Von A wie Adele bis Q wie Queen: Viele Weltstars des Rock und Pop kommen aus dem Vereinigten Königreich. Nun bremst sie immer öfter der Brexit aus.
Alle Welt kann mitsingen, wenn die Beatles oder die Rolling Stones, David Bowie oder Oasis angestimmt werden. Zu den aktuellen Stars der britischen Musikszene gehören Namen wie Adele, Ed Sheeran oder Stormzy. Nicht einmal der Brexit hat den unvergleichlichen britischen Exportschlager ausbremsen können – zumindest nicht auf den ersten Blick.
Doch im ersten großen Festival-Sommer seit Ausbruch der Corona-Pandemie, in dem Konzertveranstalter wieder weitgehend unbeschränkt ihre Tickets verkaufen können, zeigt sich in vollem Ausmaß, was der britische Austritt aus der Europäischen Union für die Branche bedeutet.
Oft bleibt Equipment in Dover hängen – oder die ganze Band
„Der Herzschlag und die Zukunft unserer lebendigen Branche droht, in Dover stecken zu bleiben, ohne dass sie dies selbst verschuldet hat“, sagte die Pop-Legende Elton John kürzlich in einer Befragung. Denn was jahrzehntelang für britische Künstler galt, ist nun keine Selbstverständlichkeit mehr: Touren vor dem riesigen Publikum in Festlands-Europa.
So musste die Londoner Rockband White Lies im April in letzter Minute einen Gig in Paris absagen, weil ihr Equipment wegen bürokratischer Brexit-Hürden nicht rechtzeitig über die Grenze kam. „Es bricht uns das Herz, in dieser wundervollen Stadt zu sein, aber nicht auftreten zu können wegen einer solchen Banalität“, schrieben die Musiker auf Twitter. Andere Bands hätten kurz vorher die gleichen Probleme gehabt.
Probleme mit Arbeitsgenehmigungen und Fahrzeugzulassungen
In diesem Sommer stauen sich am Hafen von Dover die Autos von Urlaubern sowie Lastwagen wegen der Brexit-Passkontrollen. Dann ist das Risiko, als Nachwuchstalent dort stecken zu bleiben, besonders groß. Doch auch bevor eine Band überhaupt in ihren Tourbus steigt, sind Hürden zu überwinden. So sind manche Fahrzeuge aus Großbritannien, die zum Transport von Equipment benutzt werden, nicht mehr in Europa zugelassen. Oft sind auch Arbeitsgenehmigungen in EU-Ländern ein Problem: Musiker dürfen in vielen Fällen nur noch eine begrenzte Zahl an Tagen im EU-Ausland arbeiten, Sondergenehmigungen kosten Aufwand und eine Menge Geld.
„Es ist eine Lose-lose-Situation“, also eine Konstellation, die für alle nur Nachteile bringt, sagt Jamie Njoku-Goodwin, der für den Verband UK Music die Interessen der Branche vertritt. Eigentlich habe niemand ein Interesse daran, es Musikern möglichst schwer zu machen, auf Tour zu gehen. Im Gegenteil: Sowohl die EU als auch Großbritannien profitierten beide davon, wenn möglichst viel Austausch vorhanden sei.
Der britische Pop ist ein Wirtschaftsfaktor
Auch in Großbritannien seien die Visa-Regelungen – anders als in anderen Branchen – für Musiker eigentlich kein kontroverses Thema. „Es gibt keinen Wahlkreis im Vereinigten Königreich, der sagt: Wir wollen es Musikern möglichst schwer machen, auf Tour zu gehen.“ Trotzdem gibt es – abgesehen von einigen bilateralen Regelungen – keine Einigung zwischen London und Brüssel.
Immerhin: Im Herzen der britischen Demokratie ist das Thema angekommen. Mehr als 100 Vertreter des britischen Ober- und Unterhauses haben sich damit befasst und in einem Bericht namens „Let The Music Move“ (Lasst die Musik sich bewegen) Probleme und Lösungsvorschläge zusammengefasst, um die britische Regierung zum Handeln aufzufordern. „Wir Briten sind gut in Sachen Musik. Ich meine wirklich gut. Wirklich, wirklich gut“, schreibt der Labour-Abgeordnete Kevin Brennan darin – und lenkt auch das Augenmerk auf die britische Musikbranche als mächtigen Wirtschaftsfaktor: „Um es einfach zu sagen: Wir verdienen Geld mit unserer Musik.“
Britische Parlamentarier machen Lösungsvorschläge
Die Parlamentarier schlagen unter anderem finanzielle Unterstützung vor, damit Musiker die Zusatzkosten stemmen können. Die zentrale Botschaft lautet jedoch: Großbritannien solle mit der EU zusammenarbeiten, um Kosten und Hürden möglichst weitgehend abzuschaffen.
Es ist nicht das einzige Brett, das London und Brüssel derzeit zu bohren haben. Insbesondere im Ringen um Post-Brexit-Regeln für die britische Provinz Nordirland, die weiter den Regeln des EU-Binnenmarktes folgt, hat sich ein Streit mit enormem Konfliktpotenzial entwickelt. In vielen anderen Bereichen liegt die Zusammenarbeit auf Eis. „Wenn man viele schwierige Themen auf dem Tisch hat, sollte man mit dem einfachsten anfangen“, meint Njoku-Goodwin. Grundsätzlich bestehe auf beiden Seiten Offenheit.
Im Ringen der Torys um die Johnson-Nachfolge spielt der Brexit keine Rolle
Von der britischen Regierung hieß es, man werde sich weiter bei EU-Ländern, die ihre Regeln noch nicht gelockert hätten, für bessere Visa-Bedingungen und Arbeitsgenehmigungen einsetzen. Im internen Wahlkampf der konservativen Torys um die Nachfolge des scheidenden britischen Premiers Boris Johnson spielte das Thema – wie Brexit-Folgen generell – bislang keine Rolle.