Die Burgruine Reußenstein in Neidlingen. Foto: IMAGO / Horst Rudel

So manche Burg in Baden-Württemberg überrascht und ist auf den ersten Blick nicht einmal sichtbar. Historiker Jonas Froehlich gibt einen verblüffenden Einblick hinter die Mauern des Mittelalters.

Ritter, Burgfräulein und Minnegesang – so oder so ähnlich sehen die Bilder aus, die wohl viele im Kopf haben, wenn sie an Burgen denken. Der Historiker Jonas Froehlich, der an der Uni Tübingen über die Bauten des Mittelalters promovierte, kennt nicht nur viele der Burgen und Schlösser, sondern auch die historischen Details und Hintergründe. „Schon als Kind habe ich mich fürs Mittelalter interessiert“, erzählt Froehlich. Doch sein Bild einer typischen Burg hat sich seit seiner Arbeit mit und über die Geschichte verändert „Burgen sehen immer ganz unterschiedlich aus. Die Vielfalt ist riesig“, sagt der 32-Jährige. Von großen Anlagen bis kaum sichtbaren Bauten, es sei alles dabei.

Jonas Froehlich /Privat

„Burgen waren oft ein Macht- und Herrschaftsmittelpunkt“, erklärt er. Oftmals sei es da auch nicht um eine militärische Verteidigung gegangen. „Belagerungen waren selten“, sagt der Historiker. Vielmehr seien sie ein Kontaktpunkt gewesen, ein zentraler Ort des Lebens. Drumherum gab es Handwerker, Mühlen und viele andere Gebäude. Mit unserer Zeitung hat der 32-Jährige über einige der besonders spannenden und schönen Burgen in der Nähe von Stuttgart gesprochen.

1. Hohenrechberg in Schwäbisch Gmünd

Die Burg Hohenrechberg von oben Foto: www.imago-images.de/IMAGO/imageBROKER/Franz Walter

„Hohenrechberg ist eine Burg, wie man sie sich als Kind vorstellt. Das hat mich sehr beeindruckt“, sagt Froehlich. Mauern, Türme, ein echter Graben samt Verbindungsweg, gelegen auf dem gleichnamigen Berg – eine Burg, auf der es vieles zu entdecken gibt. Die im Ostalbkreis gelegene Burg hat eine lange Geschichte. „Die Rechberger haben den Hohenstaufen gedient“, erklärt Froehlich. Sie soll um 1200 entstanden sein.

Heute lässt sich die Burg ideal im Rahmen einer Wanderung erreichen.

2. Nippenburg in Schwieberdingen

Die Nippenburg wurde bereits 1160 das erste Mal erwähnt. Foto: www.imago-images.de/IMAGO/Zoonar.com/Günter Gegenheimer

In Schwieberdingen (Landkreis Ludwigsburg) steht mit der Nippenburg eine noch ältere Burg. „Das Mauerwerk ist sehr eindrucksvoll“, sagt Froehlich. „Sie wurde 1160 das erste Mal erwähnt – sehr früh für eine solche Burg“, sagt er. „Das Geschlecht der Nippenburgs war mächtig und in der Region bekannt“, so der Historiker.

Die Ruine liegt an einem kleinen Bach und ist vom Ortskern Schwieberdingens mit einem Spaziergang zu erreichen.

3. Die Burgruine Reußenstein in Neidlingen

Die Burgruine Reußenstein im Kreis Esslingen. Foto: imago stock&people/imago stock&people

Sie thront heroisch über Neidlingen im Kreis Esslingen: die Burgruine Reußenstein. „Sie ist als klassische Höhenburg ein wirklich tolles Ziel für Wanderungen, selbst Kletterer sind hier unterwegs“, sagt Jonas Froehlich. Allerdings sei es auch möglich, mit dem Auto nah an die Burg heranzufahren. „Von oben haben Besucher eine tolle Aussicht ins Tal.“

Die Burg gehörte einst dem Grafen von Reuschenstein, erklärt der Experte. Heute kommen hier vor allem Romantiker und Romantikerinnen auf ihre Kosten, meint er.

4. Burg Kalteneck in Holzgerlingen

Klein aber fein: Burg Kalteneck in Holzgerlingen. Foto: Rebecca Baumann

Auch wenn die Burg Kalteneck in Holzgerlingen (Landkreis Böblingen) für das Laienauge eher nach einem alten Fachwerkbau ausschaut, so handelt es sich um eine Burg, erklärt Historiker Froehlich. „Sie gehört zu den kleineren Anlagen“, führt er aus. Das Wasserschlösschen wurde erstmals im 14. Jahrhundert erwähnt. Der 32-Jährige sagt: „Diese kleinen Ortsburgen sind heute selten, sie wurden oft aufgegeben oder abgerissen.“ Das Schloss Kalteneck sei klein, aber besonders schön. Das wissen auch viele Paare: Heute ist es möglich, in der Burg zu heiraten.

