Von Verena Großkreutz

Stuttgart - Frank Peter Zimmermann grinst in den dröhnenden Applaus hinein. Das ist die Miene eines Siegers. Der Geiger hat gerade seine Zugabe gespielt: ausgerechnet eine Bearbeitung von Sergei Rachmaninows g-Moll-Prelude, ein Stück, das in seinem Gestus speziell auf die effektvollen Möglichkeiten des Klaviers zugeschnitten ist. Rasendes Akkord-Bombardement, rauschende Arpeggien. Das auf die Geige zu übertragen, ist absolut sinnfrei, weil deren Wesen widersprechend. Aber Zimmermann, der trainierte Virtuose, wagt’s. Schön klingt erwartungsgemäß anders. Was hörbar wird, ist ein Doppelgriff-Massaker, löchrig und unsauber. Aber: Das berühmte, nunmehr skelettierte Stück bleibt erkennbar. Und damit hat Zimmermann es den Pianisten gezeigt: Was ihr könnt, kann ich schon lange. Er ist halt ein Siegertyp.

Im Abo-Konzert des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart (RSO) im Beethovensaal hatte Zimmermann zu diesem Zeitpunkt schon Peter Tschaikowskys Violinkonzert hinter sich. Arbeit genug! Der Hals seiner Geige stößt im Kopfsatz bei jedem Hochton in Richtung von Stéphane Denève, als fechte der Solist einen Kampf mit dem Chefdirigenten des RSO aus. Ob kraftvolles Thema oder freie Figurationen: Zimmermann konzentriert sich mit Beethovenmiene auf die technische Umsetzung und die Proportionierung der Phrasen. Gut für das Orchester: Das Zusammenspiel funktioniert perfekt. Schön gelingt das intermezzoartige Andante, innig singt die Geige im entspannten Dialog mit den Holzbläsern. Die Ruhe vor dem Sturm: Im rasenden Finale schüttelt Zimmermann die quecksilbrigen Läufe und Doppelgriffe aus dem Handgelenk, im Wettlauf mit den Radio-Sinfoniekern. Man kommt am Ende gleichzeitig an, doch der Geiger reißt keck den Bogen gen Himmel, als wolle er rufen: „Gewonnen!“

Detlev Glanerts „Frenesia“ für Orchester von 2013 hatte den Abend eingeleitet. E s passte zum kämpferischen Spielstil Zimmermanns, bezieht sich der Komponist darin doch auf Richard Strauss’ sinfonische Dichtung „Ein Heldenleben“, was sich vor allem in orchestralem wildem Aufbegehren und ebensolchen Abstürzen zeigt. Kontraste zwischen zerfallenden Strukturen, Naturidyllen und ziemlich viel Radau zeigten ihre Wirkung.

Dass Stéphane Denève für die zweite Konzerthälfte dann allerdings Auszüge aus Sergei Prokofiews Ballettsuite „Romeo und Julia“ ausgewählt hatte, belegt seinen Hang zu eher deskriptiver Musik. Bei aller Liebe zu dieser schönen, plastischen und wirkungsvollen Bühnenkomposition: Als Hauptwerk eines Sinfoniekonzerts macht sie den zuhörenden Köpfen und Ohren einfach viel zu wenig Arbeit. Und so fühlte man sich am Ende - wie so oft nach Konzerten, die Denève dirigiert - schlichtweg überzuckert.