Werden mit Fernsehgebühren im ZDF-Podcast „Lanz & Precht“ antisemitische Klischees verbreitet? Dieser Ansicht ist der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume.
Hat nicht nur der Autor Richard David Precht, sondern auch sein Gesprächspartner Markus Lanz in der jüngsten Ausgabe ihres ZDF-Podcasts „Lanz & Precht“ antisemitische Klischees verbreitet? Dieser Ansicht ist der baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragte Michael Blume (CDU). Er habe sich „unter fast körperlichen Schmerzen“ den kritisierten Podcast angesehen. In seinem Blog stellt er jetzt die schlimmsten sechs Falschbehauptungen richtig.
Dabei übt er auch am ZDF heftige Kritik. „Wer käme auf den Gedanken, nach terroristischen und massenmörderischen Anschlägen auf einen verbündeten Staat an dessen religiösen Feiertagen eine Sendung ohne politik- und religionswissenschaftliche Expertise auszustrahlen, in der die Religion der Angegriffenen auch noch sachlich falsch und negativ verzerrt dargestellt werden?“
In der öffentlichen Debatte ging es bisher vor allem um einen Satz von Precht. Er hat sogar zu Protesten der israelischen Botschaft geführt. Das ZDF löschte die Passage mittlerweile. Darin hatte Precht behauptet, das orthodoxe Judentum verhindere bei Juden das Arbeiten und dann wörtlich: „Diamantenhandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen“. Blume stellt dagegen fest: „Es gab und gibt kein Arbeitsverbot und schon gar keine Beschränkung auf den Diamantenhandel“. Vielmehr seien Juden lange von vielen Berufen ausgeschlossen worden. Christen und Muslime hätten sie dazu gedrängt, Bankiers zu werden, weil sie selbst aus religiösen Gründen keinen Zins nehmen durften. Precht betreibe also eine klassische „Täter-Opfer-Umkehr“, erklärt Blume.
Orthodox heißt nicht rechtsradikal
Das Gespräch entgleise aber noch an anderen Stellen. So behauptet Precht, dass „die Orthodoxen und die Nationalisten in der Regierung krasser sind als Orban“ und „rechter als die AfD“. Auch Lanz bezeichnet sie hier als Rechtsradikale. Für Blume ist das eine unzulässige Verallgemeinerung. Es gebe in Israel auch Rechtsextremisten. Seit Jahren wird er von einem angeblichen Journalisten aus diesem Lager gestalkt. Aktuell verbreitet er wieder mit großem Verteiler seine kruden Behauptungen. Doch, so Blume, Modern-Orthodoxe seien keineswegs rechtsradikal, sie bejahten den Staat Israel und weltliche Bildung. Auch seien sie zum Dialog bereit. Davon unterschieden sich die Ultraorthodoxen, die den Staat Israel mitsamt der Wehrpflicht ablehnten und eine messianische Theokratie anstrebten – ähnlich wie traditionelle Amish People.
Auch die Behauptung von Lanz, orthodoxe Juden beteten den ganzen Tag und verlangten dies auch von den Kindern, sei falsch. Das Judentum kenne drei Gebetszeiten, was im Vergleich zum Islam oder dem Christentum, wo Benediktiner sich rühmten, „immerwährend“ zu beten, eher überschaubar scheint. Kinder seien zudem zur Einhaltung aller Gebote ausdrücklich noch nicht verpflichtet.
Der Gott der Juden ist barmherzig
Ein Gott, der ständig angebetet werden wolle, könne kein liebender Gott sein, schließt Precht daraus. Hier folge er lutherisch-antijüdischen Traditionen. Mit dem jüdischen Selbstverständnis habe dies nichts zu tun. Der Gott im Judentum sei ein „barmherziger und gerechter Gott“, stellt Blume klar.
Dass Lanz in diesem Zusammenhang mutmaßt, man habe das Gefühl, das sei „gar nicht Gott, der das alles will“, sondern da seien „andere Mächte und Kräfte dahinter“, klingt für Blume nach einem Abgleiten in Verschwörungsmythen. Der Vorwurf, das orthodoxe Judentum woll über die Religion Menschen „fast als Geisel nehmen“, wie es Lanz ausdrückt, sei wenige Tage, nachdem die Terrororganisation Hamas mehr als 1200 Menschen getötet und Hunderte Geiseln genommen hat, „mehr als gedankenlos“. Es handele sich im Grunde um die schlimmste Passage in dem Podcast.
Auch religiöse Christen haben viele Kinder
Schließlich beschäftigte sich Lanz auch noch mit der höheren Geburtenzahl unter orthodoxen Juden, gegen die sich dann irgendwann auch keine Politik mehr machen lasse. Blume bestätigt diese Feststellung, relativiert sie aber auch. „Religionsdemografie ist kein Geheimnis“, sagt er. Auch in Europa, in den USA oder in der muslimischen Welt hätten religiöse Menschen mehr Kinder als ihre säkularen Nachbarn – im übrigen auch im Gazastreifen.
Während das ZDF und Precht die missverständlichen Aussagen, die nie so gemeint gewesen seien, bedauerten, fällt Blumes’ Fazit anders aus: „Das Problem an dieser Ausgabe von ‚Lanz & Precht’ war nicht, dass sie ‚Kritik ausgelöst hat’, sondern dass sie vor Antisemitismus und Täter-Opfer-Umkehr gegen Israel und zugunsten der Hamas strotzte.“ Blumes Aufforderung, eben dies aufzuarbeiten, blieb seitens des Senders zunächst ohne Reaktion.