Jüdische Menschen sind in Deutschland noch immer von Diskriminierung und Gewalt betroffen. Foto: dpa/Christophe Gateau

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der erfassten antisemitischen Vorfälle in Deutschland deutlich gestiegen. Und auch dieses Jahr gibt es keinen Grund, sich über die Zahlen zu freuen, meint Rebekka Wiese.

Weniger antisemitische Vorfälle als im Vorjahr – das könnte man für eine beruhigende Nachricht halten. Doch der erste Blick täuscht. Am Dienstag hat der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) in Berlin seinen Jahresbericht vorgestellt. 2480 antisemitische Vorfälle sind darin erfasst, im Vorjahr waren es noch 2773. Und doch sind die Ergebnisse des Berichts besorgniserregend. Obwohl die Meldestellen weniger Fälle registrierten, weisen die Daten auf einige beunruhigende Entwicklungen hin.

Zum einen ist die Zahl der erfassten Fälle weiterhin hoch: Im Schnitt sind es sieben am Tag. Gesunken ist sie nur mit Blick auf 2021 – was daran liegt, dass sie damals außergewöhnlich hoch lag. Aussagekräftiger ist der Vergleich mit dem Jahr 2020. Legt man diese Zahlen nebeneinander, zeigt sich, dass es im vergangenen Jahr erheblich mehr Fälle als noch 2020 gab: plus 26 Prozent. Trotz des leichten Rückgangs bleibt die Zahl auf hohem Niveau.

Mehr extreme Gewalt

Zudem haben Vorfälle extremer Gewalt sogar zugenommen. Dazu zählt der Bundesverband antisemitische Straftaten, die potenziell tödlich oder zumindest schwer gewaltsam sind – wie zum Beispiel die Schüsse auf das Rabbinerhaus in Essen im November 2022. Neun solcher schweren Vorfälle sind in dem Bericht erfasst. So viele waren es noch nie, seitdem der Bericht erscheint.

Die Hintergründe der Vorfälle sind vielfältig. Immer häufiger gibt es einen Bezug zu Verschwörungsideologien, der Bericht sieht das bei jedem fünften Fall. Das erklärt, weshalb die Zahlen nach 2020 so stark angestiegen sind: Mit Ausbruch der Corona-Pandemie haben sich Verschwörungserzählungen sprunghaft ausgebreitet – und sind geblieben. Zumal jede Krise neue Mythen und Ideologien hervorbringt. Deshalb gilt es, wachsam zu bleiben. Einen Grund zur Entwarnung gibt es nicht.