So sehen Siegerinnen aus: Die SG-Frauen feiern den bereits zwölften Saisonerfolg. Foto: Rudel

Die SG Hegensberg/Liebersbronn hat sich mit ihren Handball-Teams in den vergangenen Jahren langsam, aber stetig nach oben gearbeitet.

Von Sigor Paesler

Als sich die Handball-Fans um kurz nach 18 Uhr auf zum Spiel der Württembergliga-Frauen der SG Hegensberg/Liebersbronn gegen die TG Biberach machen, werden sie vor dem Halleneingang lautstark von den Spielern der zweiten Männer-Mannschaft empfangen. Die haben gerade in der Kreisliga A gegen die HSG Leinfelden-Echterdingen II gewonnen und feiern das mit einem Handy-Selfie, das wenig später auf Facebook zu sehen sein wird. Zuvor haben schon die männliche D-Jugend, die weibliche C-Jugend, die Kreisliga-A-Frauen und die Kreisliga-C-Männer der SG gespielt. Der Handball-Tag in der Sporthalle an der Römerstraße hat um zehn nach zehn Uhr begonnen, fast zwölf Stunden später werden die Landesliga-Männer das letzte Tor werfen. Die Bilanz am Ende kann sich sehen lassen: Sechs Siege, eine Niederlage.

Michael Hettich ist Handball-Abteilungsleiter des TV Hegensberg. Da der Verein in einer Spielgemeinschaft mit dem TV Liebersbronn antritt, ist er gemeinsam mit seinem Liebersbronner Gegenüber Jens Hornung für die SG-Handballer verantwortlich. Alle Posten sind paritätisch besetzt. Das geht nur, wenn man sich versteht. Hornung ist an diesem Abend nicht in der Halle, er ist im Urlaub. „Er würde das Gleiche sagen wie ich“, sagt Hettich fröhlich. Und was sagt er über den Aufschwung der Berg-Handballer? „Wir haben unsere Hausaufgaben von unten gemacht“, erklärt er. Mehrfach gingen die Verantwortlichen beider Vereine in Klausur, es wurden die Posten eines Aktiven- und eines Jugendkoordinators geschaffen. Der familiäre Charakter ist wichtig, die vielen Ehrenamtlichen sind wichtig. Und eine einheitliche Philosophie ist wichtig. „Wir haben qualifizierte Jugendtrainer, die aktiven Spielerinnen und Spieler sind da stark eingebunden. Dabei haben wir das Glück, einige Sportstudenten zu haben“, sagt Hettich. Bei der ersten Männermannschaft kam das Glück dazu, dass vor zwei Jahren in Henning Richter, Fabian Sokele, Tobias Funk und Sven Langjahr vier frühere Hegensberger beziehungsweise Liebersbronner zur SG zurückkamen, nachdem sie jahrelang höherklassig gespielt hatten. Und wohin soll der Weg noch führen? Hettich: „Wenn wir zwei Mannschaften in die Württembergliga schaffen, ist das etwas, wo man innehalten muss und konsolidieren.“ Die Frauen haben den Klassenverbleib in der fünfthöchsten Spielklasse bereits sicher, die Männer sind als Aufsteiger eine Liga drunter Tabellenführer. Auf die Frage, ob die Frauen wie bei vielen Vereinen im Schatten der Männermannschaft stehen, antwortet Hettich mit einem Lächeln und sagt dann: „Die Frauen haben es ja den Männern vorgemacht. Unser erstes Aushängeschild waren die Frauen.“

In der Halle füllen sich die Ränge. Einige Jugendspieler sitzen frisch geduscht da, die Männer der Landesliga-Mannschaft laufen in ihren schwarzen Anzügen bereits ein. Bevor sie sich den Anfang des Frauen-Spiels anschauen, gehen einige von ihnen den Gang entlang zu Jürgen Kappel. Der einsame Trommler der SG bekommt als Erster das nagelneue Fan-Shirt überreicht. Er ist sichtlich gerührt. „Bergbande“ steht drauf. „Danke, dass du uns unterstützt.“ – „Das macht mir doch Spaß.“ Die Frauenteams laufen ein.

