Ein echter Wikinger: Hägar ist der Liebling von Millionen Comiclesern und liebte wie die echten Nordmänner ausdehnte und alkoholgeschwängerte Gelage. Am 4, Februar 2023 feierte der Comic-Held übrigens seinen 50. Geburtstag. Foto: King Features Syndicate Inc./Distr. Bulls/Egmont Comic Collection/dp

Die Wikinger feierten im Winter Feste mit Tieropfern, deren Blut an Wände und auf Gäste spritzte. Forscher beschreiben, was sonst noch geschah und erklären, was es mit dem Vorurteil der mordenden und plündernden Nordmännern auf sich hat.

Wer waren die Wikinger? Met saufende Berserker, die plünderten, wie nur die Hunnen vor ihnen? Furchterregende Krieger mit Hörnern auf den Helmen und dicken Fellen behangen?„Nein, das ist absoluter Unfug, der erst durch die Nationalromantik des 19. Jahrhundert entstand und dann von Hollywood aufgegriffen wurde“, sagt der Mittelalterarchäologe Matthias Toplak, der seit 2021 Direktor des Wikinger Museum Haithabu bei Schleswig ist. „In Filmen wie ‘Vikings‘ wird der edle Wilde mit nacktem Oberkörper, seltsamen Frisuren und schwarzem Leder thematisiert. Das ist sexy. Aber es stimmt überhaupt nicht mit dem überein, was wir archäologisch fassen können.“

Met saufende Berserker?

Wikinger auf großer Fahrt. Foto: Imago/Imagebroker

Was die Wikinger definitiv liebten, waren Feiern und Feste. Bei diesen Gelegenheiten floss der Alkohol in Strömen. Doch berauschten sich die Nordmänner hauptsächlich mit Met? Die  Alkohol-Plörre aus Honig und Wasser darf in keinem Wikinger-Streifen fehlen. Ob in „Der letzte Wikinger“ (1961), „Der 13te Krieger“ (1999) oder in „Vikings“ – es wird gebechert bis zum Umfallen.

Es sei damals nicht nur für Wikinger schwer gewesen, an Alkohol zu gelangen, erklärt Matthias Toplak. „Die Wikinger hatten gar nicht den Alkoholvorrat, um sich jeden Tag zu betrinken.“ Sie importierten mit Vorliebe Wein aus dem Frankenreich. „Das war ein absolutes Luxusgut.“

So sollte der dänische Häuptling Godefrid 885 von Kaiser Karl III. mit einem Lehen im Frankenreich belohnt werden, berichtet Toplak im Interview. Doch Godefrid beschwerte sich nach kurzer Zeit beim Kaiser darüber, dass in seinem neuen Lehen kein Weinanbau möglich sei, er hätte gerne ein neues. „Es ging ihm also überhaupt nicht um eine militärisch strategische Position oder Anschluss an Handelsrouten, sondern primär um direkten Zugriff auf den Wein.“

Blutige Feste zur Weihnachtszeit

Traditionelle Feste zu unserer Weihnachtszeit waren bei den Wikingern eine blutige wie feucht-fröhliche Angelegenheit. Wie die norwegische Universität von Agder (UiA) mitteilt, gehörten Blut, Opfergaben und Trunkenheit zu den Festlichkeiten der Wikinger dazu, ehe die Christianisierung Norwegens den brutalsten Bestandteilen von Festen dieser Art ein Ende bereitete.

„Die Opferzeremonien und Gemeinschaftsfeste mit reichlich Essen und Trinken waren die wichtigsten Aspekte der Festlichkeiten der Wikinger“, berichtet die UiA-Professorin Helje Kringlebotn Sødal. Kindertauglich waren diese Feste im Gegensatz zum modernen Weihnachten demnach ganz und gar nicht. Weihnachtsgeschenke wie heute habe es nicht gegeben, auch an Gemütlichkeit habe es gefehlt.

„God jul“

Historischer Wikingerhelm Foto: Imago/Panthermedia

Wer jemandem in Norwegen wie in Dänemark und Schweden heute „Frohe Weihnachten“ wünscht, der sagt „God jul“. Der Begriff „jul“ kommt dabei nach UiA-Angaben vom altnordischen „jól“, einer winterlichen Opferzeremonie, die zwischen der Wintersonnenwende im Dezember und Mitte Januar gefeiert wurde. Die Wikinger tranken dabei zu Ehren der Götter und huldigten ihnen mit Tieropfern. Opferblut wurde bei den Zeremonien an Wände, auf Statuen und die Feiergäste gespritzt.

