Quelle: Unbekannt

Von Harald Flößer

Im ersten Augenblick ist es noch kein wirkliches Problem. Das kann gar nicht sein. Der Geldbeutel wird schon wieder auftauchen. War immer so. Eine Nacht drüber schlafen, dann findet er sich wieder. Aber als am nächsten Morgen alle möglichen Stellen zweimal, dreimal durchsucht sind, wird es zur Gewissheit: Der Geldbeutel ist weg. Und mit ihm sämtliche Papiere, Ausweise, Karten - alles, was man im täglichen Leben braucht. Wirklich alles! Von den 160 Euro Bargeld gar nicht zu reden. Wem dieses Missgeschick schon mal widerfahren ist, der weiß: Die sind am leichtesten zu verschmerzen. Denn es dauert Wochen, ja Monate, bis man alle wichtigen Unterlagen wieder zusammen hat. Telefonieren, erklären, Behörden aufsuchen, Anträge stellen, Erklärungen ausfüllen, warten. Das kostet nicht nur Zeit, sondern vor allem Nerven.

Doch als Allererstes müssen die beiden Kreditkarten und die EC-Karte gesperrt werden. Zum Glück gibt es Notrufnummern, die, oh Wunder, selbst am Sonntag funktionieren. Aber es bleibt ein banges Gefühl: Hoffentlich hat sich der Finder nicht schon bedient und die Konten abgeräumt.

Nach einer unruhigen Nacht am Montag früh gleich bei der Bank anrufen. Gott sei Dank ist bislang nichts passiert. Keiner hat das Konto geplündert. Schwein gehabt. Aber die Dinge werden dauern. Eineinhalb Wochen, bis die neue EC-Karte da ist. Wohl gemerkt, von der Bank aus Bayern, über seit vielen Jahren auch in der Fremde sämtliche Geldgeschäfte online laufen. Das wird nun zu einem echten Problem. Denn Geld aus dem Automaten holen, geht ohne EC-Karte nicht. Da in der Wohnung bestenfalls 20 Euro herumliegen, bleibt wohl nichts anderes übrig, als sich von Freunden Geld auszuleihen, bis man wieder flüssig ist.

Vielleicht hat ihn jemand im Fundbüro abgegeben? Unwahrscheinlich, aber nachfragen kann man ja mal. Im selben Augenblick dämmert es: Am Samstagnachmittag gab es eine hektische Situation. Im 111er-Bus in Esslingen. Vor lauter Whatsapp-Schreiben wäre der Bus auf der Neckarhalde ums Haar zu weit gefahren. Aber es klappte gerade noch. Fix alle Einkaufstaschen eingesammelt und nichts wie raus, bevor die Türen zu sind und der Bus weiterfährt.

Da könnte in der großen Eile… Tatsächlich. Beim Busunternehmen Schlienz braucht der Anrufer nur seinen Namen zu nennen und schon erlöst ihn die freundliche Dame im Büro. „Ja, Herr Flößer, wir haben ihren Geldbeutel.“ Der Busfahrer habe ihn nach seiner letzten Fahrt entdeckt. Selbst die 160 Euro sind noch drin. Es ist, als hätte man einen Teil seines Lebens wieder gefunden. Schwein gehabt.