Von Verena Großkreutz

Stuttgart -Der US-amerikanische Pianist Tzimon Barto - der eigentlich Johnny Smith heißt und beruflich nicht nur die Tasten traktiert, sondern auch Rancher, Gedichteschreiber und Bodybuilder ist - gehört zu den Enfant terribles der Klassikszene. Nach furiosem Karrierestart folgten Zusammenbrüche, Krisen, Schicksalsschläge: Drogen, Knast, der Tod seine beiden Söhne. 2006 feierte der heute 52-Jährige sein Comeback. In dieser Saison ist Barto Artist in Residence des SWR Symphonieorchesters. Jetzt war er mit dem Orchester im Stuttgarter Beethovensaal gleich in drei Werken zu hören, die jeweils unterschiedliche Seiten seines außergewöhnlichen Talents beleuchteten.

Bizarr wirkt Bartos Spiel wegen der Diskrepanz von muskelprotzendem Aussehen und sensibelstem Tastenstreicheln. In Mozarts Konzert-Rondo KV 386, von dem niemand so recht weiß, warum der Komponist es als einzelnen Satz hinterlassen hat, demonstriert Barto eine Riesenpalette unterschiedlichster Pianissimo-Töne, wie man sie aus einer Pianistenhand bis dahin kaum für möglich gehalten hat. Ein echter Überraschungseffekt, aber verträgt sich der subjektive Zugriff des Solisten wirklich mit dem Stück? Zumal das Flüster-Spiel des Tastenlöwen immer wieder durch ausdrucksbedingte Zeitdehnungen zum Stocken gebracht wird. Zuhörer, die das Rondo beschwingter und gesanglicher interpretiert kennen, werden dieses manieristische Zerreiben wohl eher als merkwürdig empfinden. Zumal Bartos freie Gestaltung die Überraschungsmomente des Stücks selbst - wie plötzliche Harmoniewechsel oder farbige Dialoge zwischen Bläsern und Klavier - verblassen lassen. Überhaupt wirkt das Orchester in der Leitung von Christoph Eschenbach, der einst Barto entdeckt hat, angesichts des durchaus mit großer musikalischer Fantasie gestaltenden Solisten farblos. In Wolfgang Rihms von romantischem Furor befeuertem zweiten Klavierkonzert von 2014, das der Komponist Barto gewidmet hat, funktioniert das Zusammenspiel dann überzeugender - ob im Dialog, im eruptiven Ineinandergreifen, im tumultuös Aufbrausenden. Der Flinkfinger aus Florida darf Prankenkraft zeigen.

Zum Highlight des Abends wird dann aber die selten gespielte „Burleske“ des jungen Richard Strauss, der sie einst für sein Vorbild Hans von Bülow geschrieben hat. Der sich freilich weigerte, sie zu spielen: „Jeden Takt eine andere Handstellung. Glauben Sie, ich setze mich vier Wochen hin, um so ein widerhaariges Stück zu studieren?“, meckerte er. Wie lange Barto wohl daran geübt hat? Er spielt aus den Noten, was beim Umblättern gelegentlich zu geräuschhaften Nebeneffekten führt. Aber hörbar hat er in die „Burleske“ mehr Zeit investiert als in Mozarts Rondo. Die Burleske ist prallvoll mit witzigen Ideen, mitreißender Musik und delikater Ironie. Gerade der Witz könnte noch ein bisschen deutlicher gestaltet werden, aber die Grundidee, der Wettkampf zwischen selbstsicher auftrumpfenden Pauken, grell und zickig reagierendem Orchester und cholerischem Klavier, gestaltet sich doch plastisch. Dagegen verblasste die final gespielte achte Sinfonie von Beethoven ein wenig. Man hätte es luftiger und federnder, noch schärfer geschnitten spielen können, dieses bei aller Heiterkeit doch so wütende und böse Stück.