Die Nachwuchsbands haben eine hohe Anziehungskraft, der Schlosskeller ist vollbesetzt. Foto: Ait Atmane Quelle: Unbekannt

Seit 1986 ist Peter Jahn Bürgermeister in Denkendorf. Im Kreis Esslingen ist nur Martin Fritz aus Großbettlingen länger im Amt. Für seine 30-jährige Amtszeit ist der 61-Jährige nun mit der Stele des baden-württembergischen Gemeindetags ausgezeichnet worden. Der Gemeinsinn im Ort und Aufgaben, die über die Gemeindegrenzen hinausgingen, machten für Jahn die Arbeit immer befriedigend.

Konnten Sie sich vor 30 Jahren vorstellen, dieses Amt so lange auszuüben?

Jahn: Vor 30 Jahren habe ich mir zunächst keine Gedanken über die erste Wahlperiode hinaus gemacht. Ich konnte mir zwar vorstellen, das Amt länger innezuhaben, aber ein Wahlamt bringt stets ein Risiko mit sich. Mein Streben war, in diesen acht Jahren etwas auf die Beine zu stellen. Es passt nicht zu einem demokratischen System, auf die dritte oder vierte Amtsperiode zu schauen. Ich habe den Wahlen auch nie besorgt entgegen gesehen.

Sie hatten bei den drei Wiederwahlen nie einen Gegenkandidaten. Das heißt, die Denkendorfer müssen einigermaßen mit Ihnen zufrieden gewesen sein.

Jahn: Bei der ersten Wiederwahl ist ein Dauerkandidat gegen mich angetreten, aber nie ein wirklicher Konkurrent. Ich glaube, mir ist immer eine positive Stimmung in der Gemeinde begegnet. Bei allem Ringen um Positionen habe ich einen wertschätzenden Umgang erlebt. Man ist fair mit mir umgegangen und ich bemühe mich, den Menschen ebenso zu begegnen. Ich sehe mich als Ideengeber und Initiator, aber da es stets verschiedene Lösungsansätze gibt, bin ich oft in der Rolle als Moderator gefragt. Ich glaube, ich habe mir die Sensibilität für andere Argumente bewahrt.

Die Anforderungen an einen Bürgermeister sind nicht kleiner geworden. Was ist schwieriger?

Jahn: Die Art und Weise, wie Bürger ihre Anliegen vorbringen, hat sich verändert. Ihr Anspruch ist, nicht nur gehört zu werden, sondern mitzugestalten. Die Verwaltung wird intensiver gefordert. Die Bürger sind gut informiert, wenn es darum geht, ihre Interessen zu vertreten. Eine Gemeinde und ihr Bürgermeister sind auch gefordert, wenn es um die Gestaltung der persönlichen Lebensbedingungen ihrer Bürger geht: Wir müssen uns um die Betreuung von Kindern und Senioren kümmern, müssen schauen, dass Beruf und Familie oder Beruf und Pflege besser vereinbar sind.

Der Lärmschutz ist ein Thema, das die Bürger in den vergangenen Jahren immer wieder an Sie herangetragen haben.

Jahn: Wir haben da auch viel erreicht. Wir haben einen 2,5 Kilometer langen Lärmschutz entlang der Autobahn erhalten, auf unsere Initiative hin ist der erste regionale Lärmminderungsplan aufgestellt worden. Wir haben das Land mit auf den Weg genommen und den Bund mit ins Boot geholt. Denkendorf liegt am Rand der Großstadt und das bringt nicht nur Vorteile, sondern auch Schattenseiten mit sich. Lösungen sind hier meist nicht schnell erreichbar und setzen einen längeren Dialogprozess voraus.

Ein Dialog über die Gemeindegrenze hinaus . . .

Jahn: Hier muss man immer versuchen, mit anderen Ebenen zu einer Lösung zu kommen. Deshalb halte ich den Kommunalen Arbeitskreis Filder für so wichtig. In dieser Runde sehe ich mich als Netzwerker und habe oft die Initiative ergriffen. Ich verfechte das starke, interkommunale Auftreten.

Aber die Nachbarn spielen nicht immer so schön mit.

Jahn: Es ist uns aber schon einiges gelungen, zum Beispiel der Zweckverband zum Hochwasserschutz an der Körsch. Am Unterlauf ist Denkendorf von dieser Gefahr am meisten betroffen. Die Gefährdung ist größer geworden, aufgrund von Klimaveränderung und der Aufsiedlung der Filder. Deshalb ist es gut, dass wir erste Erfolge verzeichnen können, etwa mit Regenrückhaltebecken. Es bereitet mir Freude, dass in Denkendorf aufgrund seiner besonderen Lage Themen zu beackern sind, die über die Gemeindegrenzen hinausgehen. Vielleicht hat diese Herausforderung mich so lange hier gehalten.

Es sind aber hoffentlich nicht nur die überörtlichen Themen, die Sie hier gehalten haben.

