„Tee Time“und „Five O’Clock Tea“ gehören untrennbar zur englischen Kultur. Dass Amerikaner ihren Tee in der Mikrowelle zubereiten und eine Prise Salz dazugeben, sorgt für Verstimmung - nicht nur auf diplomatischem Parkett. Über eine angloamerikanische „Comedia dell’tè“.
Im Jahr 1996 veröffentlichte der amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington (1927-2008) ein Buch, dass zu kontroversen Diskussionen führte und dessen Titel in die politische Terminologie Einzug hielt: „The Clash of Civilizations“ (zu deutsch: „Der Zusammenprall der Kulturen“).
Zusammenprall der Tee-Kulturen
In der 368-Seiten-Schrift vertritt Huntington die These, dass es im 21. Jahrhundert zu Konflikten zwischen verschiedenen Kulturräumen, insbesondere der westlichen Zivilisation mit dem chinesischen und dem islamischen Kulturraum, kommen könnte.
Um einen „clash of civilizations“ der besonderen Art geht es auch im vorliegenden Fall, der derzeit für angloamerikanische Irritationen sorgt. Es geht um . . . Tee und die Art, wie er richtig zubereitet wird.
Warum man Tee trinkt
Teeliebhaber trinken nicht, um ihren Durst zu löschen. Natürlich auch nicht, um sich mal ordentlich die Kante zu geben - wie Konsumenten von Hochprozentigem. Stellvertretend für die zahllosen Liebhaber dieses den Geist und die Sinne wahrhaft belebenden und erfrischenden Aufgussgebräus sei der englische Schriftsteller und Pfarrer Sydney Smith (1771-1845) zitiert: „Gott, ich danke dir für den Tee. Was wäre die Welt ohne Tee?“
Die Bewohner der britischen Insel sind passionierte Teetrinker. „Tea Time“ und „Five O’Clock Tea“ gehören untrennbar zur englischen Kultur. Umso schockierender muss es für echte Engländer sein, wenn ihr Nationalgetränk aus getrockneten Blättern von „Camellia sinensis“, dem chinesischen Teestrauch und seiner Hybriden, Opfer eines "Culture clash" - eines Kulturbruchs wird.
Dissonanzen links und recht des Atlantiks
Denn genau darum geht es im jüngsten Disput zwischen dem ehemaligen Hort des Empire und seiner einstigen Kronkolonie, den United States of America. Darf man das Wasser für Tee in der Mikrowelle erhitzen oder sollte dafür ausschließlich ein Kessel oder Wasserkocher verwendet werden? Diese Frage scheint rechts und links des Atlantiks durchaus unterschiedlich beantwortet zu werden.
Déjà-vu mit der Boston Tea Party
Der Streit wirkt wie eine Art Déjà-vu. Schon einmal war ein Konflikt um Teeblätter eskaliert – bis hin zum erbitterten Waffengang. Im 18. Jahrhundert brachten die britischen Kolonialherren den Tee in die Neue Welt, wo er bald den dritten Platz der Importgüter einnahm.
Am 16. Dezember 1773 verkleideten sich Bostoner Bürger als Indianer (heute würde man das als „cultural appropriation“ – „kulturelle Aneignung“ – brandmarken) und warfen 342 Kisten mit Tee der im Hafen liegenden Schiffe der East India Company über Bord. Dieses als „Boston Tea Party“ bekannt gewordene Ereignis war die Lunte, die den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg entfachte.
Bemühen um diplomatische Deeskalation
So weit wird es diesmal wohl nicht kommen. Beide Seiten sind geflissentlich bemüht, den Tee-Disput nicht eskalieren zu lassen und setzen auf diplomatische Deeskalation. Doch wie ist es überhaupt zu dieser „Comedia dell’tè“ gekommen?
Ouvertüre: Eine Prise Salz in den Tee
In den vergangenen Tagen hatte die Empfehlung der amerikanischen Wissenschaftlerin Michelle Francl, Chemiedozentin am Bryn Mawr College im Bundesstaat Pennsylvania, eine Prise Salz in den Tee zuzugeben, in Großbritannien für große Aufregung gesorgt. Die BBC berichtete darüber in einem langen Artikel.
1. Akt: Tee-Zubereitung in der Mikrowelle
Am Mittwoch (24. Januar) legte die US-Botschaft in London in einer Mitteilung per X (vormals Twitter) nach und stellte fest: „Wir wollen den guten Leuten des Vereinigten Königreichs versichern, dass die undenkbare Idee, Salz in das britische Nationalgetränk zu geben, keine offizielle US-Politik ist, und auch niemals sein wird.“
Doch unmissverständlich erklärte sie: „Die US-Botschaft wird weiterhin Tee auf die richtige Weise kochen – in der Mikrowelle.“
2. Akt: Teeblätter gehören in den Kessel
Die britische Regierung wollte und konnte diesen diplomatischen Affront nicht auf sich sitzen lassen. Postwendend stellte die zentrale Regierungsbehörde Cabinet Office ebenfalls auf X so lakonisch wie kategorisch klar: „Tee kann nur mit einem Kessel gemacht werden.“
Finale: Mit Salz, aber ohne Mikrowelle
Die beiden britischen Sender BBC und Sky News hakten am Donnerstag (25. Januar) bei der gebürtigen US-Amerikanerin Michelle Francl nach, die mit ihrer Empfehlung die Tee-Debatte ausgelöst hatte.
„Ich wollte sicherlich keinen diplomatischen Zwischenfall verursachen“, stellte die Chemiedozentin daraufhin klar. Eine kleine Menge Salz könne verhindern, dass der Tee bitter schmecke. Das Salz sollte man dabei aber nicht herausschmecken, so Michelle Francl weiter.
Von der in den USA verbreiteten Zubereitung in der Mikrowelle riet sie indes ab. „Das ist weniger gesund und schmeckt nicht so gut.“