Stöbern auf dem Schillerplatz: Bei sonnigen Wetter zog es gestern rund 80 000 Besucher auf den großen Frühlingsflohmarkt. Fotos: Kuhn Quelle: Unbekannt

Von Matthias Kuhn

Stuttgart - Viele Nachtschwärmer machten sich gerade erst auf den Nachhauseweg, als die ersten Flohmarkthändler gestern ihre Habseligkeiten auf den Karls-, Schiller- oder Rathausplatz schleppten, um sie beim jährlichen Frühjahrsflohmarkt anzupreisen. „Bereits um 4.30 Uhr warteten sie darauf, dass wir die Standplätze vergeben“, erzählt Gabriella Zanetti von den Märkten Stuttgart. 3000 Frontmeter - vom Marktplatz über den Schillplatz in den Verbindungsstraßen bis zum Karlsplatz - mussten Zanetti und ihre Mitarbeiter möglichst gerecht verteilen und dabei darauf achten, dass die Händler die Feuergassen und Rettungswege einhalten und dass keine Engstellen entstehen. Lücken gibt es keine, schließlich waren die Standplätze im Vorverkauf im Nu verkauft. „Insgesamt haben wir rund 800 Händler. Einige sind sogar aus Hamburg angereist“, sagt Zanetti.

Die Mehrheit der Standbeschicker kommt jedoch aus der Region. Viele sind Stammgäste. Peter Lieven aus Vaihingen und seine Frau Gabi haben sich ein schattiges Plätzchen an der Seite des Alten Schlosses gesichert. Ihre alten, wertvollen Puppen erregen die Aufmerksamkeit der Trödelfans. „Sehr schöne Exemplare. Sie sind heute selten geworden“, meint ein Sammler. Eine sogenannte Badepuppe hat es ihm angetan. Er schaut sie sich genauer an, fährt mit der Fingerkuppe vorsichtig über die „Haut“, entdeckt eine kleine Druckstelle und versucht prompt, den angegebenen Preis deswegen etwas herunterzuhandeln.

Doch das Ehepaar weiß, wie viel die Püppchen wert sind. „Ich bin als Puppendoktor bekannt, weil ich alte Puppe repariere“, erzählt Lieven. Beim vermutlich ersten Stuttgarter Flohmarkt im Jahr 1972 hatte er bereits einen Stand, an dem seine Söhne ihre Sachen verhökerten. Jetzt trennt sich das Ehepaar von einigen Puppen ihrer Sammlung und von anderen Sammelstücken. Lieven weiß, dass Handeln zum Flohmarkt gehört. „Aber der Wert von oft viele Jahrzehnte alten, handgefertigten Stücken wird nicht mehr geschätzt, es wird um 50 Cent-Beträge gefeilscht“, bedauert er. Die Badepuppe findet dennoch ein neues Zuhause.

Bis 18 Uhr treibt es bei Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen nach ersten Schätzung der veranstaltenden Märkte Stuttgart rund 80 000 Besucher in die Innenstadt. Schnäppchenjäger auf Beutesuche: Frauen stöbern in Kleidern, Kinder kaufen Spiele, ein junges Paar schleppt vier Holzstühle weg. Und eine Hessin, die gerade ihre neue Wohnung in Esslingen bezieht, erwirbt einen großen Spiegel mit geschwungenem Holzrahmen für 150 Euro. Gregor Maier aus dem Raum Heilbronn hat es auf Schallplatten abgesehen und gegen 12 Uhr bereits einige Erfolgserlebnisse. „Ich habe einige Schätzchen, darunter einige recht gut erhaltene Jazz- und Rock-LPs aus den Sechziger- und Siebziger-Jahren, gekauft“, verrät er lächelnd.