730 geladene Gäste nutzten die Backnanger Wirtschaftsgespräche zu Begegnung und Austausch – trotz Absagen und einer Demo.
Ein Großaufgebot der Polizei im Industriegebiet Lerchenäcker am Mittwochabend. Während an der Manfred-von-Ardenne-Allee mehr als 150 Teilnehmer lautstark gegen die Politik der Bundesregierung demonstrierten, versammelten sich auf dem Betriebsgelände des Nutzfahrzeugcenters nebenan mehr als 730 geladene Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu den mittlerweile 20. Backnanger Wirtschaftsgesprächen – ein Abend unter dem Motto der Begegnung, des geselligen Austauschs und neuer Impulse.
„Eine Art Liebeserklärung“
Oberbürgermeister Maximilian Friedrich hob in seinem Grußwort die Bedeutung der Veranstaltung hervor: „Jeder in Backnang und um Backnang herum, der etwas auf sich hält, kommt immer wieder gerne zu unseren Wirtschaftsgesprächen.“ Sie böten allerbeste Voraussetzungen, um sich unter Wirtschafttreibenden auszutauschen, Geschäfte anzubahnen und vielleicht sogar abzuschließen. „Die Veranstaltung ist also fast so etwas wie eine Liebeserklärung an den Mittelstand, an das Handwerk und den Handel.“
Er bedaure die Absage des Vizekanzlers Robert Habeck, der ursprünglich sein Kommen zugesagt hatte: „Sein Besuch hätte dem Grundgedanken des Netzwerkens Rechnung getragen und es hätte die besondere Gelegenheit geboten, in bewegten Zeiten, direkt vor Ort an höchster Stelle in den Dialog mit Vertretern der Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zu treten.“ Die aktuelle wirtschaftliche Lage sei ein „Cocktail aus Herausforderungen wie beispielsweise Bürokratieverstrickung, Digitalisierungsrückstand, Energiekostenexplosion, Fachkräftemangel, Nachfrageausfall und politischer Nonchalance“, so der OB. „Der Cocktail hat sich zu einer giftigen Mischung entwickelt, die uns alle in Atem hält.“ Viele Menschen im Land hätten berechtigte Sorgen und Ängste, etwa vor dem Verlust der Heimat, vor wirtschaftlichem und sozialem Abstieg. „Wir müssen gemeinsam Lösungen finden, sonst werden nur diejenigen stärker, die das Gemeinwesen destabilisieren und auf lange Sicht auch unseren Wirtschaftsstandort schwächen.“
Kurzfristig Ersatzredner gefunden
Einer kurzfristigen Lösung bedurfte es auch nach der Absage der Hauptrednerin Nicole Lontzek am Veranstaltungstag wegen Stimmbandproblemen. Die Organisatoren von Stadt, Gewerbeverein und Industrieverein ließen sich aber auch davon nicht aus dem Konzept bringen und so engagierten OB Friedrich sowie die Vorsitzenden des örtlichen Gewerbevereins, Stefan Hopp, und des Industrievereins, Markus Höfliger, als Ersatz den Österreicher Christoph Holz. Der studierte Informatiker und Investor sprach in seiner Rede, die einem Parforceritt zum Thema „Arbeitswelten der Zukunft“ gleichkam, über die Digitalisierung und Automatisierung durch Roboter, die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen, wie etwa neue Berufsbilder und neue Freiheiten, die durch mobiles Arbeiten ermöglicht werden. Einer seiner Rückschlüsse: „Niemals digitalisieren lassen sich Kreativität, Eigenverantwortung und Empathie – mit einem Wort: das Unternehmertum.“
In einer anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Josh Kochhann, vertiefte Christoph Holz mit der Chefin der Agentur für Arbeit, Christine Käferle, sowie Uwe Amann, dem Personalleiter der Harro Höfliger GmbH, und Reinhard Mayer von der Backnanger aptus IT die Themen. Danach blieb noch Zeit für die Gäste, um bei Häppchen und Getränken dem eigentlichen Anlass der Veranstaltung nachzukommen: guten Gesprächen miteinander – und das nicht zwingend nur über Wirtschaft.