Seit 2002 reist Detlef Gründel mindestens einmal im Jahr nach Nepal. Dort engagiert er sich für die Alphabetisierung armer Frauen. Foto: Dietrich Quelle: Unbekannt

Schätzen es die Männer, wenn ihre Frauen klug sind und lernen? In Nepal leider oft nicht. Im Jahr 2008 lag dort die Analphabetenquote bei Frauen - sie ist auch bei Männern hoch - bei 62 Prozent. Im selben Jahr wurde im Kathmandutal in Lalitpur, auch als Patan bekannt, eine Frauenschule gegründet - dank der Unterstützung vom Schurwald.

Von Peter Dietrich

Die Vorgeschichte des „Mahadevi Women Education Center“ beginnt im Jahr 1994. Da hatte sich Detlef Gründel aus Baltmannsweiler einen Traum aus seiner Jugendzeit verwirklicht. Er reiste das erste Mal mit einer Kultur- und Treckingreise nach Ladakh in Nordindien, dem von der tibetischen Kultur geprägten Hochplateau. Seither war er fünfmal in der Region, hat mit dem Stok Kangri auch einen 6000er bestiegen. Braucht man da Atemgerät? „Nein, nur Kondition.“

2002 ging es auf Familienreise in den Himalaya, eine Art Initiationstour für die beiden erwachsenen Söhne, alles Gepäck wurde selbst getragen. Die Gründels lernten das Lehrerehepaar Acharya aus Lalitpur, Nepal, kennen, das zwei Privatschulen betrieb. Der jüngere Sohn Florian, er ist Kulturwissenschaftler, hospitierte drei Monate lang in einer der beiden Schulen. Seit 2002 reist Detlef Gründel alle ein, zwei Jahre nach Nepal. Gemeinsam mit dem jüngeren Sohn hat er bereits sechs Gruppenreisen nach Nepal organisiert.

Im Jahr 2006 kam die Anfrage vom Ehepaar Acharya, ob die Gründels beim Aufbau einer Schule für die Alphabetisierung armer Frauen ohne ausreichende Schulbildung helfen könnten. Die Gründels berieten sich mit Freunden und gründeten im Sommer 2007 den Verein „Mahadevi“ zur Förderung von Frauenprojekten in Nepal. Der Name stammt von einer Göttin des Hinduismus. „Ein Jahr später hatten wir genug Einnahmen gesammelt, dass wir ein verlässlicher Partner waren“, sagt Gründel. So wurde 2008 in einem Armenviertel in Lalitpur das Mahadevi Center eröffnet.

Inzwischen haben dort rund 350 Frauen lesen, schreiben und rechnen gelernt. Sie können diese Fähigkeiten nun beruflich nutzen oder sind sich nun zumindest sicher, dass sie auf dem Markt nicht mehr übers Ohr gehauen werden. Seit 2011 haben 100 Frauen Näh- und Schneiderkurse absolviert, davon 60 mit Zertifikat. Die Frauen kochen gemeinsam, freitags gibt es Ausflüge, gemeinsame Feiern sowie Infos zu sozialen und pädagogischen Themen, zu Gesundheit und Hygiene. Die Bildung, sagt Gründel, erhöhe das Selbstbewusstsein der Frauen und ihre gesellschaftliche Teilhabe. Laut Verfassung sei das Kastenwesen in Nepal nicht mehr erlaubt, es werde aber noch immer gelebt. Die Schülerinnen sind zwischen 16 und 84 Jahre alt. Ihr Lerntempo ist ganz individuell. Denn durch Erwerbstätigkeit und ihre Familie können nicht alle so regelmäßig in den Unterricht kommen, wie sie möchten.

Wie lange eine Frau auf ihrem Level - Anfänger oder Fortgeschrittene - bleibt, bestimmt sie selbst. Bei einer umfangreichen Befragung sagten viele Frauen, sie wünschten sich mehr Unterstützung von ihren Männern. Ihre Motivation ist ganz unterschiedlich: Sie wollen ihren Kindern bei den Schularbeiten helfen, selbst die Heiligen Bücher lesen oder ihr Wechselgeld nachzählen können. Neue Schülerinnen kommen vor allem durch Mund-zu-Mund-Propaganda ins Mahadevi Center. Es wurden auch Werbeprospekte verteilt, aber die Adressatinnen können ja nicht lesen.

Weil es nur ein einziges Lehrbuch zu kaufen gibt, haben die Lehrer fast alles Lehrmaterial selbst erstellt. Die Schule hat vier Räume. Für die Frauen ist der Unterricht weitgehend kostenlos, sie zahlen nur eine ganz kleine Gebühr, so wie sie können. Die Gehälter der Lehrerinnen und Lehrer, die Miete und das Lehrmaterial finanziert der Verein Mahadevi. Die Nähkurse finanziert die Georg-Kraus-Stiftung.

Nach dem schlimmen Erdbeben im Jahr 2015 hat der Verein Mahadevi, der derzeit rund 50 Mitglieder zählt, fast 50 000 Euro gesammelt und damit vor Ort geholfen. Er tat dies über eigene, direkte Kanäle, ohne dass in den noch immer instabilen und korrupten politischen Strukturen zu viele Leute die Hand aufhalten. Die Schule ist staatlich anerkannt, der Staat ist aber nicht direkt beteiligt. „Er hat kein Interesse an der Frauenbildung“, sagt Gründel. Als nächster Schritt seien Frisörkurse geplant: „Die Frauen möchten das.“

Sie möchten auch von Gründel bei seinen Besuchen eine Ansprache auf Nepali hören. Weil er sonst eher nur „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“ sagen kann, lässt er sich seinen Text übersetzen und übt ihn. „Das wird jedes Jahr besser. Wenn die Frauen etwas verstanden haben, dann klatschen sie.“ Einfach ist die Sprache für einen Europäer nicht. „Die Grammatik ist eine ganz andere, Artikel gibt es keine. Es kommt auf die Betonung an, und auf die Länge.“

Die Frauen, erzählt Gründel, seien für das Mahadevi Center sehr dankbar. „Da scheine ich als der große Guru, das will ich gar nicht.“

Benefizkonzerte

Am Samstag, 23. September, um 20 Uhr gibt es in der Begegnungskirche in Esslingen (Urbanstraße 45) ein Benefizkonzert für die Frauenschule. Beim Chansonabend entführen Heidrun Speck und Jeschi Paul die Zuhörer in die 1920er- und 1950er-Jahre, widmen sich mit einem Augenzwinkern gesellschaftlichen Befindlichkeiten, männlichen Macken und weiblichen Wallungen. Karten zu 16 Euro an der Abendkasse und zu 14 Uhr im Vorverkauf bei der Eßlinger Zeitung am Marktplatz.

Am Samstag, 25. November, rocken die „Beatles of Baltemore“ im Bürgerhaus in Hohengehren zugunsten des Mahadevi Center.

www.verein-mahadevi.de