Silke Zindorf ist eine ehemalige Wernauer Handballerin. Von ihrem Heimatverein zog es sie als Trainerin zum TV Stetten und dann auf den Berg zu „HeLi“, wie alle die SG nur nennen. „Die Strukturen stimmen hier einfach“, sagt Zindorf. „Das Team ist mit vielen Eigengewächsen von der Kreisliga hochgekommen – die sind der Verein.“ Überhaupt ist Zindorf bei allem Leistungsgedanken der Zusammenhalt wichtig. „Es gibt hier viel Drumherum, das ist Vereinsleben“, betont sie und freut sich, dass auch mal die Spieler der zweiten Männermannschaft zum Auswärtsspiel mitfahren. Mit der Rolle des Frauenteams in der Spielgemeinschaft ist sie zufrieden: „Die Männer und Frauen werden gleich behandelt. Das wird als Einheit gesehen.“ Die gemeinsame Aufstiegsfeier vor einem Jahr hat dabei geholfen. Dass die Männer jetzt vor dem Durchmarsch in die Württembergliga stehen, in der die Frauen bereits spielen und im Moment Platz fünf belegen, gönnt ihnen Zindorf von Herzen: „Wir feiern auch, und zwar den Klassenverbleib.“

Eher langweilige 60 Handball-Minuten sind vorbei. Die Württembergliga-Frauen der SG schlagen Biberach locker mit 29:23. Trainerin Zindorf nutzt die Überlegenheit und gibt einigen jungen Eigengewächsen viel Spielzeit. Nur Jürgen Kappel hat einen schweren Stand, denn in Sachen Trommler und sonstiger Krachmacher ist der Biberacher Fanblock personell klar überlegen.

Jochen Masching kommt aus Reichenbach. Sein Bruder Marcus ist bei den dortigen Handballern Abteilungsleiter. Nun ist Jochen Masching, der als Spieler einige Erfahrung in höheren Klassen aufzuweisen hat, in seiner zweiten Saison Cheftrainer. Mit Hegensberg/Liebersbronn hat er in der vergangenen Saison gleich den Aufstieg von der Bezirks- in die Landesliga geschafft. Dort ist die Mannschaft vier Spieltage vor dem Saisonende mit einem Punkt Vorsprung auf den Lokalkonkurrenten HSG Ostfildern Tabellenführer. Masching äußert sich ähnlich wie Zindorf. Er lobt die Mischung aus familiärer Atmosphäre und professioneller Vorgehensweise bei der SG. „Hier wird solide g’schafft“, sagt er. Er sieht den Trainerjob als „tolle Chance für mich“, und weiß, dass die Rückkehrer Richter und Co. einen großen Anteil am Erfolg haben: „Aber das ist nicht alles. Viele vergessen, dass die meisten Spieler hier nur Bezirksliga-Erfahrung haben.“ Dennoch glaubt er, dass sich die Mannschaft für die Württembergliga nur punktuell verstärken muss. Talent Jaric Baumann etwa, der im Moment noch für Ostfildern in der A-Jugend-Bundesliga und den TSV Denkendorf in der Männer-Bezirksliga spielt, passt da sehr gut. Masching ist wichtig, dass die Landesliga-Akteure ihr Wissen als Jugendtrainer weitergeben: „Daran erkennt man, wie eng hier alles zusammenhält.“

Die Halle ist nun gut gefüllt. Das geht allerdings schnell, denn hoch über dem Spielfeld gibt es nur zwei Sitzreihen, dahinter einige Stehplätze. Die Stimmung ist erwartungsvoll. Die Männer des Heimteams und der Gäste der SG Kuchen/Gingen laufen ein, während beim Getränke- und Essensverkauf Hochkonjunktur herrscht. Kuchen/Gingen ist Siebter und damit klarer Außenseiter.

