Pflanzlich ist Trend

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Ein Leben ohne tierische Produkte - für viele ist das kaum vorstellbar. Für etwa eine Million Menschen in Deutschland gehört das jedoch zum Alltag. Veganismus ist im Kommen - auch vor dem Kreis Esslingen macht der Trend nicht halt. Hier hat sich eine Gruppe zusammengefunden, die einen monatlichen veganen Stammtisch veranstaltet.

Auf dem Speiseplan stehen an diesem Abend Maisgrießschnitten mit verschiedenem Gemüse, Gnocchi mit Linsenragout und Nudeln mit Pesto. All diese Gerichte sind rein pflanzlich, manche stehen in Staigers Waldhorn in Plochingen gar nicht im Menü, wurden extra für den veganen Stammtisch angeboten. Das Waldhorn ist kein speziell veganes oder vegetarisches Restaurant, trotzdem hat die Gruppe des veganen Stammtischs beschlossen, das monatliche gemeinsame Essen dort stattfinden zu lassen. „Wie oft kommt es schon vor, dass man zwischen fünf, sechs Gerichten wählen kann“, fragt Oliver Werner, einer der Organisatoren des Stammtischs. Man ist eben nicht wählerisch als veganer Gast im Restaurant. Wobei sich die Lage in den vergangenen Jahren schon sehr gebessert hat, da sind sich alle einig. Auch in Supermärkten füllen die als rein pflanzlich ausgezeichneten Produkte inzwischen ganze Regalreihen. Veganismus ist Trend.

Aber nicht jeder Teilnehmer beim veganen Stammtisch ist auch wirklich Veganer. Auch Vegetarier sind willkommen, an diesem Abend sind sogar zwei Fleischesser dabei. „Niemand reißt euch den Kopf ab, wenn ihr etwas nicht-veganes bestellt“, sagt Ina M. schmunzelnd. Von Militanz, die Veganern oftmals vorgeworfen wird, ist beim Stammtisch keine Spur. „Wenn ich zum Essen eingeladen bin, frage ich auch nicht explizit bei jeder Zutat nach“, sagt auch Laura W. Sie macht zudem eine Ausnahme bei Honig und facht damit eine Diskussion in der Runde an. Ist Honig vegan? Er entstammt keinem Tier, sagen die einen. Bei seiner Herstellung werden aber Tiere ausgebeutet, argumentieren andere.

Nicht alle in der Runde sind allein aus Gründen des Tierschutzes vegan geworden. Oliver Werner erzählt davon, wie ihn der Skandal um Pferdefleisch vor einigen Jahren zum Nachdenken gebracht hat. Laura W. ging es darum, ihre Ernährung gesünder zu gestalten. „Ich habe damit angefangen, Zucker zu vermeiden, dann erst habe ich Fleisch, Eier und Milchprodukte weggelassen.“ Am schwersten sei es ihr gefallen, auf Käse zu verzichten. Gelohnt habe es sich aber allemal: „Ich fühle mich seitdem viel wacher und fitter“, sagt sie. Zudem sei ihre Haut besser. Birgit Holderby erzählt, dass sich die Cholesterin-Werte ihres Mannes durch die Ernährungsumstellung gebessert haben. Patrick Stoll berichtet, dass er zuvor sehr allergiegeplagt gewesen sei. „Das hat sich gebessert.“

Er ist an diesem Abend zum ersten Mal beim veganen Stammtisch für Esslingen und Umgebung. Aufmerksam geworden auf die Veranstaltung ist der Denkendorfer durch Facebook - wie die meisten anderen Teilnehmer auch. Die Gruppe „Esslingen Vegan“ zählt etwa 350 Mitglieder, viele auch aus dem Kreisgebiet. Die zehn Personen an diesem Abend wohnen in Denkendorf, Neuhausen, Ostfildern, Esslingen sowie Plochingen, und sogar eine Teilnehmerin aus Stuttgart-Zuffenhausen ist dabei. Das war nicht immer so. „Zwischendurch ist der Stammtisch eingeschlafen, da saßen wir manchmal nur noch zu dritt da“, erzählt Ina M. Im vergangenen Jahr haben sie und Oliver Werner es dann in die Hand genommen, die Veranstaltung wiederzubeleben. Jetzt soll wieder am zweiten Dienstags jedes Monats vegan gegessen werden.

Dabei ist das Essen beim Stammtisch eher nebensächlich. Laura W. genießt es, dass sie sich eben nicht für ihre Ernährung rechtfertigen muss, sondern mit Gleichgesinnten sein und über ganz andere Dinge reden kann. Birgit Holderby holt sich beispielsweise Tipps für Wanderausflüge in der Region und fragt, ob schon einmal jemand aus der Gruppe beim veganen Lauftreff „Laufen gegen Leiden“ dabei war. Oliver Werner erzählt von seiner Tätigkeit als Stadtrat in Ostfildern. Schnell dreht sich das Gespräch um Entwicklungen in der Politik, um das Leben in der Stadt, den Feinstaub in Stuttgart und die Verspätungen der Deutschen Bahn. Ganz normale Gespräche eben. Und das vegane Essen hat auch den Fleischessern geschmeckt.

Der nächste vegane Stammtisch findet am 14. März statt. Das Restaurant wird noch bestimmt. Interessierte finden die Veranstaltung auf Facebook unter dem Namen „Veganer Stammtisch Esslingen und Umgebung“.

Daten und Fakten

Veganer meiden alle tierischen Produktewie Fleisch, Fisch, Milch, Eier und Honig. Eine vegane Lebensweise beschränkt sich jedoch nicht nur auf Essgewohnheiten, sondern schließt alle Lebensbereiche mit ein: Vegan lebende Menschen benutzen pflanzliche Kosmetik ohne Tierversuche und kaufen Kleidung, die keine tierischen Stoffe enthält wie Pelz, Leder oder Wolle. Sie meiden alle Formen der Ausbeutung von Tieren, so auch Zoos oder Zirkusse, die Tiere zur Schau stellen.

Die Bezeichnung „vegan“ entstand laut Vegetarierbund Deutschland (Vebu) 1944: Donald Watson, der Gründer der britischen Vegan Society, der weltweit ersten veganen Organisation, setzte den Begriff aus den Anfangsbuchstaben und dem Ende von „veg-etari-an“ (deutsch: vegetarisch) zusammen. Der Jahrestag der Gründung der Vegan Society wird seit 1994 als Weltvegantag gefeiert.

In Deutschland leben nach Angaben des Vebu etwa 7,8 Millionen Menschen vegetarisch und 900 000 vegan, Tendenz steigend. Statista geht sogar von 1,3 Millionen Veganern aus (Stand 2016). Dabei gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede: 1,05 Millionen weiblichen Veganern stehen 0,25 Millionen männliche gegenüber.

Das erste Kochbuch, welches das Wort „vegan“ im Titel trug, war das 1946 veröffentlichte Werk „Vegan Recipes“ („Vegane Rezepte“) von Fay K. Henderson.