Das Bürgerfest ist eine einzige große Bühne für alle Esslingerinnen und Esslinger. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Rund 90 Vereine und Gruppen und damit mehr denn je haben am Wochenende das Esslinger Bürgerfest gefeiert. Eine Demonstration der Vielfalt.

EsslingenZum 46. Mal haben die Esslinger am Wochenende ihr großes Stadtfest gefeiert. Das Bürgerfest präsentierte wieder die Vielfalt des Lebens, des bürgerschaftlichen Engagements und der Kultur in der Stadt. 90 Vereine und Organisationen, und damit so viele wie noch nie, blätterten mit Information und internationaler Kulinarik, mit Musik, Tanz und Mitmachangeboten das breite kulturelle Spektrum in Esslingen auf.

Hecht und Krokodil: Für humorbegabte Geister kann ein Flohmarktstand neben Dekorativem und Nützlichem auch durchaus Anregendes bereithalten. So lugte an einem der Stände zwischen allerlei Küchenutensilien, Kleidungsstücken und Wandschmuck auch der Kopf eines Hechts in durchaus respektabler Größe hervor. Laut einem Zettel war der zwar nicht schwimmfähig und „auf der Suche nach einem trockenen Teich“. Trotzdem befand ein Kunde, der Hecht sei „sehr praktisch, wenn den Kirchheimern mal die Krokodile ausgehen“. In Kirchheim waren in den vergangenen Tagen mehrfach Krokodile gesichtet worden. Was sich dann aber am Ende als Fehlalarm herausstellte.

Chemie und Architektur: Die Ritterstraße war in diesem Jahr eher karg bestückt. So wirkte die Experimentiermeile, die beim Amtsgericht aufgebaut war, etwas verloren. Am Stand eines chemischen Instituts forschten Kinder an Inhaltsstoffen von Lebensmitteln oder blickten am Stand der Schurwaldsternwarte durch ein Sonnenteleskop. Am Stand des Stadtlabors des Stadtmuseums Stuttgart erläuterte Katrin Schildmann, wie mit dem Werkstoff Bambus und nach einfachen Konstruktionsprinzipien kleine Kunstwerke gestaltet oder auch Hochhäuser gebaut werden können.

Headbanger und Luftgitarristen: Wie in den Vorjahren wurde wieder auf etlichen Bühnen in der Stadt musiziert. Während der Verein Blues in Town am Samstag und Sonntag bereits ab der Mittagszeit in der Maille Bluesbands präsentierte, waren andernorts zunächst Blasmusikkapellen, internationale Instrumentalensembles und Chöre zu hören. An den Abenden übernahmen Rock- und Popmusiker. Die Band Tune Circus lockte bei ihrem Auftritt auf dem Marktplatz auch einige Headbanger an, die trotz hoher Temperaturen die Haare schwangen. Zur Unterstützung der Combo verteilten die Musiker aufblasbare Spielzeuggitarren, die auch eifrig genutzt wurden.

Artistik und Stadtgeschichte: Die Künstlergruppe Straku-Stadtinszenierung präsentierte an der Stadtmauer in Klein-Venedig beim Kesselwasen die Esslinger Stadtgeschichte in etwas anderer Form. Der Regisseur und Sprecher Philipp Falser las von einem Kanu aus kurze Episoden aus der Geschichte von der Stadtgründung über das mittelalterliche Alltagsleben bis zur Gegenwart vor. Zwei Akrobaten stellten die Szenen in artistischer Pantomime oder an Tüchern in der Weide und an der Stadtmauer hängend nach. Für die Zuschauer war dies recht kurzweilig, für die Artisten in der sengenden Sonne aber vermutlich ziemlich strapaziös.

Tricks und Finten: „Beide Fahrräder zu verkaufen“ – so ein Schild könnte zu einem Verkaufserfolg führen, weil ein Sonderpreis in der Luft liegt. Doch am einzigen Fahrrad am gesamten Flohmarktstand angeklebt, erwies es sich als Finte. Zwar waren es zu Anfang zwei Räder, das erste war aber schnell verkauft. Das zweite dagegen ging nicht weg – nach Einschätzung des Verkäufers war der Preis wohl zu hoch. Da müsse man eben „mit allen Tricks arbeiten“, sagte er und grinste. Ob er damit den irritierenden Spruch mit den zwei Rädern meinte, blieb offen.

Kultur und Vielfalt: Auf dem Marktplatz und dem Rathausplatz präsentierten sich die Esslinger Vereine und Gruppen in einem Schaufenster für das Spektrum der kulturellen Vielfalt in der Stadt mit Musik, Tanz und Sportvorführungen. Die Helfer der Vereine auf der internationalen kulinarischen Meile, die den Marktplatz säumte, schwitzten an den Grills und Pfannen. Derweil waren die Schattenplätze zumeist schnell belegt, und mancher musste Köfte und Getränk im Stehen in der Sonne einnehmen.

Musik und Integration: Einmal mehr zeigte sich bei den Auftritten der Gruppen und Vereine auf den Bühnen die integrative Kraft von Musik und Tanz. Trotz des teilweise sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergrunds schafften es Musiker und Tänzer mit Blasmusik ebenso wie mit Dudelsack oder Saz, Tänzen aus Mali oder von den Philippinen, Seemannsliedern oder griechischer Folklore, dass die Festbesucher fröhlich und als große Gemeinschaft tanzten und feierten.

Kulinarik und Müll: Allen Appellen zum Trotz, beim Feiern ökologische Aspekte nicht aus den Augen zu verlieren, wurden Speisen an vielen Ständen nach wie vor nur auf Einwegtellern und mit Plastikbesteck serviert. Oder wurden ordentlich in Alufolie verpackt. Entsprechend türmte sich mancherorts der Müll, auch wenn sich die Standbetreiber emsig um Sauberkeit bemühten. Ein erneutes Nachdenken, etwa über einige zentrale Spülstellen für gemeinsames Mehrweggeschirr, wie es beispielsweise in Nürtingen praktiziert wird, dürfte für künftige Großveranstaltungen nicht schaden.

Seenotrettung: An sich war das Bürgerfest nicht politisch gefärbt, aber bei der Demonstration der Aktion Seenotrettung ging es dann doch politischer zu, als es dem einen oder anderen lieb war. Zu Wasser (auf dem Roßneckar) und zu Land (auf der Agnesbrücke) machten Caritas und Diakonieverband sowie die evangelische und katholische Kirche darauf aufmerksam, dass jeder 15. Mensch beim Versuch, über das Mittelmeer zu fliehen, ertrinkt.