Nachhaltigkeit ist auf dem Wochenmarkt Trumpf: Stefanie Röcker hat ihre Einkäufe Foto: in wiederverwendbare Netze verpa - in wiederverwendbare Netze verpackt.

Im Winter ist die Auswahl an regionalem, saisonalem Obst und Gemüse eher schmal. Doch auch aus Kohl, Knollen und Wurzeln lassen sich schmackhafte Gerichte zubereiten wie ein Besuch auf dem Esslinger Wochenmarkt zeigt.

EsslingenEin bisschen gruselig sieht es ja schon aus – Knollensellerie nennt sich das gelb-grünliche Rundgemüse mit seinen fast pittoresken, länglichen Wurzelpüscheln und den Runzeln auf der Schale. Und das soll man essen? Auf jeden Fall, meint Gemüsebauer Eberhard Clauß, der seit nunmehr 29 Jahren auf dem Esslinger Wochenmarkt meist an derselben Stelle seine Erzeugnisse feilbietet. „Knollensellerie ist eine großartige Grundlage für Suppen oder Soßen“, ergänzt der Experte, „Oder man reibt die Knollen und macht sich einen leckeren Waldorfsalat.“

In den benachbarten Holzkisten liegt Wurzelpetersilie, Rote Beete und Pastinaken – alles regional, saisonal und oftmals bio. Zugegeben, im Winter fällt es vielen von uns schwer, über den CO2-Abdruck unserer Ernährung nachzudenken. Zumal die Auswahl an regional und saisonal erhältlichem Obst und Gemüse ziemlich überschaubar ist. Dennoch lohnt sich mehr Mut zu Kohl, Knollen und Wurzeln – denn mit ein bisschen Fantasie lassen sich auch damit schmackhafte und gesunde Gerichte zubereiten, wie ein Besuch auf dem Esslinger Wochenmarkt zeigt.

Jute statt Plastik

Katharina (28) aus Esslingen, mit reichlich Metallringen im Gesicht und Rastafrisur, hat neben Knollensellerie auch Lauch, Ur-Rüben und Rosenkohl in ihrem Jutebeutel. „Ich hole mir jeden Samstag auf dem Markt, was es saisonal gerade gibt“, sagt sie. Ihr Sellerie wird in kleinen Würfeln scharf angebraten, dann Tempeh (fermentierte Sojabohnen) zugegeben, mit Sojasoße abgelöscht und mit Knoblauch gewürzt. Dazu gibt es Reis mit getrockneten Tomatenstückchen und drüber ein bisschen Petersilie gestreut. „Schnell und lecker“, sagt die Veganerin. Für sie ist der wöchentliche Marktbesuch auch eine kleine Flucht nach vorne – viel Inspiration holt sie sich aus dem wechselnden Angebot der Händler. „Und obendrein kann man so auch dem Verpackungswahnsinn etwas entgegensetzen.“

Tatsächlich arbeiten viele der Händler mittlerweile mit Papiertüten, zudem haben viele Kunden ihre eigenen Behältnisse dabei oder legen die Erzeugnisse einfach lose in ihre Taschen, Körbe oder Rucksäcke. Doppelt- oder Dreifach-Verpackungen, die einen beim Öffnen schon fast aggressiv machen, akkurat eingeschweißte Salatgurken oder extra Plastikschälchen für frischen Ingwer, der dann sowieso wieder geschält wird, gibt es nicht.

Ein großer Pluspunkt, findet auch Stefanie Röcker. Die 41-Jährige hat Zucchini, frischen Ackersalat, Pilze (beides in wiederverwendbaren Netzen verpackt) und Möhren in ihrem Korb. „Das gibt zuerst eine große Salatschüssel, die Zucchini werden mit Paprika, Schafskäse und ihrem Innenleben gefüllt und überbacken und die Möhrchen werden zu Sticks, die ich mit Freunden beim Schauen der Handball-Europameisterschaft knabbere“, erklärt die Esslingerin, die jeden Samstag auf den Markt geht. Fleisch und Wurst kauft sie beim Metzger, den Rest im Bio-Supermarkt. „Letzterer ist vielleicht ein bisschen teurer, aber ich habe das Gefühl, viel bewusster einzukaufen als im Discounter“, sagt Stefanie Röcker.