Und auch einen weniger historischen, aber umso süßeren Tipp hat der Historiker: „Hier gibt es auch gleich in der Nähe eine gute Eisdiele.“

5. Burg Wäscherschloss in Wäschenbeuren

Die Burg Wäscherschloss fällt mit ihrer ungewöhnlichen Form auf. Foto: imago stock&people/imago stock&people

Etwa eine Autostunde von Stuttgart entfernt befindet sich Burg Wäscherschloss in Wäschenbeuren (Landkreis Göppingen). „Diese Burg hat eine wirklich beeindruckende Form“, sagt er. Eine trapezförmige Mauer mache sie besonders eindrucksvoll. „Sie sieht kompakt aus, ist aber ganz oft umgebaut worden“, sagt er. Auch wenn sie der Legende nach als Wiege der Staufer gelte, historisch sei das falsch, erklärt der 32-Jährige. „Die Burg wird ins 13. Jahrhundert datiert“, sagt er. Das mache sie aber nicht weniger spannend. Angrenzend seien viele Gräben erkennbar, es muss viele Gebäude gegeben haben, sagt er. Wie sie im Detail ausgesehen haben müssen, das bleibt aber wohl der Fantasie überlassen.

Und warum eine Burg Schloss genannt wird? Das sei historisch leicht zu erklären, sagt Froehlich. Eine solche Unterscheidung in Burg und Schloss habe es im Mittelalter sprachlich überhaupt nicht nicht gegeben, sie sei verhältnismäßig modern.

6. Burg Wasserschloss Glatt

Die Burg Wasserschloss in Glatt gilt als eine der beste erhaltenen ihrer Art. Foto: www.imago-images.de/fotoping via imago-images.de

Eine echte Schönheit: Burg Wasserschloss Glatt, gelegen in Sulz am Neckar im Schwarzwald. „Sie gilt als besonders schönes Wasserschloss“, sagt Froehlich. Erstmals errichtet wurde die Burg im 13. Jahrhundert. „Aber vieles, was wir heute sehen, ist aus dem 15. Jahrhundert“, sagt der Historiker über den Bau, der in einem „verschlafenen Dörfchen“ liegt.

„Die Anlage ist einfach sehenswert und es gibt ein paar schöne Wanderstrecken“. Ein kleines Museum über den Adel befinde sich neben einem Restaurant in der Burg – ideal für Ausflüge.

7. Yburg im Remstal

Quadratisch, praktisch, gut? Die Yburg im Remstal. D Foto: imago stock&people/Stefan Schurr

Deutlich kleiner: Die Yburg im Remstal. „Der quadratische Bau in den Weinbergen geht ins 14. Jahrhundert zurück“, erklärt Froehlich. Was heute verhältnismäßig klein wirkt, war wahrscheinlich der Kern einer größeren Anlage, so der Historiker. „Mich fasziniert vor allem das alte und doch so schöne Mauerwerk der Burg“, so der Historiker.

8. Hohenneuffen Burgruine in Neuffen

Eine der ganz Großen: Burg Hohenneuffen. Foto: www.imago-images.de/McPHOTO/R. Mueller via www.imago-images.de

Eine der größten Höhenburgen Süddeutschlands: die Burg Hohenneuffen. „Sie ist eine der sieben Landesfestungen“, sagt Jonas Froehlich. „Mindestens schon 1100 stand hier ein Bau, immer wieder wurde die Burg jedoch umgebaut“, sagt er. „Hohenneuffen hat mich umgehauen, als ich die Burg zum erst mal Mal gesehen habe“, sagt der Experte. Mit Gottfried von Neuffen hat sie sogar einen Minnesänger hervorgebracht.

Und auch in der jüngeren Geschichte wurde die Burg noch einmal zu einem herausragenden Ort. „Hier wurde 1948 Demokratiegeschichte geschrieben“, erklärt Froehlich. Die Dreiländerkonferenz fand auf Hohenneuffen statt, sie legte den Grundstein für die Vereinigung Südwestdeutschlands. Touristisch ist die Burg heute gut erschlossen.

9. Burg Zillenhart in Schlacht

Hügel in der Landschaft: die heute nicht mehr sichtbare Burg Zillenhard. Foto: Jonas Froehlich

Eine Burg für Entdecker: Von der Burg Zillenhart in Schlacht im Landkreis Göppingen ist heute kaum noch etwas übrig. Gräben im Grünen sind es, die zeigen, dass sich hier einmal etwas Großes befunden haben muss. Eine Ruine, geschweige denn eine Burg, sieht man heute nicht mehr. „Hier stand einmal eine Turmhügelburg“, sagt Froelich. Vermutlich aus viel Holz und Fachwerk. Heute macht eine Tafel auf die einstige Burg aufmerksam.

Warum heute nichts mehr steht? Womöglich kam es zu einem Brand und der Standort wurde dann wohl aufgegeben, mutmaßt Froehlich. Historiker, Archäologen und Experten aus der Geophysik arbeiten heute gemeinsam daran, zu rekonstruieren, was sich hier genau befand.

10. Bachritterburg Kanzach

Der Nachbau: die Bachritterburg in Kanzach. Foto: www.imago-images.de/IMAGO

Eigentlich keine historisch „echte“ Burg, dafür ein Freilichtmuseum: die Bachritterburg in Kanzach. „Hier kann man sehen, wie viele Burgen einst ausgesehen haben“, erklärt Froehlich. Die Burg ist eine nach wissenschaftlichen Grundlagen erarbeiteter Nachbau einer mittelalterlichen hölzernen Turmhügelburg, erklärt er. So oder so ähnlich hat wohl die Burg in Schlacht einmal ausgesehen.

Wer noch mehr über Burgen und ihre Historie lernen will, dem rät Historiker Jonas Froehlich, sich im Netz auf der Europäischen Burgendatenbank, gegründet von mehreren wissenschaftlichen Instituten, zu informieren.

Diesen Artikel haben wir erstmals am 28.03.2024 veröffentlicht.