Von Angela Reinhardt

Stuttgart - So ein bisschen ist schon der Wurm drin in der Weihnachtsserie des „Don Quijote“ beim Stuttgarter Ballett, vergleicht man sie mit der Wiederaufnahme vor vier Jahren. Nach dem ursprünglich vorgesehenen Pablo von Sternenfels verletzte sich auch noch Constantine Allen, so dass zum ersten Mal seit langer Zeit in Stuttgart die Damen durchweg besser waren die Herren - und das in einer Kompanie, die für ihre großartigen Männer berühmt ist.

Dem gesamten Ensemble tat es gut, dass sie vor dem alten russischen Klassiker mit Crankos „Der Widerspenstigen Zähmung“ eine weitere Komödie getanzt hatten: So wandelte sich die andernorts klischeehafte Pantomime in einen liebevollen Witz, bei aller Stierkämpfer-Grandezza blitzte immer wieder eine ironische Note durch. Nach ein paar Aufführungen sprühte die Kompanie in der altbekannten Energie.

Alicia Amatriain, die zweite Spanierin in der spanischen Rolle der Kitri, wirkte ungewöhnlich frei und gelöst bei ihrem Auftritt, sie spielte entzückend und zwirbelte als Krönung im finalen Pas de deux 32 langsame, aber astreine Fouettés hin, jene Pirouetten, die früher einmal ihr Angstgegner waren. Mit seiner Größe von über 1,90 Meter wäre Constantine Allen anderswo ins noble Fach gesteckt worden und hätte den wirbelnden, rasanten Basilio eher nicht getanzt - dabei liegt dem spontanen Amerikaner natürlich der Witz der Rolle, und die Schnelligkeit dafür hat er erstaunlicherweise auch. Er brillierte mit seinen flüssigen, endlosen Drehungen und punktgenauer Musikalität, bis man ihm im letzten Akt dann ein Problem mit dem Bein anmerkte. Hoffentlich kann er bei der zweiten Serie im Mai auch die Tricks im großen Finale zeigen.

Noch sonniger spielte den frechen Barbier in der dritten Alternativbesetzung David Moore, den vorgetäuschten Selbstmord Basilios etwa baute zu einer wahnwitzigen Kurzkomödie aus. Auch das Timing des bisher eher braven Briten stimmte, am Ende konnte man bei so viel Sonnyboy-Temperament fast übersehen, dass seine Sprünge und Pirouetten deutlich am unteren Ende der Sensations-Skala angesiedelt waren. Moores Spielwitz ist das andere Extrem zur immer virtuoseren, aber klischeehaft agierenden Premierenbesetzung Adhonay Soares da Silva. Ein Klon aus beiden wäre die perfekte Lösung…

Neben Moore zeigte die große, langgliedrige Japanerin Ami Morita ihre königliche Technik und brannte mit ihren Drehungen ein Feuerwerk ab. Noch fehlt ihr ein wenig der spanische Schalk, die hingetupfte, neckische Phrasierung, mit der Elisa Badenes weiterhin alle Maßstäbe setzt, aber Moritas akademisch-schöne Haltung ist ein Vorbild für alle Ballerinen im Ensemble.

Zahlreiche Debüts

Während Robert Robinson dem Torero einen exaltierten Hüftschwung zu viel mitgab, fand Roman Novitzky eine coole Distanz zum Macho-Pathos der Rolle - das spanische Posieren mit der Capa, dem Stierkämpfer-Mäntelchen, entpuppt sich als schwerste Übung dieser ganzen Produktion und man ist dankbar, wenn die feurigen Auftritte nicht allzu nah an der Grenze zum Schmunzeln enden. Viele schöne Debüts gab es in den Nebenrollen: Jessica Fyfe (ganz offensichtlich eine kommende Kitri) als leichtfüßiger Cupido in der Traumszene, Rocio Aleman in der technisch schwierigen Rolle der Dryadenkönigin, Cédric Rupp als goldiger, selig-tanzversessener Sancho Pansa oder Fabio Adorisio als graziöser Geck, wahrhaft ein „Lächerlicher Preziöser“ à la Molière. Alexander McGowan spielte die undankbare Pantomimenrolle des Cervantes etwas zu verträumt, räumte aber ein paar Tage später mit dem kurzen virtuosen Solo des „Zigeunerprinzen“ ab.

Bleibt die Frage, warum man mit dem arg betulichen (um nicht zu sagen langweiligen) Matthew Rowe einen Gastdirigenten einladen muss, wenn der hauseigene Wolfgang Heinz das spanische Temperament so viel dynamischer aus der Minkus-Partitur herauskitzelt. Und warum es bei der Silvestervorstellung in der Pause kostenlosen Sekt für alle gibt, aber nicht mal ein Glas Sprudel für die Menschen, die noch Auto fahren müssen oder keinen Alkohol trinken.

Acht weitere Aufführungen ab 19. Mai.

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