Getrunken und verspeist wurden dabei geweihtes Bier und Fleisch, wie Kringlebotn Sødal erklärt. Ansonsten sei „jól“ ein Fest im eigenen Zuhause und erweiterten Familienkreis gewesen. Es sei auch dort viel angestoßen und getrunken worden - in gewisser Weise also so ähnlich wie bei vielen heutigen weihnachtlichen Familienfeiern.

Zügellose Gewalttäter und erfolgreiche Händler

Eine dänische Wikingerflotte landet an der englischen Küste. Foto: Imago/Gemini Collection

„Es stimmt“, sagt Toplak, „die Wikinger waren zügellose Gewalttäter. Sie waren stellenweise brachiale Barbaren, die mit der Axt auf alles einschlugen, was ihnen in den Weg kam. Das ist aber nur ein Teil der historischen Realität. Gleichzeitig hatten die Wikinger Kontakte mit sehr vielen anderen Kulturen.“

Mit ihren Drachenschiffen bereisten die Wikinger alle damals bekannten und unbekannten Meere. Sie dienten als Söldner am Hof des oströmischen Kaisers und bildeten die sogenannte Warägergarde. Sie errichteten auf Sizilien und in der Normandie Herrschaften, eroberten lange vor der Schlacht von Hastings zwischen Normannen und Angelsachsen im Jahr 1066 große Teile Englands.

Erfolgreiche Siedler und Bauern

Wikingergreifen an (Holzschnitt um 1880). Foto: Imago/Imagebroker

Sie besiedelten Island und Grönland. Ende des zehnten Jahrhunderts betrat Leif Eriksson als erster Europäer amerikanischen Boden – 500 Jahre vor Kolumbus. Bis nach Russland und in die arabischen Kalifate reichten die Handelswege der Wikinger.

Nur ein Flecken blieb während des Mittelalters eine notorisch Wikinger-freie Zone – das heutige Baden-Württemberg. Das hatte vor allem logistische Gründe, erläutert Toplak. Die Wikinger seien über die großen Flüsse wie Themse, Rhein, Elbe und Seine weit ins Landesinnere vorgedrungen, was mit enormen Gefahren verbunden gewesen sei.

Kamen die Nordmänner bis in den Südwesten Deutschlands?

Wikinger-Gesandtschaft vor dem englischen König Ethelred II. ( 966-1016), Foto: Imago/UIG

„Die Flüsse konnten kontrolliert werden“, erläutert Toplak. „Die Wikinger konnten nicht an den Ufern lagern, weil sie angegriffen werden konnten. Das ist einer der Gründe, warum wir keine direkte Präsenz von Wikingern im Südwesten haben.“

Erst im Nachhinein kam es über das Erbe der Nordmänner zu einer Verbindung der Kulturen. Baden-Württemberg war, so der Archäologe, über die Staufer-Dynastie eng mit Sizilien verbunden, wo es ein normannisches Reich skandinavischstämmiger Herrscher gab. Das war allerdings über 100 Jahre nach der großen Zeit der Wikinger, die gegen Ende des elften Jahrhunderts vorbei war.

In England hingegen lassen sich dem Tübinger Forscher zufolge durch die Eroberung weiter Regionen durch vornehmlich dänische Wikinger (das sogenannte Danelag) bereits vor der Invasion durch Normannen nordische Einflüsse fassen.

Weinfässer vom Bodensee für durstige Wikinger

So könnten die Trinkhörner der Wikinger ausgesehen haben. Foto: Imago/Panthermedia

Archäologische Funde in der wichtigen Wikingersiedlung Haithabu an der Schlei-Mündung in Schleswig-Holstein zeugen von Handelsbeziehungen bis in den Südwesten Deutschlands. In dem 770 gegründeten und 1066 endgültig zerstörten Handelszentrum wurden große Fässer aus Tannenholz gefunden, die wahrscheinlich für den Weintransport genutzt worden sein, so Toplak.

„Aufgrund der Holzanalysen kann man diese Fässer Süddeutschland zuweisen. Möglicherweise wurden sie in den großen Klöstern gefertigt und von dort nach Norden verhandelt.“ Ohne die süddeutsche Handwerkskunst hätten die trinkfreudigen Nordmänner womöglich auf dem Trockenen gesessen.