Saskia Melches lässt sich den Spaß nicht nehmen. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Greta Gramberg

„Trotz meiner Einschränkung möchte ich mir mein Leben nicht nehmen lassen“, sagt Saskia Melches. Wegen einer Muskelkrankheit sitzt sie im Rollstuhl und kann auch ihr Arme nicht selbst anheben. Trotzdem hat sie vom 30. März bis 16. April etwas gewagt, was sich so mancher „Fußgänger“ nicht traut. Sie ist nach Peru geflogen und hat dort einige Tage lang im Regenwald gelebt - eine beschwerliche Reise mit ungewöhnlichen Verkehrsmitteln, auf der die 34-Jährige aber vor allem viel Hilfsbereitschaft erfahren hat.

„Fußgänger“ nennt Melches diejenigen, die nicht im Rollstuhl sitzen. Früher habe sie solche Menschen die „Normalen“ genannt. Aber mittlerweile hat die Frau, die sich mitunter im Verein „Mobil mit Behinderung“ engagiert, ihr Selbstbild geändert: Mit farbenfroher Kleidung und schulterlangen Haaren, die auf einer Seite kurz geschoren sind, hat sie ihren ganz eigenen Stil. Früher sei sie wie ein graues Mäuschen herumgelaufen, während sie mittlerweile gelernt habe, anzuziehen und zu tun, was ihr gefällt, sagt die 34-Jährige. „Auffallen tu ich sowieso.“

Ein wenig Skepsis war da

Im Alter von 17 Jahren begann Saskia Melches Krankheit, die ihr immer mehr Bewegungsfreiheit nahm. Anfangs sei es schwer gewesen, sich mit diesem Schicksal abzufinden. Doch nun sagt sie, sie lasse sich nichts nehmen, was Spaß macht. Mit Assistenten, die ihr 24 Stunden am Tag helfen, und einem elektrischen Rollstuhl, den sie selbst bedienen kann, kommt sie gut klar. Die Reise an den Amazonas anzugehen, war aber dennoch eine Entscheidung, die sie nicht ohne Vorbehalte getroffen hat.

„Es ist nicht so, dass man sagt: Ich fahre da mal hin“, sagt Melches. Bereits vor zehn Jahren hatte sie im Fernsehen eine Reportage über den heilenden Schamanen Don Augustin gesehen, der im tropischen Regenwald nahe der peruanischen Stadt Iquitos wirkt. Das sei ihre Anfangszeit im Rollstuhl gewesen und sie habe sich gesagt: Wie soll das gehen, damit im Dschungel? „Damals wäre ich nicht offen dafür gewesen“, weiß Saskia Melches heute. Darum hat sie die Reise erst vor wenigen Monaten angetreten, gemeinsam mit ihrer Mutter, einem Freund und einer Assistentin.

Wie ein „Fußgänger“ ist Saskia Melches das Projekt aber nicht angegangen: „Es war mir bewusst, dass es nicht leicht wird.“ Erstmal musste geklärt werden, ob der Schamane das Okay gibt, die Rollstuhlfahrerin in seinem Camp aufzunehmen. „Und dann haben wir überlegt, wie kriegen wir mich in den Dschungel?“ Klar war, dass ihr elektrisches Gefährt im Urwald keinen Sinn macht, weshalb sie einen Aktivrollstuhl eingepackt hat sowie Tücher und Alustangen, sodass Melches von vier Personen getragen werden konnte. Im Voraus haben sie und ihre Begleiter deshalb auch schon hierzulande geübt, wie man sie etwa am besten in ein Auto bugsiert.

Die größten Bedenken hatte die Rollstuhlfahrerin in puncto Transport durch den Regenwald. Doch mithilfe des Reiseleiters vor Ort und einem Dolmetscher haben sich immer hilfsbereite Peruaner gefunden, die sie etwa über schmale Treppen auf das Boot trugen, das sie über den Amazonas von Iquitos in den Ort Tamshiyacu brachte. Und von dort aus barfuß eine dreiviertel Stunde durch den Regenwald. Erst im Nachhinein hat Melches auf Fotos gesehen, über welch schmale Stege und steile Abhänge die Männer sie trugen. „Das war vielleicht nicht schlecht so, weil es mich sonst mehr Überwindung gekostet hätte“, sagt die 34-Jährige. Lediglich den Rückweg durch den Urwald fand Melches beschwerlich: Aufgrund starker Regenfälle musste ein anderer Weg genommen werden, auf dem es sehr holprig zuging.

Jederzeit wieder

Auch ihre Zeit in dem Camp des Schamanen aus Holzhütten, in dem Melches zwölf Tage Heilbehandlungen erhielt, verlief ohne große Probleme. Entgiftung, Pflanzensud und Meditation, eine magische Operation sowie schmerzhafte Massagen haben wirkt: Einige Verspannungen ihrer Muskeln hätten sich gelöst. Allgemein hat es ihr dort gefallen: Gutes Essen, atemberaubender Sternenhimmel, ein paar zeitlose Tage. „Am schwersten gefallen sind mir Reis essen, die ständig klamme Kleidung und die Moskitos“, sagt die 34-Jährige. „Ich hätte es mir noch viel schwieriger und anstrengender vorgestellt. Ich würde es wieder tun.“

Allerdings weiß sie, dass es für ihre Assistentin, ihre Mutter und ihren Kumpel anstrengend war. Ihnen, den hilfsbereiten Peruanern und dem Rest der Reisegruppe, der nicht körperlich eingeschränkt war, dankte Saskia Melches am Ende. Sie hätten geantwortet, dass sie für sie eine Bereicherung gewesen sei. Solche Hilfsbereitschaft und mehr inklusive Reisen wünscht sich Saskia Melches auch für andere Rollstuhlfahrer. Zudem sollten Kostenträger Menschen mit Behinderung mehr unterstützen. „Oft ist es so, dass sie großen finanziellen Mehraufwand haben, weil sie Assistenz brauchen und in spezielle Hotels gehen müssen.“ So seien Reisen finanziell oft nicht machbar. Saskia Melches hat deswegen in nächster Zeit keinen weiteren Trip geplant.

„Es war klar, dass ich mich noch mehr auf Hilfe einlassen muss als zuhause“, sagt Saskia Melches. Peruanische Männer haben sie selbst auf schmalen, unebenen Wegen durch den Urwald getragen.Foto: oh