Die Fußballkanzlerin als Wachsfigur von Madame Tussauds. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Andreas Herholz, Berliner Redaktion

Berlin - „Viel Glück“ wünscht die Kanzlerin. Sie werde versuchen, „fast alle Spiele“ zu verfolgen. Wird man sie auch diesmal in Frankreich wieder auf der Tribüne jubeln und in der Kabine gratulieren sehen? „Ich habe noch keine konkreten Pläne“, will sich Angela Merkel nicht festlegen. Doch dürfte sie sich den Auftritt als Fan im Kreise der Fußballnationalmannschaft bei der Europameisterschaft nicht nehmen lassen. Den Auftakt gegen die Ukraine am Sonntagabend wird die Fußballkanzlerin allerdings verpassen. Schließlich sitzt sie im Regierungsflieger auf dem Weg nach China, lässt sich aber laufend über den Spielstand informieren. Die Mannschaft sei „total motiviert“, werde wieder zusammenwachsen und zeigen, was Deutschland ausmache: „Vielfalt, gemeinsamer Wille zu gewinnen, Toleranz, Respekt und der Wunsch, dass sich die Fans an gutem Mannschaftsfußball erfreuen können.“

Wird die EM in Frankreich wieder zu einem Sommermärchen für das deutsche Team und die Fans? Läuft es gut für Manuel Neuer und die DFB-Elf, wollen sich auch Politiker und allen voran die Kanzlerin in dem Erfolg sonnen. Wie zuletzt am 13. Juli 2014 beim WM-Finalsieg gegen Argentinien im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro. Nach Konrad Adenauer 1954, Helmut Schmidt 1974 und Helmut Kohl 1990, hatte Merkel als Kanzlerin zum vierten WM-Titel gratuliert.

Public Viewing im Ministerium, Fankurve im Bundestag, dienstfrei für Fußballfans - EM-Stimmung im Regierungsviertel. Auf die Unterstützung Merkels können Jogi Löw und Oliver Bierhoff bereits seit Jahren bauen, auch in schwierigen Zeiten. Schon als Jürgen Klinsmann 2006 in der Kritik stand, war Merkel zur Stelle, machte Mut und übte den Schulterschluss.

Festes Wahlkampfrepertoire

Die Kanzlerin und der Fußball - es waren Bilder, die um die Welt gingen, im Jahr 2006, als für viele Deutsche die Menschwerdung von Angela Merkel begann. Deutschland und das Sommermärchen, und Bilder von einer Kanzlerin wie man sie bis dahin nicht für möglich gehalten hatte. Merkel in Jubelpose auf den VIP-Tribünen der Stadien - die Kanzlerin scheinbar in ihrem Element. Seitdem gehört das Fußballfieber fest zum Wahlkampfrepertoire der Regierungschefin. Merkel wie sie auf der Tribüne mitzittert, aufspringt, jubelt und die Arme hochreißt. Wie ihr Vorgänger Gerhard Schröder weiß auch Merkel um die Macht der Bilder und den Stellenwert der „schönsten Nebensache der Welt“ beim Wahlvolk.

Glaubt man der Wissenschaft, wirken sich entscheidende Erfolge und Misserfolge der Nationalmannschaft auf dem grünen Rasen nicht nur auf den Gemütszustand der Fans, sondern auch auf Politik und Wirtschaft aus. Politologen wie Norbert Seitz sehen gar eine nahtlose Übereinstimmung von Fußball und Politik. Nach dem Wunder von Bern 1954 hieß es im Nachkriegsdeutschland plötzlich „wir sind wieder wer“. Die Weltmeistermannschaft von Sepp Herberger hauchte den Bundesbürgern wieder neues Selbstbewusstsein ein. 1990 gelang der souveräne WM-Titel in Italien ausgerechnet im Jahr der Deutschen Einheit. Und dem frühen Aus für die Vogts-Elf 1998 folgte auch das Ende der Ära Kohl.