifizierte Mitarbeiter notwendig. CeramTec versucht deshalb, Nachwuchs im eigenen Hause heranzuziehen. Auch im Hinblick darauf, dass die Babyboomergeneration allmählich ins Rentenalter kommt. An den sieben Standorten in Deutschland bildet der Weltmarktführer jährlich 150 junge Menschen aus. Pro Jahr werden 50 neue eingestellt. Sie können nach bestandener Abschlussprüfung mit einem befristeten Vertrag rechnen. Dieses Jahr seien alle Auszubildenden übernommen worden. Nachwuchs zu bekommen, ist bislang kein Problem“, sagt Saleh. Durch Bildungspartnerschaften mit den Realschulen in Plochingen und Reichenbach sowie der Burgschule Plochingen, einer Werkrealschule, macht CeramTec beispielsweise in der Region Esslingen frühzeitig auf sich aufmerksam. Man sei in der Ausbildung für Bewerber aller Schularten offen. Besonders stolz ist das Unternehmen auf Nico Groß. Er war Bundesbester im Fach Industriemechaniker unter 300 000 Prüfungsteilnehmern in 213 Ausbildungsberufen. Groß hatte 2015 im Werk im fränkischen Lauf als Abiturient seine von dreieinhalb auf drei Jahre verkürzte Ausbildung zum Industriemechaniker begonnen und mit 99 von 100 Punkten 2018 abgeschlossen. Das Angebot, in der Firma zu bleiben, nahm er an. Er möchte während seines Studiums des Maschinenbaus an der Fachschule Amberg seine Praxis vertiefen und arbeitet in seiner vorlesungsfreien Zeit in der Projektabteilung in Lauf, beim Hidden Champion CeramTec.

Wie die Firma entstand

Die CeramTec hat sich in den vergangenen knapp 120 Jahren aus zwei Zweigen entwickelt: den 1903 von Fritz Thomas in Marktredwitz gegründeten Thomaswerken, die Porzellan beispielsweise für Teller herstellten, und der 1951 von Emil Klingler in Plochingen gegründeten Südplastik und Keramik Gesellschaft (SPK). Klingler, ehemals Mitarbeiter bei Bosch, beschäftigte sich mit technischer Keramik. 1954 erwarb die Feldmühle AG sein Unternehmen, 1991 verselbstständigte sie ihre Keramik-Aktivitäten in der Cerasiv GmbH, die ein Jahr später an die Metallgesellschaft AG, Frankfurt veräußert wurde. Der fränkische Zweig indes wurde 1908 von der Philipp Rosenthal & Co. AG übernommen. Diese kooperierte ab 1921 mit der AEG im Bereich technische Porzellane und gründete die STEMAG AG. Aus ihr ging 1971 die Rosenthal Technik AG hervor, die technische Keramik herstellt und 1985 von der Hoechst AG übernommen wurde. 1996 schließlich schlägt die Geburtsstunde von CeramTec mit der Übernahme der Hoechst CeramTec AG durch die Cerasiv GmbH. Seit März 2018 ist sie im Besitz eines von BC Partners geführten Konsortiums von Fonds, an dem auch PSP Investments und der Ontario Teachers’ Pension Plan beteiligt sind.