Mit der Lidar-Technologie, bei der Laserstrahlen zum Einsatz kommen, wird zwischen Winterbach und Hohengehren die Windstärke gemessen. Foto: bul Quelle: Unbekannt

Ein Vorhaben an der Grenze zu Winterbach stößt in Baltmannsweiler auf viel Kritik: Der Energiekonzern EnBW will am „Goldboden“ drei Windräder bauen. Die Gemeinde könne gegen das Projekt rechtlich nicht vorgehen, sagte Bürgermeister Simon Schmid im Gemeinderat. Dennoch schlug das Thema hohe Wellen. Die CDU fordert, das Projekt zu kippen, weil es eine enorme Belastung für die Gemeinde darstelle, und bezweifelt, dass sich die Anlagen wegen zu geringer Windausbeute wirtschaftlich betreiben lassen. Grüne und SPD halten die Kritik für überzogen.

Von Harald Flößer

Die Gemeinde habe darauf gepocht, den Standort - offizielle Bezeichnung WN 34 - aus der Liste der Vorranggebiete zu streichen, sagte Bürgermeister Schmid. Doch der Regionalverband habe anders entschieden. Aber wenigstens sei die ausgewiese Fläche von 60 auf 16 Hektar verkleinert worden. Damit sei auf der Gemarkung Hohengehren keine Windkraftanlage mehr möglich, so der Rathauschef. Die für den „Goldboden“ und damit südlich der Kaiserstraße geplanten Windräder sind etwa 1500 Meter vom nördlichen Ortsrand von Hohengehren entfernt. Als Nachbarkommune könne man nur Anregungen vorbringen, sagte Schmid. Aus den Sitzungsvorlagen der Verwaltung geht hervor, dass die drei Anlagen am „Goldboden“ bei allen kritischen Punkten wie Lärmemission, Infraschall, Schattenwurf oder Eisfall als unproblematisch eingestuft werden.

Initiative fürchtet Windkraft-Friedhof

Bei der Bürgerinitiative (BI) Pro Schurwald sieht man das ganz anders. Sie befürchtet eine „deutliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes“. Dass die EnBW an dieser Stelle, an der die Windstärke „weit unter dem Mindestrichtwert“ liege, Anlagen bauen will, hat nach den Worten von BI-Sprecher Bertram Feuerbach nur einen Grund: Man wolle, bevor Ende des Jahres die Förderung entfalle, noch möglichst viele Subventionen einstreichen. Die Gemeinde solle darauf drängen, dass ein vollständiger Bauantrag für die Anlagen eingereicht wird, forderte Feuerbach. Er befürchtet, dass am „Goldboden“ ein Windkraft-Friedhof entsteht.

Das werde nicht passieren, versicherte EnBW-Projektleiterin Valerie Hinrichs. „Wir werden nicht bauen, wenn kein wirtschaftlicher Betrieb der Anlagen möglich ist.“ Aus der Tatsache, dass die Windstärke am Standort ES 03 zwischen Esslingen und Aichwald als zu gering eingestuft wurde (wir berichteten), könne man keine Schlüsse für den „Goldboden“ ziehen. Die Windgeschwindigkeit auf dem Schurwald sei sehr unterschiedlich, so Hinrichs. Seit Februar messe man mit der sogenannten Lidar-Technologie. Die Messung erfolge mit Laserstrahlen. Sie sei nicht so aufwendig wie mit einem Windmessmast, doch seien die Ergebnisse nicht minder aussagekräftig. Ein Schallgutachen habe ergeben, dass die Grenzwerte nicht überschritten werden, erklärte Hinrichs. Auch am Tannhof nicht. Auch beim Schattenwurf liege man weit unter den Richtwerten. Nur am Forsthaus gebe es eine leichte Überschreitung. Das fehlende Amphibien-Gutachten werde nachgereicht.