Natascha Stocker ist als Selbstständige beruflich stark eingebunden und hat vier Kinder. Trotzdem hat sie vor knapp einem Jahr zugesagt, als sie gefragt wurde, ob sie den neu geschaffenen Job der Aktivenkoordinatorin bei der SG übernehmen will. Man könnte auch sagen, sie ist die Spielleiterin für die Männer und die Frauen, aber Koordinatorin klingt besser. Stocker hat keine Vergangenheit in Hegensberg oder Liebersbronn und daher (noch) den Blick von außen. Erfahrung in der Vereinsarbeit hat sie bei den Frauen des TV Nellingen gesammelt. Für zwei Frauen- und drei Männerteams ist sie nun zuständig – auch das zeigt, dass die Bereiche nicht getrennt betrachtet werden. „Ich bin hier hergekommen und habe mich gleich wohlgefühlt. Es sind alles liebe Menschen, das hat mich total erreicht“, nennt Stocker zunächst die weichen Faktoren. Aber auch das Engagement hat es ihr angetan. „Die leben hier den Handball, es ist alles extrem breit geschultert.“ Das macht es auch ihr leichter, sich um die Teams zu kümmern: „Sehr vieles machen die Trainer selbst.“ Auch Stocker wäre glücklich, wenn beide Teams in der Württembergliga vertreten wären. „Der Plan ist dann, das zu halten.“ Noch höhere Sphären anzustreben bedeutet auch die Gefahr, einiges aufzugeben, was die SG ausmacht.

Die SG-Männer tun sich gegen Kuchen/Gingen schwer. Man merkt: Die Mannschaft hat etwas von der Leichtigkeit verloren, die sie nach dem Aufstieg getragen und gleich wieder an die Tabellenspitze geführt hat. Aber die Spieler beißen sich durch und gewinnen doch noch klar mit 38:31. Die Handballer sind erleichtert und die Fans aus dem Häuschen. Die Württembergliga rückt näher.

Henning Richter hat zwei Jahre beim TSV Neuhausen und fünf beim TSV Wolfschlugen gespielt. Den Kontakt zu seiner SG hat er aber nie verloren. Als er vor knapp zwei Jahren gemeinsam mit Sokele, Funk und Langjahr aus verschiedenen Richtungen in die handballerische Heimat zurückkehrte, war das „eine Konsensentscheidung“, wie er sagt. Das Quartett machte deutlich, in welche Richtung es ihrer Meinung nach gehen soll. „Es wurde alles auf den Prüfstand gestellt und einiges auf Links gedreht. Niemand von den Älteren hat sich quer gestellt und gesagt: So haben wir das noch nie gemacht“, sagt Richter anerkennend. „Sie haben uns machen lassen.“ Und sie machten. Der Sport- und Geschichtestudent Richter ist mittlerweile nicht nur Leistungsträger des Landesliga-Teams, sondern auch Jugendkoordinator. Sonntags bietet er ein Fördertraining an und er hat „ein Büchle“ zusammengestellt, in der die Nachwuchsphilosophie für alle Trainer festgeschrieben steht. „Ich bilde die Spieler aus, mit denen ich später vielleicht noch ein oder zwei Jahre zusammenspiele“, sagt Richter. „Von daher bekommt der Begriff Handballfamilie nochmal eine ganz andere Bedeutung.“

In der Schlussphase des Spiels der Landesliga-Männer schauen nicht alle zu. Im Flur vor dem Eingang in den Innenbereich der Halle werfen Kinder in SG-Trikots, die während der Schulwoche zu dieser Zeit schon im Bett wären, Bälle. Es ist eine gewisse Ernsthaftigkeit zu spüren, die Technik sieht gut aus. Da, auf der anderen Seite der Scheibe, wollen sie mal vor so vielen Menschen spielen. In zwei Jahren feiern beide Vereine der Spielgemeinschaft ihr 125-jähriges Jubiläum. Die Zukunft scheint gesichert.

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