Jahn: Gewiss nicht. In Denkendorf herrscht ein großer Gemeinschaftssinn. Und es ist der größte Schatz einer Gemeinde, wenn sich ihre Bürger mit ihr identifizieren und sich einbringen. Ich hatte wichtige Wegbegleiter, um nur einige zu nennen: Richard Silber, der langjährige Vorsitzende der ARGE der Vereine, genauso sein Nachfolger Fritz Drechsler, der beispielsweise den Bürgerbus umgesetzt hat. Oder Herwig Tonn, der sich über viele Jahre im Kulturbereich engagiert hat. Jetzt stehen wir vor der Herausforderung, dass sich junge Menschen nicht so lange an ein Ehrenamt binden wollen, sondern sich eher für ein Projekt engagieren.

Begegnungen hat auch die Partnerschaft mit Meximieux gebracht, die nun ebenfalls das 30-jährige Bestehen feiert.

Jahn: Das war schon zu Beginn meiner Amtszeit ein Highlight. Von Alt-Bürgermeister Dietrich auf den Weg gebracht, haben wir einen Beitrag zur Völkerverständigung geleistet, insbesondere durch den Schüleraustausch. In diesen 30 Jahren habe ich unzählige schöne Begegnungen erlebt und ich freue mich, dass nun zum Maifest gut 70 Gäste aus Frankreich kommen.

Wenn Sie eine vorläufige Bilanz ziehen - welche Meilensteine sind in Denkendorf in diesen 30 Jahren gesetzt worden?

Jahn: In diesen 30 Jahren sind etwa 103 Millionen Euro investiert worden - ohne dass ich nur einen Cent Kredit aufgenommen hätte. Denkendorf hatte damals, nach einigen Großprojekten, 1,7 Millionen Euro Schulden. Heute sind wir nicht nur schuldenfrei, sondern haben fast 20 Millionen Euro Rücklage. Wenn Sie durch Denkendorf fahren, sehen Sie gute Straßen. Wir haben das Straßenbild immer nach einem klaren Konzept gestaltet, nicht nur die Oberfläche ausgebessert, sondern auch als eine der ersten Kommunen das Kanalnetz analysiert. Dieser Maßstab gilt für die gesamte Infrastruktur unserer Gemeinde.

Was waren die Schwerpunkte im Hochbau?

Jahn: Wichtige Gebäude wurden schon in der Ära Dietrich erstellt. Ich habe dafür gesorgt, dass ständig der Sanierungszug unterwegs war. Aktuell ist die Albert-Schweitzer-Schule dran. Das Rathaus wurde in den 90er-Jahren komplett saniert und erweitert. Wir haben mit dem Café einen Platz gestaltet, der die Ortsmitte stärkt. Die Einrichtung des D-Punktes war ein weiterer Beitrag dazu. Im Zug der Ortskernsanierung ist es gelungen, den Bereich ums Schafhaus zu stabilisieren. Einige Neubauten sind natürlich zu erwähnen: das Kinderhaus, der Kindergarten am Maierhof, wir haben den Weg fürs Martin-Luther-Pflegeheim freigemacht. Das Jugendhaus Focus, damals umstritten, ist heute als Partner in der Sozialarbeit nicht mehr wegzudenken ist. Das Haus der Sozialen Dienste wurde eingerichtet und mit dem Pflegestützpunkt war Denkendorf bundesweites Modellprojekt. Mir war an keinem einzigen Tag langweilig.

Wie stark hat der Posten ihr Privatleben beeinflusst?

Jahn: Der Beruf des Bürgermeisters bedeutet schon einen Eingriff ins Privatleben. Ich erinnere mich an einen Freibad-Besuch mit meinen kleinen Kindern. Mein Weg vom Liegeplatz bis ins Becken hat so lang gedauert, dass die Kinder schon mit blauen Lippen am Beckenrand saßen und sich beschwert haben: ‚Mit dir kann man nicht ins Feribad und nicht spazieren gehen‘. Dennoch habe ich zuhause immer Verständnis gefunden. Wenn meine Frau nicht zu meinem Beruf gestanden wäre, hätte ich dieses Pensum nicht bewältigen können. Ich selbst habe es nie als belastend empfunden, sondern immer gern das Gespräch mit den Bürgern geführt.

Sie sind nun 61 Jahre alt und die jetzige Amtsperiode dauert noch zwei Jahre. Was kommt dann?

Jahn: Die Frage steht nicht im Zentrum meiner Gedanken. Ich habe den Auftrag für acht Jahre und ich will maximale Leistung bringen solange ich hier arbeite. Ich hoffe, dass meine Gesundheit weiter stabil ist.

Was wollen Sie in diesen zwei Jahren auf jeden Fall noch umsetzen?

Jahn: Ich versuche nicht, in persönlichen Prioritäten zu denken. Es wird auch nach diesen zwei Jahren weitergehen. Faszinierend finde derzeit die Gestaltung des Areals rund ums Kloster, der Keimzelle unserer Gemeinde. Wir haben die Evangelische Landeskirche dazu bewegt, eine nachhaltige Lösung anzustreben und werden nach der Zwischennutzung als Flüchtlingsunterkunft ein weiteres Pflegeheim erhalten. Wir verfolgen ambitioniert die Idee, den Erlebniswert des Klosters und der nahen Körsch zu erhöhen. Auch hier empfinde ich meinen Beruf als faszinierend: Ich kann Ideen geben und gestalten. Das geht aber alles nur im Miteinander. Mein Dank gilt deshalb dem Gemeinderat, den Mitarbeitern, die mich stützen und einer Bürgerschaft, die mich motiviert.

Das Interview führte Roland Kurz.