Bis zum Jahresende wird die Gemeinde Deizisau 56 neue Einwohner haben: Flüchtlinge, die schon länger in Deutschland sind und die von der Erstunterbringung in die sogenannte Anschlussunterbringung kommen. Der Gemeinderat hat sich für eine dezentrale Lösung entscheiden und bereitet mehrere Häuser vor. In ein älteres Gebäude in der Kirchstraße werden im Juni die ersten Flüchtlinge aus Syrien einziehen.

Von Roland Kurz

Ein gelber, witzig gemeinter Aufkleber auf der Zimmertür empfiehlt: „Vor Betreten des Zimmers: tief durchatmen, entspannen, mit dem Schlimmsten rechnen“. Ganz so schlimm wird es hoffentlich nicht, aber draußen Luft holen - das hilft vielleicht, wenn hier demnächst fünf Männer in zwei Stockbetten und einem Einzelbett schlafen. „Es ist nicht so, dass man gern hier wohnen möchte“, sagt Anna Osdoba, stellvertretende Hauptamtsleiterin, beim Rundgang durch das Haus Kirchstraße 1. Die Gemeinde stellt das Nötigste, denn Anschlussunterbringung bedeutet nicht mehr als Vermeidung von Obdachlosigkeit, wenn jemand selbst keine Wohnung findet.

Man versuche, nicht unter acht Quadratmetern Fläche pro Person zu kommen, erklärt Osdoba. In der Erstunterbringung durch den Landkreis haben Flüchtlinge Anspruch auf 4,5 Quadratmeter. Zehn Männer sollen ins Dachgeschoss Kirchstraße 1 einziehen. Die Heimleitung der Erstunterbringung werde darauf achten, dass Männer kommen, die sich verstehen, sagt Osdoba. Die zwei Schlafzimmer werden keine Privatatmosphäre zulassen, doch dafür gibt es zwei Aufenthaltsräume. Wegen der Dachschrägen lassen sich dort keine Betten aufstellen. Die Dusche hat einen ungewöhnlichen Platz gefunden: im Flur hinter einer Faltwand. Und auch der erste Stock in der Kirchstraße strahlt die Atmosphäre der 50er-Jahre aus. Eine türkisgrüne Badewanne ist von gelben Fliesen umrahmt, und im gleichen Raum befindet sich die Küchenzeile. Ein Schlafzimmer und ein Aufenthaltsraum ergänzen die Wohnung, in der die Gemeinde gerne eine Familie unterbringen würde.

Die Wohnung im Erdgeschoss ist fast bezugsfertig. Im Schlafzimmer stehen zwei Stockbetten aus Metall auf einem rosafarbenen Teppich, ebenso die Spinde. An dem schmalen Tisch im Wohnzimmer können zwei Personen essen, für die zwei anderen steht ein Tischchen in der Küche. Dusche und WC wirken erstaunlich modern in der niedrigen Wohnung. Als erstes werde man den Ankömmlingen erklären, wie der Ölofen funktioniere, sagt Anna Osdoba mit Blick auf das antike Stück. Zentralheizung hat das Haus also nicht, aber es liegt zentral - im Gegensatz zur Erstunterbringung im Gewerbegebiet.

Um die Quote der Anschlussunterbringung zu erfüllen, bereitet Deizisau weitere gemeindeeigene Gebäude in der Ortsmitte vor: in der Brunnen, der Schul-, der Olga-, der Uhland-, der Silcher- und der Werthstraße. Vor den Sommerferien will Bürgermeister Thomas Matrohs dem Landkreis die ersten 30 Plätze anbieten, zu Beginn des vierten Quartals die restlichen 26 Plätze. Wie viel der Umbau der Häuser die Gemeinde kostet, kann die Verwaltung noch nicht sagen. Die Abrechnungen liegen noch nicht vor. Der Bauhof und der Hausmeister des Rathauses sind mit den Arbeiten aber derzeit gut beschäftigt.

Für die Anschlussunterbringung haben die Flüchtlinge keine Mietverträge, denn formal handelt es sich um eine Einweisungsverfügung. Dafür haben die Bewohner eine Gebühr zu bezahlen: pro Wohnplatz monatlich 139,65 Euro. Solange die Flüchtlinge aber keine Arbeit haben, muss der Landkreis finanziell einspringen. Die Gemeinde ist auch mit privaten Vermietern im Gespräch, die bereit sind, an Flüchtlinge zu vermieten.

Um die 56 neuen Einwohner ins Dorfleben zu integrieren, kooperieren mehrere Institutionen: Orts- und Kreisjugendring, Zehntscheuer, Kirchen, AWO und die Plochinger Brücke. Sollten mehr Familien mit Kindern kommen, dann geht es auch um die Integration in Schule und Kindergarten und entsprechende Kapazitäten.