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Esslingen pflegt ganze elf Städtepartnerschaften – und keine davon existiert nur auf dem Papier. Auch 2020 haben bereits die ersten Begegnungen stattgefunden.

EsslingenElf Partnerstädte, das ist für eine Stadt in der Größe Esslingens rekordverdächtig. Und keine einzige dieser Städtebeziehungen besteht nur auf dem Papier, alle sind in unterschiedlichem Umfang aktiv – das ist in Zeiten von wachsendem Nationalismus und Europafeindlichkeit sehr wichtig, findet nicht nur Katrin Radtke, die Leiterin des Referates für Städtepartnerschaften und internationale Beziehungen bei der Stadt. Die ersten Begegnungen 2020 haben schon stattgefunden. So war eine Delegation mit dem Bürgermeister und anderen Vertretern aus dem polnischen Piotrków Trybunalski zu Gast. Hier bestehe Interesse am Austausch und an Hospitationen in der Stadtverwaltung, erzählt Katrin Radtke und freut sich sehr über diesen Wunsch. Denn neben der nationalen Politik in Polen, die das Bild in den Nachrichten prägt, gebe es ja auch die lokale Ebene, wo die Stimmung möglicherweise ganz anders sei. Die Menschen zu stärken, die offen gegenüber Europa sind, ist ihr ein großes Anliegen.

Exotische Partnerschaft mit Indien

Das gilt ebenso für Eger in Ungarn, wo Radtke nach dem Wechsel des Bürgermeisters positive Signale wahrgenommen hat. Und auch gegenüber Molodetschno in Weißrussland, wohin die offiziellen Beziehungen zeitweise aus politischen Gründen auf Eis lagen. Zwischen Bürgern, Vereinen und Schulen liefen die Kontakte aber weiter und aktuell stellt Katrin Radtke bei den Ansprechpartnern dort eine Offenheit fest, die sie überrascht hat. Auch ein gemeinsames Projekt hat sich positiv entwickelt: Esslingen, insbesondere die Gleichstellungsbeauftragte Barbara Straub, unterstützt den Aufbau von Strukturen gegen häusliche Gewalt in der weißrussischen Stadt. Zwei Beratungsstellen wurden bereits aufgebaut, eine dritte soll folgen. „Das ist ein großes Projekt, das uns Türen auch zu anderen Leuten öffnet“, sagt Radtke, die die verschiedenen Ebenen einer Partnerschaft sehr wichtig findet.

Tatsächlich stehen am Anfang oft informelle Kontakte, zwischen Feuerwehren und Vereinen oder auch zwischen Unternehmern wie im Fall des indischen Coimbatore. Es ist die jüngste der Esslinger Städtepartnerschaften, die „exotischste“ und die erste in Indien offiziell anerkannte zu einer deutschen Stadt. Eine ganze Menge Superlative also, gekrönt davon, dass schon über zehn Jahre ein Schüleraustausch zwischen mehreren Schulen floriert. Eine tolle Chance, eine Kultur kennenzulernen, die uns doch ferner ist als alle europäischen. Um das Interesse in Esslingen dafür zu fördern, werden im Oktober „indische Wochen“ stattfinden, in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule und anderen Partnern, auch einigen aus Coimbatore.

Die Jungen bei der Stange halten

Weniger spektakulär, aber ebenso wertvoll sind die älteren Beziehungen in Europa. So hat ein Chor aus dem walisischen Neath die Initiative ergriffen und wird am Bürgerfest-Wochenende zu Besuch sein und mit dem Liederkranz Esslingen auftreten. „Das freut uns sehr“, sagt die Partnerschaftskoordinatorin, umso mehr, da gerade diese Partnerschaft jahrelang sehr reduziert war. Ob die Kontaktaufnahme mit dem Brexit zusammenhängt? Das weiß man nicht, aber ein gutes Zeichen sei sie allemal, so Katrin Radtke.

Aus dem schwedischen Norrköping kam jüngst ebenfalls eine Anfrage, gemeinsam an einem Thema aus dem Bereich Gender Equality (Gleichstellung der Geschlechter) zu arbeiten. „Das ist ein Thema, wo wir wahrscheinlich viel von den Schweden lernen können“, sagt die Referatsleiterin, die selbst zwei Jahre in Dänemark studiert hat. Ob das Projekt zustande kommt, hängt unter anderem von europäischen Fördermitteln ab. Aber schon allein der Versuch stärke den Kontakt und man lerne sich besser kennen.

Mit Velenje in Slowenien steht dieses Jahr das 50-jährige Partnerschaftsjubiläum und deshalb eine größere Begegnung im Sommer an. Esslingen und Udine in Italien haben schon 2019 die 60 gemeinsamen Jahre gefeiert. Mit dem französischen Vienne ist die Beziehung eingespielt und stabil, mit vielfältigen Kontakten, unter anderem auch zwischen Weingärtnern. Schiedam in den Niederlanden habe einen anderen Ansatz, weshalb die Partnerschaft etwas verhaltener laufe, so Katrin Radtke, aber das sei auch in Ordnung. Und mit dem amerikanischen Sheboygan wird ganz aktuell ein neues Kapitel aufgeschlagen: Ein Kooperationsvertrag zwischen den Hochschulen hier und dort ist frisch unterschrieben. Er soll, neben dem bestehenden Schüleraustausch, auch den von Studierenden ermöglichen.

Von alleine kommen die lebendigen Beziehungen nicht, immerhin kümmern sich mit Katrin Radtke und ihrer Kollegin Cornelia Schäfer zwei Mitarbeiterinnen mit vollen Stellen darum. Zu den Herausforderungen zählt aus ihrer Sicht, die junge Generation für die Partnerschaften zu begeistern. Schließlich ist vieles, was vor 35 Jahren noch aufregend und spannend war, heute einfach Normalität. Trotzdem hätten Jugendliche über die Grenzen hinweg gemeinsame Themen und Interesse, zusammenzuarbeiten. „Da ist der Jugendgemeinderat für mich eine wichtige Schnittstelle“, so die Referatsleiterin.