Wird Stuttgart vorzeitig verlassen: Schauspielchef Armin Petras. Quelle: Unbekannt

Von Thomas Krazeisen

Die Stuttgarter Staatstheater machten in diesem Jahr zunächst mit positiven Schlagzeilen von sich reden. So ging der Titel „Opernhaus des Jahres“ - nach zehn Jahren - wieder nach Stuttgart. Dies ergab eine Umfrage der Zeitschrift „Opernwelt“ unter 50 Kritikern aus Europa und den USA. Die von Intendant Jossi Wieler geleitete Opernsparte wurde für ihr Programm mit selten gespielten Werken und Uraufführungen sowie für die exzellente Pflege von Repertoire und Ensemble gewürdigt. Damit wurde der Stuttgarter Staatsoper bereits zum sechsten Mal der renommierte Titel zuerkannt.

Anna Viebrock, mit der die Oper Stuttgart eine langjährige Zusammenarbeit pflegt, konnte sich über den Titel der besten Bühnen- und Kostümbildnerin freuen. Die Kritiker hoben unter anderem Viebrocks Arbeit für die Neuproduktionen „I puritani“ in Stuttgart hervor.

Im Gespräch blieb die Oper Stuttgart freilich nicht nur künstlerisch, sondern auch auch mit Blick auf die anstehende Generalsanierung mitsamt Erweiterung des über 100 Jahre alten Littmann-Baus. Im Sommer dieses Jahres wurde vom Verwaltungsrat nach längerem Ringen der Neubau eines Kulissengebäudes sowie die Versetzung der Seitenfassade des denkmalgeschützten Altbaus in Richtung des benachbarten Landtags beschlossen. Diese Maßnahme ist notwendig, um Platz für den Einbau einer Kreuzbühne zu schaffen. Die Kosten für die grundlegende Sanierung und Erweiterung der Oper im Schlossgarten werden mittlerweile auf 300 bis 400 Millionen Euro veranschlagt.

Drei Standorte werden geprüft

Der Titel „Opernhaus des Jahres“ stärkt zweifellos die Marke Oper Stuttgart. Er ist aber auch mit Blick auf das anstehende Interim Verpflichtung. Für das größte europäische Dreispartenhaus mit hervorragendem Ruf steht einiges auf dem Spiel. Ein ähnliches Fiasko wie bei der Schauspielhaussanierung kann man sich in Deutschlands Kulturmetropole Nummer eins nicht noch einmal leisten - weder künstlerisch noch wirtschaftlich, das ist allen Verantwortlichen in der Stadt und beim Land klar.

Für die avisierten drei bis fünf Jahre Umbauzeit braucht man deshalb eine attraktive Interimsspielstätte für Oper und Ballett. Im Opernhaus mit seinen 1400 Plätzen finden pro Jahr rund 160 Opern- und 80 Ballettaufführungen statt. In der Frage, wo während der Umbauphase gesungen und getanzt wird, ist man jetzt immerhin etwas schlauer. Drei Ideen liegen inzwischen zur Prüfung auf dem Tisch: einmal ein reiner Interimsbau in der Nähe des Mercedes-Benz-Stadions, also ein Standort eher an der Peripherie, was man bei den Theaterverantwortlichen skeptisch sieht; dann ein Neubau auf dem Gelände des Tiefbahnhofprojekts Stuttgart 21, der nach dem Auszug von Oper und Ballett als Philharmonie genutzt werden könnte. Dritter möglicher Standort ist ein ehemaliges Paketpostamt im Stuttgarter Norden. Bei der nächsten Sitzung des Verwaltungsrates der Staatstheater am 24. April 2017 soll dann eine Bewertung der drei Standorte erfolgen.

Neuerdings hat das Gremium auch wieder eine personalpolitische Baustelle zu betreuen, die mit der vorzeitigen Verlängerung des Vertrags von Schauspielchef Armin Petras eigentlich abgeschlossen zu sein schien. Mit Viktor Schoner, dem bisherigen Künstlerischen Betriebsdirektor der Bayerischen Staatsoper München, war ein Nachfolger für Stuttgarts Opern-Chef Jossi Wieler und mit Reid Andersons bisherigem Stellvertreter Tamas Detrich der neue Ballett-Chef für die Zeit nach 2018 gefunden; und in diesem Sommer konnte mit Cornelius Meister der neue Generalmusikdirektor und Nachfolger von Sylvain Cambreling ausgerufen werden. Die personellen Weichen waren gestellt - auch auf einen Generationswechsel.

Nun nimmt das Personalkarussell wieder Fahrt auf. Das Schauspiel steht abermals vor einem personellen Umbruch, nachdem vor wenigen Wochen überraschend Intendant Armin Petras seinen vorzeitigen Ausstieg zum August 2018 verkündet hat. Petras, der 2013 vom Berliner Maxim Gorki Theater nach Stuttgart gewechselt war, führte „persönliche und familiäre Gründe“ für seine Entscheidung an. Sie gilt es zu respektieren. Auf der anderen Seite fällt sie offenkundig mit einer schwindenden Akzeptanz von Petras‘ risikobereiter Ästhetik bei den Stuttgarter Theatergängern zusammen. Der umtriebige und so fulminant gestartete Theatermann bekommt schon seit einiger Zeit Gegenwind zu spüren, die Zuschauer- und Abo-Zahlen sind in den beiden zurückliegenden Spielzeiten merklich zurückgegangen.

Das Zeitfenster für die Findungskommission ist nicht allzu groß, auf der anderen Seite ist der Theaterstandort Stuttgart ein hoch attraktiver für Bewerber. So könnte, wenn alles wie geplant läuft, der Verwaltungsrat der Staatstheater schon im April nicht nur eine Interimsspielstätte für die Oper, sondern auch bereits den neuen Intendanten des Schauspiels Stuttgart bekannt geben.