Eine Elefantenkuh in einer Zirkusvorführung.Foto: dpa Foto: EZ

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Löwen, Elefanten und Co. sollen in Zukunft nichts mehr in der Manege zu suchen haben. Zumindest, wenn es nach den Stuttgarter Gemeinderatsfraktionen der Grünen, der SPD und der SÖS-Linke-Plus geht. Für das Aktionsbündnis „Tiere gehören zum Circus“ ein Unding. Deren Mitglieder haben den Antrag der Parteien mit großem Erstaunen zur Kenntnis genommen und fordern die Stadträte auf, ihn abzulehnen.

Sämtliche Grundlagen, auf die sich der Antrag stützt, seien längst widerlegt, die kommunalen Wildtierverbote zudem juristisch höchst fragwürdig. „Er steht auf äußerst wackligen Beinen“, sagt Dirk Candidus, der Sprecher des Aktionsbündnisses. Er empfiehlt daher den Stuttgarter Stadträten, die Argumente besonders kritisch zu prüfen. „Der Antrag wird in erster Linie mit der Absicht begründet, den Tierschutz in Stuttgart zu verbessern. Die Wildtierhaltung in einem modernen Zirkus steht aber zu den Prinzipien des Tierschutzes überhaupt nicht im Widerspruch.“ Dies gehe nicht zuletzt aus einer Studie der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags aus dem Jahre 2015 hervor, die den Titel „Sachstand: Wildtiere im Zirkus“ trägt. Dort sei zu lesen, dass „trotz umfassender Recherche keine unabhängigen Studien gefunden werden konnten, die belegen, dass es sich bei der Haltung von ‚Wildtieren‘ im Zirkus nicht nur in Einzelfällen um Tierquälerei handelt beziehungsweise das Wohl der Tiere beeinträchtigt ist.“

Die Studie der Wissenschaftlichen Dienste gründe sich auf die Forschungsergebnisse zahlreicher Biologen und Tierärzte, die sich vor Ort ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt haben, so Candidus. „Auf der Grundlage von Verhaltensbeobachtungen und Stressmessungen kommen diese Wissenschaftler übereinstimmend zu dem Schluss, dass eine tier- und verhaltensgerechte Haltung von Wildtieren im Zirkus möglich ist und in verantwortungsvollen Unternehmen auch realisiert wird. Das Training in der Manege habe eine stimulierende Wirkung auf die Tiere und fördere deren körperliche und geistige Fitness.“

Wildtiere keine Gefahr für Dritte

Im Antrag der Gemeinderatsfraktionen wird behauptet, dass die Hälfte aller amtstierärztlichen Kontrollen zu einer Beanstandung geführt haben. „Diese Aussage beruht auf einer Fehlinterpretation des Zirkuszentralregisters“, so der Sprecher des Aktionsbündnisses. „In Wirklichkeit übersteigt die Zahl der positiv verlaufenden Kontrollen die Zahl der Kontrollen, die mit einer Beanstandung enden, um ein Vielfaches.“ Geradezu abenteuerlich sei die These der Parteien, dass von der Haltung von Wildtieren im Zirkus eine Gefährdung der Bevölkerung ausgehe. „Es gibt, auch wenn man lange zurückschaut, so gut wie keine Fälle, bei denen Dritte durch Zirkustiere geschädigt wurden“, so Candidus. „Der aufgeführte Unfall mit einem Zirkuselefanten im baden-württembergischen Buchen ist als Beleg nicht geeignet, da es sich hierbei um ein singuläres Ereignis handelte, das zudem möglicherweise durch eine kriminelle Freilassung des Elefanten verursacht wurde.“

Während das Aktionsbündnis das mögliche Wildtierverbot auf dem Cannstatter Wasen ablehnt, begrüßt die Hamburger Stiftung für Tierschutz „Vier Pfoten“ den Antrag. „Mit dieser Entscheidung zugunsten der Wildtiere würde sich Stuttgart über 60 deutschen Städten und Kommunen anschließen, die einen Zirkus mit Wildtieren nicht länger auf öffentlichen Plätzen gastieren lassen“, so Kampagnenleiterin Denise Schmidt. „Wildtiere leiden in Zirkussen unter dem extremen Bewegungsmangel, den ständigen Ortswechseln und den langen Transportzeiten. Diese Tiere werden nie domestiziert sein und können unter Zirkusbedingungen nicht artgerecht gehalten werden. Ein umfassendes Zirkus-Wildtierverbot in der baden-württembergischen Landeshauptstadt wäre ein starkes Signal für den Tierschutz und eine weitere Aufforderung an Berlin“, so Schmidt, die der Bundespolitik unterstellt, handlungsunfähig zu sein. Es sei an der Zeit, ein bundesweites Wildtierverbot im Zirkus auf den Weg zu bringen.

„Viele deutsche Städte und Gemeinden, darunter auch einige Landeshauptstädte, haben jedoch die Sache selbst in die Hand genommen und bereits vollständige oder teilweise kommunale Verbote für Wildtierzirkusse beschlossen.“