Leicht gestresst versucht derweil Burkhard (53), seinen Einkaufszettel zu entziffern. Er ist mit zwei großen Tüten, gefüllt mit Grünkohl, unterwegs. „Den verarbeitet meine Tochter zu einem ziemlich leckeren Rohkostsalat“, sagt der Esslinger. Der Trick: Da Grünkohl recht rau und kratzig ist, hängt das Gelingen entscheidend vom ersten Schritt, dem Massieren, ab. Der gewaschene und geschnittene Grünkohl wird mit Salz durchgewalkt, bis das Salz so einmassiert ist, dass der Grünkohl weich ist und sich auf fast ein Drittel seines Volumens reduziert hat. So lässt er sich hervorragend als Rohkost genießen. „Dazu gibt es dann Entenbrust“, freut sich Burkhard schon darauf, bekocht zu werden.

Steckrüben als Kartoffel-Ersatz

Am Stand von Eberhard Sohn aus Mettingen warten unterdessen dunkle Rote-Beete-Knollen, Ringelbeete und Steckrüben auf ihre Käufer. „Man merkt schon, dass die Leute immer mehr saisonal einkaufen“, meint Mitarbeiter Martin Boelsch. Er preist besonders seine stattlichen gelben Steckrüben als optimalen Kartoffel-Ersatz an: „Einfach kochen und als Beilage servieren.“

Für Händler Eberhard Clauß geht der aktuelle Hype ums gesunde Wintergemüse dagegen manchmal schon ein bisschen zu weit. „Auch wenn Sterneköche ganz tolle Sachen mit Pastinaken anstellen, der Kunde kauft meistens doch, was er kennt.“ Bei ihm am Stand – rund 90 Prozent der Kunden kommen regelmäßig – sind das Karotten und sein knackiger frischer Feldsalat. „Wir Bauern haben uns da auch verbessert, durch den Anbau in Gewächshäusern, der Nutzung von Folientunneln und besseren Lagerungsmöglichkeiten kann man auch im Winter mehr eigene Erzeugnisse anbieten.“

Fazit: Geringschätzung hat das Wintergemüse trotz seines teilweise abenteuerlichen Aussehens nicht verdient. Im Gegenteil. Die kalte Jahreszeit bietet viele leckere, zudem meist auch sehr gesunde Sorten, die nur darauf warten, zu leckeren Gerichten verarbeitet zu werden – es braucht nur ein bisschen Mut.

Wintergemüse

Kälteschutz: Zum typischen Wintergemüse zählen vor allem Kohl- und Wurzelgemüsesorten. Doch auch einige Salatarten – etwa Feldsalat, Chicorée, Endiviensalat, Zuckerhut, Radicchio oder Portulak – haben zwischen Oktober und März Saison. Als Wintergemüse bezeichnet man allgemein Gemüsesorten, die in der kalten Jahreszeit geerntet werden oder sich so lagern lassen, dass sie über den gesamten Winter hindurch verzehrt werden können. Teilweise wird Wintergemüse heute auch in Gewächshäusern oder unter Folie angebaut, um die Pflanzen vor der Kälte zu schützen.

Frost: Einige Gemüsesorten wie zum Beispiel der Grünkohl profitieren sogar von dem im Winter einsetzenden Frost. Durch die niedrigen Temperaturen werden die Stoffwechselvorgänge in der Pflanze verlangsamt. Es wird weniger Energie in Form von Zucker verbraucht und gleichzeitig Zucker in der Pflanze durch die Fotosynthese gebildet, was den Grünkohl schmackhafter macht.