Von Gerd Schneider

Es sieht so aus, als könnte sich die Euro-Zone gegenwärtig vor guten Nachrichten kaum retten. Die Autoindustrie, Motor der deutschen Wirtschaft, brummt und brummt, unbeeindruckt von den dunklen Schatten, die der Dieselskandal und kolportierte Preisabsprachen auf sie werfen. Auch in anderen Kernstaaten der Europäischen Union wie Frankreich und Spanien springt - endlich - die Konjunktur an. Selbst Griechenland, über Jahre der chronisch kranke Patient am südöstlichen Rand des Euro-Raums, scheint auf dem Weg der Besserung. Das Land steht vor der Rückkehr an den Kapitalmarkt. Und der Euro, der sich noch vor ein paar Monaten der Parität zum Dollar annäherte, erlebt ein Comeback, das manchen Akteuren an den Finanzmärkten unheimlich vorkommt. Er bewegt sich langsam auf 1,20 Dollar zu. USA-Urlauber können sich freuen - die Unternehmen in Europa allerdings nicht. Der starke Euro verteuert die Exporte und droht das lang ersehnte Wachstum wieder abzuwürgen.

Auch in der Europäischen Zentralbank (EZB) werden sie die Entwicklung mit sorgenvollen Mienen verfolgen. Ihre Führung um Mario Draghi steckt in der Zwickmühle. Angesichts der anspringenden Konjunktur in der Euro-Zone und der in den Vereinigten Staaten längst eingeleiteten Zinswende müsste sie die Abkehr von der Politik des billigen Geldes einleiten. Allein, sie kann es nicht, solange der Aufschwung nicht auf stabilen Füßen steht. An den Finanzmärkten würde das wohl massive Erschütterungen auslösen. Für die Sparer heißt das, dass sich an der Misere namens Nullzins vorerst nichts ändern wird.

Fast auf den Tag fünf Jahre ist es her, dass Draghi die Niedrigzins-Ära mit dem Satz eingeleitet hat, er werde „alles Notwendige“ tun, um den Euro zu retten. Es war der Anstoß zu einem Experiment, dessen Ausgang keiner kennt. Draghi setzte damit den Marktmechanismus außer Kraft, dass Unternehmen und Staaten, die dauerhaft schlecht wirtschaften, zwangsläufig pleite gehen. Mit den billigen, vom realen Risiko entkoppelten Krediten werden sie über Wasser gehalten. Doch es ist ein süßes Gift. Fatalerweise gewöhnen sich Regierungen und Firmen an den Komfort der Alimentierung. Sie werden davon abhängig. Für die EZB bedeutet das, dass sie sich womöglich in einer Sackgasse befindet, aus der sie nicht mehr herauskommt. Die Büchse der Pandora, die sie einst geöffnet hat, kann sie nicht mehr schließen, ohne das Zerbrechen des Euro zu riskieren. Sie kann aber auch nicht ewig Geld in den Markt pumpen. Niemand weiß, wie Draghi diesem Dilemma entkommen will. Er selbst wohl auch nicht.