Dahlien-Vermehrung: Im März werden die Knollen gegossen, dann treiben sie. Die Stecklinge werden dann aus der Rinde gebrochen. Quelle: Unbekannt

Der Regenbogen hinter dem Krummhardter Wasserturm versucht, den Dahlien Konkurrenz zu machen. Sein schillerndes Farbspektrum erreicht keine der zigtausend Blüten auf dem Feld der Gärtnerei Stilz. Die Pflanze beschränkt sich auf ein oder zwei Farben. Aber gegen die Leuchtkraft der Blüten, von der milden Septembersonne angefacht, wirkt der Regenbogen beinahe blass. „Die Dahlie ist die Königin des Herbsts“, sagt Gärtnermeister Ulrich Stilz.

Die Pflanze beginnt zwar schon im Juni zu blühen, lässt aber nur drei, vier Knöpfe aufgehen. Am August schafft sie vielleicht 15 Blüten, doch im September ist die Dahlie kaum mehr zu bremsen. Es sei denn, die Temperaturen fallen, wie letzte Woche, auf neun Grad runter. Das mag die Pflanze, die Alexander von Humboldt um 1800 aus Mexiko nach Deutschland gebracht hat, nicht. Und Gärtner Stilz muss bei der Annahme von Aufträgen vorsichtig agieren.

„Ich bin immer wieder fasziniert von den Farben und der Formenvielfalt“, sagt Stilz. Vermutlich hat sein Vater ihm diese Vorliebe vererbt. Der Landwirt hatte immer einige Dahlien im Garten. Zudem landete Ulrich Stilz als junger Gärtnermeister in Zuffenhausen bei einem Chef, der ebenfalls Dahlien mochte. 2003 pachtete er in Endersbach eine Gärtnerei an, um Dahlien zu ziehen. Ein „großes Risiko“, mit 39 Jahren noch einen Betrieb zu gründen, meint der Gärtner rückblickend. Drei Jahre lang habe er Verluste gemacht. Und auch heute noch sichert er sich mit einem Nebenjob als Verkäufer auf dem Stuttgarter Großmarkt finanziell ab.

Seit 2005 beliefert der Betrieb den Großmarkt. Zur Hauptsaison jeden zweiten Tag mit bis zu 10 000 Blüten von 50 Sorten. Diese Vielfalt biete kein anderer Betrieb in der Region, weiß der 53-Jährige. Und keiner könne 300 Blüten von einer Sorte liefern. Morgens um drei Uhr fahren Beate und Ulrich Stilz mit zwei Kleinlastwagen nach Stuttgart-Wangen. Blumengeschäfte und Großhändler sind ihre Kunden, dazu einige Gastronomen, die Dekorationen brauchen. Frische sei entscheidend, sagt Ulrich Stilz. Dahlienblüten halten nur fünf bis sieben Tage. Da bringt der eine Tag, den holländische und niederrheinische Dahlienpflanzer für den Transport benötigen, dem regionalen Produzenten einen klaren Vorteil.

Was aber um 8 Uhr nicht verkauft ist, das landet größtenteils auf dem Kompost. „Keine Blüte soll ein zweites Mal auf den Markt“, lautet das Credo von Stilz. Nur wenn es insgesamt an Schnittblumen mangelt, sortiert er die schönsten Bünde aus, um bunte Sträuße zu binden. Der Direktverkauf am Feld spiele wirtschaftlich keine große Rolle. Zum Selbstschnitt mag Stilz keine Kunden aufs Feld lassen, aber am Wegrand liegen Sträuße bereit, für die man fünf Euro in die Kasse wirft. „Das klappt, 95 Prozent der Kunden zahlen, sagt der Gärtner. Von den 13 Formen, in die Dahlien eingeteilt werden, hat sich Stilz auf zwei spezialisiert. Auf Ball-Dahlien, die etwa 15 Zentimeter große Blüten bilden, und auf die fünf bis acht Zentimeter großen Mini-Pompons. Der Gärtner zupft eine rote Blüte ab, die der Fotograf gerade vor der Linse hat. „Die sind wertlos. Nicht gefüllt, die kauft keiner.“ Manche Sorten, so erklärt er, neigen dazu, ungefüllte Blüten zu treiben. Die Natur treibt auch seltsame Blüten: Von 10 000 Blüten, die täglich geschnitten werden, hat eine zwei Farben entwickelt - eine Seite lila, eine orange. Einige Pflanzen mit gut 20 Zentimeter Durchmesser großen Blüten in Cremeweiß fallen auf dem Feld ins Auge auf. „Café au lait“ heißt die Sorte, die Stilz auf Wunsch einer Stuttgarter Floristin anbaut. Bei der Farbauswahl achtet der Dahlienanbauer darauf, dass die drei Farbkreise bilden kann. Aus der Palette Gelb bis Bordeaux-Rot mischt er den Strauß „Feuerschein“, unter dem Namen „Beerentöne“ verkauft er Blüten aus dem Spektrum Lila-Rosé-Weiß und zu „Vintage“ werden pastellfarbene Töne gebunden. Die Favoritin von Ulrich Stilz heißt „Daisy Duke“, sie schmückt das Titelbild des handlichen Katalogs, den auch Stilz’ Kunden in ihren Geschäften benützen, um Bestellungen aufzunehmen. Auf der Blüte in Altrosa entdeckt man auch eine Zikade. Eigentlich ein Schädling, aber das verkraften seine Felder schon, meint der Gärtner gelassen. Normalerweise benötige er keine Spritzmittel. Denn auf dem Höhenrücken wehe meist ein leichter Wind, der die Pflanzen schnell abtrocknen lasse. Das Krummhardter Kleinklima bringe auch drei Grad mehr als beispielsweise in Schnait unten, das lasse die Dahlie im Oktober länger überleben.

