16 Prozent der Menschen in Baden-Württemberg sind von Armut betroffen. Foto: picture alliance/dpa/PA Wire/Andrew Milligan

Immer mehr Menschen in Baden-Württemberg sind von Wohnungsnot betroffen und brauchen professionelle Unterstützung. Die Liga-BW fordert das Land und die Kommunen auf, Hilfsangebote auszubauen.

Noch nie befanden sich in Baden-Württemberg so viele Menschen in einer Wohnungsnotlage. Noch nie waren mehr Menschen auf die Hilfe und Unterstützung der Träger der Wohnungsnotfall- und Straffälligenhilfe angewiesen. Die jährliche Erhebung der Liga-BW, ein Zusammenschluss der elf Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, zeigt: Insgesamt 12 688 Menschen werden in solchen Einrichtungen und Diensten im Land betreut.

Gründe für die verstärkte Armut und Wohnungslosigkeit sind die gestiegenen Lebenshaltungskosten und Mietpreise. Die Krisen der letzten Jahre – die Coronapandemie, Energiekrise und Inflation – und ihre sozialen Folgen zeigen sich besonders deutlich bei den Menschen, die von der Wohnungsnotfallhilfe unterstützt werden.

„Die Rückkehr in den eigenen Wohnraum gelingt nur selten“

„Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Baden-Württemberg ist seit Jahren eklatant“, sagt Marc Groß, Vorstandsvorsitzender der Liga-BW. Wer einmal seine Wohnung verloren habe, finde nur schwer zurück. Häufig werde die existenzielle Notlage zu einem Dauerzustand, in dem eine Abwärtsspirale einsetze: Armut, soziale Ausgrenzung, Wohnungsverlust, Obdachlosigkeit. Dringend notwendig sei deshalb, dass die Politik auch präventive Angebote ausweite.

Besonders viele Hilfesuchende leben der Erhebung nach in Stuttgart, Freiburg, Karlsruhe und Heidelberg. Doch das Problem beschränke sich längst nicht mehr auf die Ballungsräume, sondern sei ein landesweites und breites gesellschaftliches Problem, dass sich auf viele Schichten ausbreite. Aktuell sind in Baden-Württemberg 16 Prozent der Bevölkerung und damit mehr als 1,8 Millionen Menschen von Armut betroffen.

Baden-Württemberg ist Schlusslicht bei Sozialwohnungen

Eine Wohnungsmarkt-Studie vom Pestel-Institut zeigt, dass in Baden-Württemberg so viele Sozialwohnungen wie in keinem anderen Bundesland fehlen. Neben dem Bau von bezahlbaren Wohnungen und Mindeststandards bei Notunterkünften fordert die Liga- BW auch eine Ausweitung der Hilfsangebote in allen Stadt- und Landkreisen, die fester Bestandteil jeder Sozialplanung sein müsse. Denn so nachgefragt ambulante Angebote wie Tagesstätten, Wärmestuben und Fachberatungsstellen auch sind, sie seien häufig nicht sicher finanziert. Die Träger ständen immer wieder vor der Entscheidung, die Angebote durch Eigenmittel zu finanzieren oder sie einzustellen. „Wir sind uns bewusst, dass die Mittel durch die multiplen Krisen knapper sind, aber gerade darum, braucht es einen Fokus auf soziale Themen“, sagt Marc Groß.

Simon Näckel, der Sprecher des Liga-Unterausschusses Wohnungsnotfall- und Straffälligenhilfe, berichtet außerdem, dass nicht nur die Zahl der Menschen in Not zunimmt. „Hinzu kommt, dass die individuellen Problemlagen immer komplexer und herausfordernder werden.“

Hilfesuchende würden verstärkt unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen, psychischen Erkrankungen und Verelendungssymptomen leiden – gerade ältere Menschen. „Die Anforderungen an die professionelle Hilfe sind weiter gestiegen“, sagt Näckel. Die Wohnungsnotfallhilfe arbeite seit langem häufig über der Belastungsgrenze, um Notlagen zu lindern oder zu überwinden.