Neutralität bezweifelt

Scharfe Kritik kam aus der CDU-Fraktion. Die EnBW operiere beispielsweise bei der Schallemission mit „falschen Gutachten“, so deren Sprecher Carlo Schlienz. „Wir haben das zu ertragen, was andere entscheiden“, schimpfte er auf die Nachbargemeinde Winterbach. Für Baltmannsweiler hätten die Windräder „erhebliche negative Umweltauswirkungen“. Deswegen verlangt die CDU eine gesamtheitliche Umweltverträglichkeitsprüfung. Eine ausreichende Windhöffigkeit sei am „Goldboden“ nicht nachgewiesen. Der CDU-Fraktionschef forderte daher die Gemeinde Winterbach auf, den Bauantrag der EnBW abzulehnen. Sabine Bantel (Unabhängige Bürger) nannte das Vorhaben „unverantwortlich“. Jeder wisse, dass sich der Hang wegen des Knollenmergels und einer Vielzahl von Quellen bewege. „Das kann hochgefährlich werden“, meinte auch Günther Ziegler (Freie Wähler). In eine andere Richtung ging die Kritik seines Fraktionskollegen Markus Höger: „Mir fehlt die Neutralität bei der Windmessung.“ Nicht nachvollziehen kann man die Kritik bei den Grünen. Ob Windräder in die Landschaft passenr könne man streiten, meinte Martin Wieland. „Aber jedes Unternehmen muss selbst entscheiden, ob ein Geschäft wirtschaftlich ist.“ Peter Röser ist der Überzeugung, dass die EnBW viele Halbwahrheiten und Vorurteile habe ausräumen können. Er könne nicht nachvollziehen, worauf die CDU ihre Behauptungen stütze, so Röser. Als völlig überzogen sieht Grünen-Fraktionschef Roland Fink die Kritik der Bürgerinitiative. „Ich verstehe die Welt nicht mehr.“ Dass dort drei Windräder entstehen, sei „absolut hinnehmbar“. SPD-Sprecher Alexander Strobel sieht das ähnlich: „Für mich im Rahmen des Erträglichen“.

Der Antrag der CDU wurde bei drei Nein-Stimmen und einer Enthaltung befürwortet.

Zahlen und Infos zum Windpark „Goldboden“

230 Meter hoch: Die drei Windräder, die die EnBW im Gebiet „Goldboden“ errichten will, haben eine Nabenhöhe von 164 Metern. Inklusive der Rotorblätter sind sie 230 Meter hoch. Sie haben eine Leistung von je 3,3 Megawatt. 7500 Haushalte können damit mit Strom versorgt werden.

41 Vorranggebiete: Der Standort „WN 34“ auf der Gemarkung Winterbach ist eines von 41 Vorranggebieten, die der Verband Region Stuttgart im September 2015 für die Errichtung von Windkraftanlagen ausgewiesen hat. 16 Hektar sind dafür vorgesehen, ursprünglich waren es 60 Hektar. Die Grundstücke gehören der ForstBW.

Vereinfachtes Verfahren: Die EnBW möchte die Windkraftanlagen nach dem vereinfachten Verfahren nach Paragraf 19 des Bundesemissionsschutzgesetzes errichten. Das heißt, eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht notwendig. Genehmigungsbehörde ist das Landratsamt Waiblingen. Dort sei im April ein Bauantrag gestellt worden.

Kritik auch in Winterbach: Im Gemeinderat in Winterbach gab es am 28. April ebenfalls heftige Debatten über die geplanten Windkraftanlagen. Viele Kritiker lehnen das Projekt wegen negativer Auswirkungen für Natur und Mensch ab. Doch Bürgermeister Albrecht Ulrich und sein Bauamtsleiter Rainer Blessing machten in der Sitzung deutlich: Die Gemeinde könne die Windkraftanlagen gar nicht ablehnen. Gestoppt werden könne das Vorhaben, wenn gegen das geltende Recht verstoßen werde. Doch würden aus ihrer Sicht alle Vorgaben eingehalten.

Pläne der Gemeinde gescheitert: Ursprünglich wollte die Gemeinde Winterbach selbst am „Goldboden“ Windräder errichten. Doch haben sich die Pläne zerschlagen, weil die Gemeinde und ein Förderverein mit ihrem Antrag für den Standort nicht zum Zuge kamen.

Bauzeitplan: Die EnBW möchte Ende 2016 mit den Rodungen für den Wegebau beginnen. Im dritten Quartal 2017 könnten die Windräder in Betrieb gehen.

Bürgerversammlung: Am 4. Juli (19 Uhr) soll es in der Lehenbachhalle in Winterbach eine Bürgerversammlung geben, bei der über das Projekt der EnBW informiert wird.