Außer seiner Frau, die auch Gärtnerin ist, beschäftigt Ulrich Stilz von März bis Mitte November Helfer aus Rumänien: fünf fest angestellte und drei Saisonkräfte. Geschnitten werden die Dahlien am Morgen. Der Chef achtet darauf, dass die Blütenstängel nicht am Weg abgelegt werden, sondern sofort in den Wassereimer gestellt werden. Denn die Blüten ziehen weiter Wasser und die Versorgungslücke im Stiel würde nachhaltigen Schaden anrichten.

In der Scheune hat Stilz einen Kühlraum eingerichtet, in dem die Blumen heruntergekühlt werden, bevor dann nachmittags die Ware für den Großmarkt gebunden wird. Die Arbeiter streifen die unteren Blätter des Stiels ab und halten dann sechs bis acht Blüten an eine der vier Bindemaschinen. In Sekundenschnelle ist das Gummiband herumgeschlungen und verknotet. Die kleinen Bünde werden dann zu einem großen Bund mit 30 bis 40 Blüten zusammengefasst. Mit Hilfe der Eßlinger Zeitung bleiben die Blumen trocken und sauber. Der Gärtner lässt sich nämlich von mehreren Bekannten alte Zeitungen bringen, die als Arbeitsunterlage dienen. Am Ende der Schicht liegt das Papier zentimeterdick auf dem Tisch.

Im Oktober neigt sich die Saison dem Ende zu. Dahlien vertragen keinen Frost, auch die Knollen nicht. Stilz hat den örtlichen Schlosser eine Maschine bauen lassen, die ähnlich wie ein Kartoffelroder funktioniert, um die bis auf 25 Zentimeter Durchmesser gewachsenen Knollen aus der Erde zu holen. Auch die Pflanzmaschine, die im Frühjahr zum Einsatz kommt, ist eine Sonderkonstruktion aus Aichwald. Dahlienknollen verlieren nach etwa vier Jahren ihre Leistungsfähigkeit. Alte Knollen bleiben dann einfach im Boden und erfrieren. Die anderen überwintert Stilz bei mindestens zwei Grad plus in einem Gewächshaus in Cannstatt. Einen Teil der Knollen nutzt der Gärtner zur Vermehrung. Am 1. März holt er sie aus dem Winterlager und gießt sie.

Die braunen Speicherorgane schieben grüne Triebe, die dann mitsamt einem Stückchen Rinde abgebrochen werden. Mit der Rinde bilden die Triebe schneller Wurzeln, erklärt Stilz. Aus einer Mutterpflanze kann er bis zu zehn Stecklinge gewinnen. Mitte bis Ende Mai - nach den Eisheiligen - kommen die Jungpflanzen ins Freiland. Die blühen im ersten Jahr etwas später als die ausgepflanzten Knollen, aber er bekomme garantiert die gewünschte Pflanze, sagt der Dahlienkultivateur. Bei den Bestellungen aus Holland erlebe er manchmal Überraschungen. Vermutlich weil die Holländer die Knollenvermehrung nach Holland ausgelagert hätten. Morgen wird Stilz dennoch wieder den Vertreter aus den Niederlanden empfangen, denn jedes Jahr probiert er zehn neue Sorten aus. Er wolle die Vintage-Palette verstärken, zum Beispiel Apricot mit einem Touch Lila. Stilz: „Die zarten Farben laufen.“