Der Film „Big Time“ stellt den Dänen Bjarke Ingels als Star der Architekturwelt vor. Foto: Salzgeber Medien - Salzgeber Medien

Ob Kino-Drama oder anspruchsvolle Dokumentation – auch abseits des cineastischen Mainstreams gibt es interessante Produktionen, die einen zweiten Blick verdient haben.

Wir töten Stella

EsslingenDie Ehe von Anna (Martina Gedeck) und Richard (Matthias Brandt) scheint auf den ersten Blick zu funktionieren – dass manches im Argen liegt, bleibt den allermeisten verborgen. Während er als eiskalter Anwalt Karriere macht und ganz selbstverständlich erwartet, dass sich alle nach ihm richten, wenn er spätabends nach Hause kommt, darf sie nicht viel mehr sein als die Frau an seiner Seite. Annas und Richards Kinder Anette (Alana Bierleutgeb) und Wolfgang (Julius Hagg) leben noch zuhause – sie hält zum Vater, er zur Mutter. Doch im Grunde haben sie sich innerlich längst aus dem familiären Jammertal verabschiedet. Das zerbrechliche familiäre Gebilde hält bis zu jenem Moment, als die introvertierte Stella (Mala Emde) bei Richard und Anna einzieht. Freunde haben die beiden gebeten, ihre Tochter bei sich aufzunehmen, weil sie ihr Studium in derselben Stadt beginnen möchte. Als Stella eine Affäre mit Richard beginnt, schaut Anna nicht nur zu. Sie beginnt sogar, das Techtelmechtel zu befeuern, indem sie sich bemüht, Stella noch verführerischer wirken zu lassen. Der österreichische Regisseur Julian Roman Pölser hat ein Faible für die Texte von Marlen Haushofer – nach „Die Wand“, hat er mit „Wir töten Stella“ ein weiteres Werk der Autorin verfilmt, und wieder spielt Martina Gedeck die Hauptrolle. Ihr und Matthias Brandt ist es zu verdanken, dass die fast 60 Jahre alte literarische Vorlage auch auf der Leinwand ihre zeitlose Authentizität zeigt.

Big Time

Kenner feiern den 43-jährigen Dänen Bjarke Ingels als „einen der größten Stars der Architekturwelt“. Rund um den Globus setzen seine ebenso kühnen wie originellen Bauwerke Akzente – das Via 57 West am New Yorker Central Park ebenso wie der Wohnhaus-Komplex Mountain Dwellings in Kopenhagen. Weil es Ingels immer wieder gelingt, sich mit seinen Entwürfen vom architektonischen Mainstream abzusetzen, wird er mit Preisen überhäuft. Ständig jettet er zwischen seinen Büros in Kopenhagen, London und New York und seinen Baustellen auf der ganzen Welt hin und her. Sein derzeit größtes Projekt ist einer der Wolkenkratzer des neuen World Trade Centers – ein Gebäude, das die Skyline Manhattans für immer verändern wird. Regisseur Kaspar Astrup Schröder hat den Star-Architekten fünf Jahren begleitet: Er durfte ihm bei Arbeitsbesprechungen über die Schulter schauen, ihn auf atemberaubende Baustellen begleiten und erleben, wie sich Ingels bei Gebäudeeinweihungen feiern ließ. Der Architekt verriet ihm die Geheimnisse seiner Entwürfe, den ständigen Kampf gegen die Kompromisse und den Preis, den er im Privatleben für seinen beruflichen Erfolg zahlen muss. So wurde Kaspar Astrup Schröders Dokumentarfilm „Big Time“ zum intimen Porträt eines kreativen Genies mit hohen Ambitionen.

Freiheit

Ohne Vorwarnung und ohne ein Wort lässt Nora (Johanna Wokalek) eines Tages ihren Mann Philip (Hans-Jochen Wagner) und die Kinder Lena (Rubina Labusch) und Jonas (Georg Arms) einfach hinter sich – zurück bleibt die Familie, die sich auf all das keinen Reim zu machen vermag. Mann und Kinder ahnen nicht, dass sich Nora, deren Name nicht ganz zufällig an Ibsens gleichnamiges Theaterstück erinnert, im familiären Alltag zunehmend eingesperrt und beengt gefühlt hat. Wie es Philip fortan schaffen mag, Haushalt, Kinder und seinen anspruchsvollen Job als Anwalt auf die Reihe zu bekommen, kümmert Nora offenbar nicht. Während ihn der Zweifel umtreibt, ob seine Frau jemals wieder zurückkommen wird, techtelmechtelt er unbemerkt von seinen Kindern mit Monika (Inga Birkenfeld). Und plötzlich sind die Verhältnisse umgedreht: Während seine Frau ihre Freiheit in der Slowakei genießt, fühlt sich Philip mehr und mehr eingezwängt im familiären und beruflichen Stress. „Der Film stellt tatsächlich die fast provokant allgemeine Frage nach Freiheit“, sagt Regisseur Jan Speckenbach. „Uns allen ist der Begriff so geläufig, dass wir ihn nicht mehr in Frage stellen. Aber wenn man länger darüber nachdenkt, dann zerbröselt er plötzlich in seine Einzelteile und wirkt fast sinnentleert. Freiheit allgemein, das ist so wie die Frage nach Gott.“ gw