Mehr als 200 Kinder stehen beim Schulfest auf dem Hof, um gemeinsam Lieder zu singen. In der Grundschule Aichwald gehört das Singen nun nicht nur zu feierlichen Anlässen, sondern ist fest im Alltag verankert. Lehrer erhalten sogar regelmäßig Stimmbildung. Foto: Ait Atmane Quelle: Unbekannt

Wenn Schulleiter Wolfgang Bihl Tür oder Fenster seines Rektorats öffnet, hat er gute Chancen, ein Lied zu hören. „Da schallte es schon öfter durch die Schule“, sagt er. Schon immer wird in der Grund- und Werkrealschule Aichwald viel musiziert, mit dem Konzept der „singenden Grundschule“ ist der Gesang aber zu einem festen Teil des Schulalltags geworden.„Die Kollegen empfinden die Stimmbildung als große Erleichterung, weil sie ja nicht Musik studiert haben.“

Von Karin Ait Atmane

Sind singende Menschen glücklicher? Zumindest haben sie ein Medium, um Gefühle auszudrücken und mit ihnen umzugehen, sagt Inge Kocher, die Leiterin der Jugendmusikschule Aichwald. Ob Freude oder Trauer, Liebe oder Einsamkeit - Lieder „sind Medizin“, sagt sie. Sofern man welche hat: Die Generation der heutigen Groß- und Urgroßeltern hat noch in allen Lebenslagen gesungen und einen gemeinsamen Liedschatz gepflegt, heute ist das nicht mehr so.

Die Schule in Schanbach samt ihren Außenstellen in Aichelberg und Aichschieß war schon immer „sehr musisch“, wie Rektor Bihl sagt. Hinzu kommt, dass in Schanbach die Jugendmusikschule im Schulgebäude zu Hause ist - und ein Bürgermeister, der selbst in einer Band spielt.

So machten Schultes Nicolas Fink, Wolfgang Bihl und Inge Kocher im vergangenen Herbst einen Besuch in Filderstadt, wo mit dem „Singgrund“ ein ähnliches Projekt läuft. Sie waren begeistert und strickten sich anhand des Vorbildes Jekiss (Jedem Kind seine Stimme) aus Münster ein eigenes, passendes Konzept.

Es umfasst zum Beispiel regelmäßige Stimmbildung für Lehrerinnen und Lehrer, zwei Mal im Schuljahr verpflichtend, ansonsten 14-tägig freiwillig. „Es ist immer jemand da“, versichert Kocher, Gesangslehrerin Lea Benedikter von der Jugendmusikschule, die das Bindeglied zur Grundschule ist, sei noch nie alleine dagestanden. Sie begleitet auch den Schulchor und dessen Leiterin, geht regelmäßig in die Klassen, erarbeitet mit den Pädagogen einen Fundus an Liedern.

Bei diesen habe man „eigentlich offene Türen eingerannt“, sagt Inge Kocher. Wolfgang Bihl bestätigt das: „Die Kollegen empfinden das als eine große Erleichterung, weil sie ja nicht Musik studiert haben, es aber doch in ihren Klassen unterrichten.“ Sie seien sehr dankbar für die Anleitung.

Und sie haben Spaß am Singen, genau wie die Kinder, die damit gleichzeitig eine „Grundmusikalisierung“ erfahren und einen unverkrampften Umgang mit ihrer Stimme entwickeln sollen. Ein Höhepunkt ist das Schulsingen vor den kleinen wie großen Ferien: Dabei wird in der Schanbacher Schule wie auch in den Außenstellen jeweils gemeinsam gesungen, über alle Grundschul- und teils auch noch die fünfte und sechste Klasse hinweg.

Beim Schulfest am Samstag kamen sogar alle drei „Niederlassungen“ der Aichwalder Schule zusammen. Mehr als 200 Kinder standen auf den drei Stufen im Schulhof und stimmten gemeinsam peppige Lieder an, von „Schön ist es auf der Welt zu sein“ über einen Kanon bis hin zu Hit-Klassikern mit kindgerechtem, deutschem Text. Vereinzelt wurden sogar singende Mamas oder Papas beobachtet. Ob es gelingen wird, das Singen auch in die Familien hineinzutragen, muss sich noch zeigen. Aber dass Kinder fröhlich mehrere Strophen auswendig vorsingen, hat Inge Kocher bereits erlebt. Und Aichwald mit seinen Chören und Musikvereinen bietet beste Chancen, die Grundlage weiter auszubauen.