Angespannt zeigte sich Bernd Klingler gestern vor der Verkündung des Urteils. Er hält es für „hart und unfair“. Foto: Hauptmann Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Ein Jahr und zwei Monate Haft, ausgesetzt auf Bewährung, sowie 5000 Euro Geldbuße - so lautet das Urteil des Amtsgerichts Bad Cannstatt gegen Bernd Klingler. Es sah es als erwiesen an, dass der frühere FDP-Chef im Stuttgarter Gemeinderat Gelder der Fraktion veruntreut hat. Er selbst beteuert weiterhin seine Unschuld.

Das Gericht ist überzeugt, Klingler hat seine damals kraft Amtes bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt und billigend in Kauf genommen, dass der FDP-Fraktion ein finanzieller Schaden entstand. In zwei Fällen hat er sich von deren Konto bedient und das Geld für private Zwecke verwendet. Mit dem Urteil folgte das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft. Knapp eine Stunde verlas Richterin Karin Langner die Urteilsbegründung. Immer wieder war dabei zu hören, die Aussagen Klinglers seien „nicht glaubhaft“.

Das gilt zum einen für jene 23 500 Euro, mit denen er Ende 2013 die Erstellung, Produktion und Verteilung von 80 000 Flyern bezahlt haben will. Nach Auffassung des Gerichts hat es diese aber nie gegeben. Keiner seiner einstigen Fraktionskollegen habe sich erinnern können, je einen entsprechenden Beschluss gefasst zu haben - es hätte ja noch ausreichend Flyer gegeben, die im Sommer erstellt worden waren. Zudem sei ihnen bewusst gewesen, dass eine Aktion in dieser Größenordnung nicht rechtskonform gewesen wäre. Die Rechnungen für den Auftrag blieb Klinger fast ein Jahr schuldig. Dass er wegen des Wahlkampfs zu viel um die Ohren gehabt hätte, sei eine Schutzbehauptung, glaubt Richterin Langner. Die Vergabe des Auftrags an eine Marketingagentur, deren Existenz fraglich erscheint; der Umzug der Chefin nach Italien, bevor der Auftrag abgewickelt wurde; die Verteilung von 60 000 Flyern durch deren Familienangehörige, die dies aus reiner Gefälligkeit getan haben wollen; der angebliche Privatkredit an die Geschäftspartnerin und die vermeintliche Rückzahlung als sogenannte Kick-back-Provision - das alles gab dem Gericht Anlass, an Klinglers Darstellungen zu zweifeln. Und erst recht die Tatsache, dass einen Tag nach der Überweisung die volle Summe auf seinem Konto verbucht und umgehend für den Kauf eines Autos verwendet wurde. Ohne diese Überweisung, so Langner, wären Klinglers Konten damals im Minus gewesen. Insgesamt sei seine finanzielle Situation „nicht rosig“ gewesen. Im Juni 2014 schließlich hat er nochmals insgesamt 12 500 Euro vom Fraktionskonto abgehoben - um privaten Zahlungsaufforderungen nachkommen zu können, so die Überzeugung des Gerichts. Und nicht, wie Klingler behauptete, um sie sicher in seiner Agentur zu verwahren. Einen Tresor habe es dort gar nicht gegeben, zudem sei die Höhe der Summe völlig unüblich für Fraktionsausgaben, so das Gericht. Dass er den vollen Betrag zurückzahlte, wurde ihm strafmildernd angerechnet.

Sichtlich mitgenommen zeigte sich Klingler im Anschluss an die Verhandlung. Er hatte auf einen Freispruch gehofft. „Wenn man weiß, dass man unschuldig ist, trifft das einen hart. Alles, was ich gemacht habe, wurde negativ ausgelegt.“ Die Vorwürfe weißt er weiterhin von sich. Er und sein Rechtsanwalt haben jetzt eine Woche Zeit, Berufung einzulegen. Klingler kündigte an, das Urteil anfechten zu wollen. Ob es auch Auswirkungen auf seine politische Karriere haben wird, bleibt abzuwarten. Der 48-Jährige war Ende 2014 nach den Vorwürfen im Streit aus der FDP ausgetreten und zur AfD im Gemeinderat gewechselt. Die vierköpfige Fraktion, deren Vorsitzender er bislang ist, kommt heute zu einer Sitzung zusammen. Um eine Diskussion werde man nicht umhinkommen, heißt es. Klingler selbst gibt sich zuversichtlich: „Die Partei und die Fraktion stehen hinter mir.“ Er werde sein Gemeinderatsmandat jedenfalls nicht abgeben.

Paragraf 266 Strafgesetzbuch

Untreue

Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.