Im Bodensee gibt es riesige Steinhügel, die möglicherweise vor 5000 Jahren aufgeschüttet wurden. Forschungstaucher erkunden den Seegrund. Dienten die Hügel vielleicht einem Totenkult.
– Im Süden Baden-Württembergs – in Wasserburg und in Lindau – haben archäologische Forschungstaucher Hügel im Bodensee in einer Wassertiefe von vier bis sechs Metern untersucht. Rund 25 solcher Hügel gibt es zwischen Wasserburg und Lindau. In Konstanz-Staad, Überlingen und in Sipplingen gibt es weitere, die allerdings noch nicht Gegenstand von Untersuchungen waren.
Die meisten Exemplare hat das Institut für Seenforschung in der Schweiz zwischen Romanshorn und Altnau dokumentiert, wo die Medien den Begriff „Stonehenge am Bodensee“ geprägt haben – sie spielen damit auf den sagenumwobenen Steinkreis in Südengland an. Schätzungen zufolge wurden für die insgesamt mehr als 200 Steinaufschüttungen am gesamten Bodensee rund 80 000 Tonnen Gestein von Menschenhand aufgeschüttet. Das entspricht bis zu 40 000 Ladungen auf einem 7,5 Tonner-Lkw. Damit handelt es sich um eines der weltweit größten Bauwerke der damaligen Zeit. Warum und wofür wurde dieser fast unvorstellbar große Aufwand getrieben?
Ehrenamtlicher Taucheinsatz
Robert Angermayr, IT-Spezialist, Tauchlehrer und „technischer Taucher“, leistet ehrenamtlich mit der eigenen rund 35 Kilogramm schweren Ausrüstung im 12 Grad Celsius kalten Wasser anstrengende Arbeit – wie seine Freunde Gerhard Schlauch, Polizist und Sporttaucher, Gerd Knepel, Architekt, archäologischer Forschungstaucher und Tauchlehrer, Alexander-Dominik Preising, Archäologe und archäologischer Forschungstaucher, sowie Tobias Pflederer, Kardiologe, archäologischer Forschungstaucher und Leiter des Projektes.
Die Männer – allesamt Mitglieder der Bayerischen Gesellschaft für Unterwasserarchäologie e. V., tauchen nach Absprache mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege zu den Hügeln 5 und 6 vor dem Wasserburger Ortsteil Reutenen ab, machen von den Hügeln, die einen Durchmesser von bis zu 25 Metern haben und bis zu 1,5 Meter hoch sind, hunderte Fotos. Diese werden später am Computer zu Fotomosaiken zusammengesetzt. Das soll die Erforschung erleichtern.
Aufschüttungen in der ausgehenden Jungsteinzeit
Einer der Hügel zwischen Lindau und Wasserburg konnte bislang datiert werden: zwischen 3500 bis 3200 vor Christus und damit in der ausgehenden Jungsteinzeit soll er entstanden sein. Dienten die Hügel dem Fischfang? Das wollen Fachleute zumindest auf der deutschen Seite nicht ausschließen. Für die Schweiz, wo rund 78 000 Tonnen Gestein aufgeschüttet wurden, hielte Tobias Pflederer den Aufwand aber für „immens, wenn alle dortigen Hügel wirklich gleichzeitig errichtet worden wären“.
„Denkbar wären noch Plattformen in Zusammenhang mit dem Totenkult am Seeufer, wie es auch von den Schweizer Kollegen diskutiert wird“, so der archäologische Forschungstaucher, der die Arbeiten in Lindau und Wasserburg leitet.
Für ihn und seinen Kollegen Urs Leuzinger vom Amt für Archäologie Thurgau wäre eine kultische Nutzung in der Jungsteinzeit möglich: „Vorstellbar wären saisonal knapp aus dem Wasser ragende Plattformen als künstliche Inselchen entlang des Seeufers, auf denen rituelle Handlungen im Rahmen einer Bestattungszeremonie stattfanden. Dabei wäre der Übergang vom Land zum Wasser ein zentrales Element des Rituals gewesen.“
Doch warum gibt es gerade in der Schweiz so viele Hügel? Warum sind am österreichischen Ufer keine bekannt? Spätestens in zwei Jahren soll auf bayerischer Seite unter Wasser gegraben werden, um mehr Licht in das Hügel-Dunkel zu bringen.