Von Nils Mayer

Weil die Zinsen niedrig sind und die Wirtschaft brummt, schwimmt das Land Baden-Württemberg im Geld. Auf Drängen der CDU-Fraktion hat sich die grün-schwarze Haushaltskommission jetzt darauf verständigt, in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt eine halbe Milliarde Euro Schulden zurückzuzahlen. Das klingt im ersten Moment vernünftig. Es wirft allerdings Fragen auf. Wäre es nicht umsichtiger, diese Summe in den Versorgungsfonds für die Pensionen zu stecken, unter denen das Land in den nächsten Jahrzehnten noch gewaltig ächzen wird? Wäre es nicht zielführender, mit dieser Summe höhere Rücklagen für Sanierungen von Straßen, Brücken und Gebäuden zu bilden? Und: Ist eine Schuldentilgung denn überhaupt sinnvoll, wenn man davon ausgeht, dass Staatsschulden langfristig eh weginflationiert werden?

Sachliche Debatten scheinen unnötig. Grün-Schwarz will jetzt die erste Regierung in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg sein, die Kreditmarktschulden zurückzahlt. Bereits Ende Mai dieses Jahres hatte Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) angekündigt, in den nächsten zwei Jahren mindestens 200 Millionen Euro tilgen zu wollen. Dass der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag, Wolfgang Reinhart, so kurz vor der Bundestagswahl mit der Forderung nach einer halben Milliarde Euro noch einen draufsetzte, war taktisch raffiniert, weil es in den Ohren der Wähler gut klingt. Die Grünen konnten nicht anders, als Reinharts Vorschlag zuzustimmen - zwar unter der Bedingung, dass die Steuerschätzung im November so positiv ausfallen muss wie zuletzt. Aber wer, bitte, geht in den nächsten Monaten von einer Wirtschaftskrise aus?

Doch solch ein Erfolg, als den vor allem CDU-Fraktionschef Reinhart die Schuldentilgung nun verkauft, ist sie gar nicht. Die Landeshaushaltsordnung setzt der grün-schwarzen Landesregierung enge Grenzen in der Frage, wofür sie Steuermehreinnahmen verwenden darf. Den überwiegenden Teil dieses Geldes muss sie sogar nehmen, um Schulden abzubauen. Nur hatte Grün-Schwarz Ende 2016 noch entschieden, die Landeshaushaltsordnung zu verändern und den Begriff Schulden so auszuweiten, dass auch längst überfällige Sanierungen und anstehende Pensionszahlungen nun darunter zu verstehen sind. Ein finanzpolitischer Trick, um eben keine Schulden am Kreditmarkt zurückzahlen müssen und mehr Spielraum für Investitionen zu haben. Durchaus clever und sinnvoll.

Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Finanzministerin Sitzmann begründeten den Schritt damals vor allem mit dem immensen Sanierungsstau bei Straßen, Brücken und Landesgebäuden, der zügig abgebaut werden müsse. Tatsächlich sind viele Gebäude des Landes - vor allem im Bereich der Hochschulen, der Kultur, der Finanzverwaltung und der Justiz - in die Jahre gekommen und müssen dringend erneuert werden. Auch holprige Straßen und marode Brücken warten auf eine Ertüchtigung. Die 1,25 Milliarden Euro, die die Landesregierung in den nächsten zwei Jahren für Sanierungen vorsieht, sind da nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Angesichts dieser Herausforderungen, den bevorstehenden massiven Pensionslasten und der Inflation ist es unnötig, dass Grün-Schwarz in die Schuldentilgung einsteigt. Vielmehr gleicht die Entscheidung einem finanzpolitischen Schlingerkurs. Einer, der bei der Bundestagswahl den beteiligten Parteien ein paar Wählerstimmen bringt. Aber einer, der nicht im Sinne der nachfolgenden Generationen sein kann.