Bei dem Anschlag in Uppsala am Donnerstag starb eine junge Frau. Foto: dpa/Anders Wiklund

Kriminelle Gangs versetzen Schweden in Angst und Schrecken. Nach einer erneuten Eskalation der Gewalt fasst die Regierung umfassende Maßnahmen ins Auge.

Die Bombe war so stark, dass sie zwei Wohneinheiten in die Luft sprengte: Bei einem Anschlag in der schwedischen Stadt Uppsala in der Nacht auf Donnerstag starb eine 25-jährige Frau. Bereits 46 Menschen kamen in den Auseinandersetzungen krimineller Gangs um. Diese Woche innerhalb von zwölf Stunden allein drei Menschen. Die Polizei sagt: „Die schlimmste Gewaltwelle seit Jahren.“

Bilder von gesprengten Wohnungen, die an den Ukraine-Krieg erinnern; Meldungen von erschossenen Gangmitgliedern und Zufallsopfern; Berichte von traumatisierten Kindern in den Vororten – das alles zerrt an den Nerven der Menschen. Der Ruf nach dem Einsatz des Militärs wird immer lauter.

Eine Einbindung der Streitkräfte wird diskutiert

Diesem Ruf schloss sich am Donnerstag Ex-Regierungschefin Magdalena Andersson an. „Die Überwachungsarbeit, die die Polizei umsetzt, könnte das Militär tun“, so der Vorschlag der Sozialdemokratin. Dazu müssten allerdings die Gesetze geändert werden.

Justizminister Gunnar Strömmar hat sich bisher gegen eine solche Lösung gewehrt. „Wir müssen die Polizei ausbauen“, so sein Angebot. Zudem setzt der bürgerliche Politiker auf eine Gesetzesänderung: Ab dem 1. Oktober hat die Polizei mehr Möglichkeiten bei der Abhörung der Gangs. Doch ein internes Dokument im Besitz der Zeitung „Svenska Dagbladet“ soll darauf verweisen, dass die schwedische Regierung auch eine Einbindung der Streitkräfte diskutiert.

Die Misere hat zudem eine außenpolitische Dimension: Die Strippenzieher des Bandenkriegs agieren außerhalb von Schweden. Der „kurdische Fuchs“, bürgerlich Rawa Majid, leitet von der Türkei aus seit 2018 die Geschäfte der Bande Foxtrott, die mit allen Mitteln Drogenreviere im skandinavischen Königreich verteidigt und erobert. Dieses Netzwerk hat sich im Sommer aufgespalten. Ismail Abdo, einst Nummer zwei, ist nun Boss eines Teils der Gang, was zu der Eskalation führte. Auch er soll mittlerweile in der Türkei leben.

Der Bombenanschlag in Uppsala gilt als Racheakt gegen den „kurdischen Fuchs“. Das Todesopfer war nicht Ziel des Anschlags. Getroffen werden sollte ein Nachbar, welcher zu Majids Verwandtschaft gehört.

Die Bandenchefs sitzen in der Türkei

Nach schwedischen Polizeiquellen soll der 37-jährige Majid von einem Polizeichef in Istanbul protegiert werden. Der iranische Staatsbürger, welcher seine Kindheit in Schweden verbracht hatte, besitzt seit 2020 die türkische Staatsbürgerschaft. Obwohl ein internationaler Haftbefehl besteht, wird er somit nicht ausgeliefert, und ein Kuhhandel mit Erdogan wäre schwedischen Diplomaten fremd.

Die schwedische Mitte-rechts-Regierung von Ulf Kristersson will es sich mit dem türkischen Präsidenten nicht verscherzen. Denn jener soll die Ratifizierung des schwedischen Antrags auf Nato-Beitritt absegnen. Dies hat Erdogan auf dem Nato-Gipfel im Juli zwar für Oktober versprochen, aber er droht seitdem immer wieder mit einem Rückzieher.