Aus diesen Zeltunterkünften im Reitstadion auf dem Wasen sind 42 Algerier verschwunden. Foto: Regierungspräsidium Stuttgart Quelle: Unbekannt

Von Jan-Philipp Schütze

Stuttgart - Im Reitstadion auf dem Cannstatter Wasen waren bis vor kurzem 77 nordafrikanische Flüchtlinge untergebracht, von denen die meisten bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten oder in anderen Einrichtungen auffällig geworden waren. Nun sind 42 von ihnen spurlos verschwunden. Offenbar wollen sie sich nach Frankreich absetzen.

Dass die Erstaufnahme des Landes nicht mehr vollzählig besetzt ist, sei erstmals am Mittwochmorgen aufgefallen, sagt Katja Lumpp, die Sprecherin des Regierungspräsidiums Stuttgart. Zu diesem Zeitpunkt seien von den ursprünglich 77 Bewohnern nur noch 38 in der Zeltstadt gewesen, gestern Morgen hätten dann drei weitere gefehlt. Wohin die anderen 42 Männer, allesamt Algerier, verschwunden sind, sei unbekannt. „Wir wissen nicht, wo sie sich derzeit befinden“, sagt Lumpp. Unter den restlichen Asylbewerbern im Reitstadion machen indes Gerüchte die Runde, die Verschwundenen könnten versuchen, nach Frankreich einzureisen, um sich dem zuletzt verstärkten Durchgreifen der deutschen Behörden zu entziehen.

Wie berichtet, waren die Algerier im Januar aus der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen ins Reitstadion verlegt worden, um sie von den anderen Flüchtlingen dort zu trennen. Der Großteil der Männer ist seit der Ankunft in Deutschland bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten oder anderweitig negativ in Erscheinung getreten. Von den nun verschwundenen 42 Algeriern seien aber nicht alle auffällig gewesen, so Lumpp.

Eine Möglichkeit, die Abkömmlinge gezielt zurückzuholen, habe man nicht. „Wir haben hier keinerlei Handhabe“, sagt Lumpp. Grundsätzlich sei es den Bewohnern erlaubt, die Erstaufnahme jederzeit zu verlassen. „Sie dürfen sich frei bewegen, es ist ja kein Gefängnis.“ Das Wachpersonal vermerke allerdings alle Bewohner, die das Reitstadion verlassen. Kehren sie nach zwei Tagen nicht zurück, begehen sie eine Ordnungswidrigkeit. Diese kann mit einem Bußgeld in Höhe von 20 bis 30 Tagessätzen bestraft werden, was in diesem Fall den Entzug von bis zu einem Monatstaschengeld bedeuten würde. Ihr Taschengeld bekommen die Asylbewerber aber sowieso nur dann ausbezahlt, wenn sie sich von sich aus in ihrer Unterkunft melden.

Entgegen anderslautender Berichte fahnde die Polizei nicht nach den Männern, so Lumpp. Die Algerier seien nur zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben worden. Sollten sie von der Polizei angetroffen und kontrolliert werden, erhalte man eine Mitteilung über ihren aktuellen Aufenthaltsort. Die Männer könnten aber weder festgenommen, noch gegen ihren Willen in die Erstaufnahme zurückgebracht werden. „Es wird nur nach ihnen gefahndet, wenn gegen sie bereits ein Abschiebungsbescheid ergangen ist“, sagt Lumpp.

Die Lenkungsgruppe Flüchtlingsaufnahme der Landesregierung hatte im Januar beschlossen, fortan keine Flüchtlinge aus Algerien, Libyen, Marokko, Tunesien und Ägypten mehr an die Landkreise weiterzuleiten, sondern in den Erstaufnahmen zu belassen, bis über ihren Asylantrag entschieden ist. Dadurch sollen auffällig gewordene Menschen aus diesen Ländern an wenigen Standorten konzentriert werden, um sie besser im Blick behalten zu können. Die Chance, legal in Deutschland zu bleiben, ist insbesondere für Algerier gering. Etwa 98 Prozent ihrer Asylanträge werden abgelehnt.