Blick auf die Baustelle an der Türlenstraße/Heilbronner Straße. Der Rohbau wächst in die Höhe. Foto: Webcam/www.look21.de Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Die Stuttgart-21-Projektpartner kommen heute am frühen Abend zu einer Sitzung des Lenkungskreises zusammen. Das Treffen steht unter keinen guten Vorzeichen. Der scheidende Vize-Vorstand Volker Kefer will Verkehrsminister Winfried Hermann und Oberbürgermeister Fritz Kuhn über neue Kosten- und Terminschwierigkeiten informieren.

Das letzte Treffen des Gremiums fand vor knapp sieben Monaten statt. Damals verlief das Gespräch ausgesprochen harmonisch - trotz sich abzeichnender Schwierigkeiten beim Umbau des Stuttgarter Bahnknotens, die eine neue Steuerungsgruppe in den Griff bekommen sollte. Die Zeit der gegenseitigen Schuldzuweisungen sei vorbei, versicherten alle Seiten noch im November. Doch jetzt ist die Lage anders: Ende Mai war bekannt geworden, dass sich die angepeilte Inbetriebnahme des milliardenteuren Tiefbahnhofs Ende 2021 um zwei Jahre verzögern könnte und die Kosten das festgesetzte Limit von 6,526 Milliarden Euro zu übersteigen drohen.

Da er dies zu spät einräumte, sah sich Kefer, der Vorstand für Infrastruktur und Technik der Bahn, massiver Kritik ausgesetzt und verkündete kurz darauf seinen Rücktritt. Bis ein Nachfolger gefunden ist, bleibt er im Amt - und so muss er heute den höchst verärgerten Projektpartnern Rede und Antwort zum Projektstatus stehen. „Maximale Transparenz und Aufklärung“ erwarten die Spitzen von Stadt und Land bei diesem Treffen, das ironischer Weise am Stuttgarter Flughafen stattfindet, dem zeitkritischsten Punkt der Planung. Dort fehlt der Bahn noch immer die Baugenehmigung für den neuen ICE-Halt und die Anbindung der Gäubahn an die Trasse. Dass Stadt und Land partout nicht willens sind, mehr Geld für Stuttgart 21 bereitzustellen, haben sie dem Konzern unmissverständlich zu verstehen gegeben, als dieser nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Mischfinanzierung verkündete, „eine vernünftige Lösung“ zur Finanzierung der Mehrkosten finden zu wollen.

Ein Ausstieg aus dem Milliardenprojekt scheint dennoch derzeit kein Thema zu sein. Ob heute über mögliche Alternativen zum Tiefbahnhof gesprochen wird, ist offen. Angesichts der enormen Probleme müssten alle Projektbeteiligten über eine „Kombi-Lösung“ nachdenken, forderte die Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Brigitte Dahlbender, vor dem Lenkungskreis-Treffen. So könnten die Kosten und Risiken von Stuttgart 21 deutlich gesenkt werden. Das Tabu, über einen oberirdischen Bahnhofsteil zu sprechen, müsse gebrochen werden. Unverzichtbar für einen zukunftsfähigen Bahnknoten seien „deutlich mehr als acht Bahnsteiggleise im Großknoten Stuttgart und eine konsequente Entmischung von S-Bahn-, Regional- und Fernverkehr“, meint Dahlbender. Der BUND spricht sich zudem für den Verzicht auf einen unterirdischen Flughafenbahnhof und stattdessen für den Bau eines oberirdischen Halts am Flughafen am Messeparkhaus aus. Die Gäubahn sollte über die bestehende Panoramabahn oberirdisch in den Hauptbahnhof geführt werden. Flankierend sollten die Zuführungsstrecken zum Hauptbahnhof und die Wendlinger Kurve leistungsfähig ausgebaut werden. Auch das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 fordert die Sitzungsteilnehmer auf, Alternativen zum Durchgangsbahnhof ernsthaft zu prüfen - und bis dahin einen Bau- und Vergabestopp zu verhängen. Wie berichtet, hatten die Projektgegner jüngst ein Konzept vorgelegt, wie ein modernisierter Kopfbahnhof künftig aussehen könnte. Von einem Ein- und Umlenken könnten alle Beteiligten profitieren, meint Matthias von Herrmann, der Sprecher der Initiative Parkschützer. Die Stadt müsste keinesfalls auf ein neues Baugebiet verzichten - das Gelände am Nordbahnhof, das die Bahn heute als Logistikfläche nutzt, könnte sofort für den kommunalen Wohnungsbau genutzt werden. 1000 Wohnungen seien dort möglich.

Erst am späten Abend wollen Kefer, Hermann und Kuhn vor die Presse treten und die Ergebnisse der Sitzung vorstellen.