Foto: Roberto Bulgrin/bulgrin - Roberto Bulgrin/bulgrin

Johannes M. Fischer sinniert, was Äpfel, die es umsonst gibt, über die schwäbische Seele verraten und was die Schwaben mit ihren Brüdern und Schwestern in Ostdeutschland verbindet.

EsslingenEin eher unscheinbarer Artikel in der Eßlinger Zeitung über Obstbäume mit gelben Bändern entwickelt sich zum Hit im Internet. Es geht dort darum, dass man das Obst von Bäumen mit solchen Bändern pflücken darf, ohne bezahlen zu müssen oder zu befürchten, man könne des Diebstahls bezichtigt werden. Gemeinsam mit meinen Schwaben-Coaches (waschechte Schwaben) machte ich mich auf die Suche nach einer Erklärung für den Erfolg des Artikels in den sozialen Netzwerken. Das ist bei dieser spezifischen Form der Pomologie herausgekommen:

1) Nur nix verkommen lassen! Einheimischen zufolge lässt dieser Satz tief in das Innere der schwäbischen Seele blicken. Tatsächlich kommt die Sparsamkeitsregel auch in vielen anderen Regionen der Welt vor, etwa in Schottland und im ostdeutschen Erzgebirge.

2) Das kann man doch nicht liegen lassen! Dieser Satz entspringt dem Bedürfnis nach Sauberkeit, die in der berühmt-berüchtigten Kehrwoche ein Symbol mit internationaler Strahlkraft gefunden hat. Tatsächlich spielen Ordnung und Sauberkeit häufig eine Rolle in Gesprächen auf dem Markt, im Treppenhaus oder auf der Straße. Umso erstaunlicher, als mir neulich ein aus dem schwäbischen Umland Zugezogener erklärte, Esslingen sei so dreckig. Mir persönlich ist das noch nicht aufgefallen. Das liegt aber vielleicht daran, dass ich „noch nicht so weit bin“, wie mir meine Schwaben-Coaches unlängst versicherten.

3) Da gibt’s was umsonst! Angeblich – hier möchte ich mich jetzt aber aufgrund meiner unvollendeten Integration mit einer eigenen Bewertung zurückhalten – kommt jene Sparsamkeit zum Tragen, die den Schwaben weltweit nachgesagt wird. Einer meiner Schwaben-Coaches meinte sogar: Wo es was umsonst gibt, stehen wir Schlange. Auch hier fällt mir merkwürdigerweise gleich wieder der Osten des Landes ein, den ich in unzähligen Expeditionen kennenlernen durfte: Im Grunde genommen ist die schwäbische Obst-Schlange eine spiegelverkehrte Variante der Bananen-Schlange in der DDR. Der Unterschied: Dort stand man an, um Geld loszuwerden.

Fazit der schwäbischen Pomologie: Einige landestypische Eigenschaften haben sich offenkundig über der Erdball ausgebreitet, insbesondere in östliche Richtung.