Neu in Esslingen: Osiander-Inhaber Heinrich Riethmueller (links) und Filialleiter Andreas Foth. Foto: Kaier - Kaier

Von Alexander Maier

Für den Esslinger Buchhandel geht eine Ära zu Ende: Nachdem sich erst vor wenigen Wochen Marianne Rist von Stocker & Paulus, der ältesten Buchhandlung der Stadt, verabschiedet hatte, erlebt nun die Traditionsbuchhandlung H. Th. Schmidt eine Zäsur. Eva Berndt übergibt ihr Geschäft an die Osiandersche Buchhandlung aus Tübingen, die von heute an auf der Inneren Brücke das Sagen hat und zudem eine weitere Buchhandlung in der Pliensaustraße 17 eröffnet. So erlebt die Branche in Esslingen binnen weniger Wochen einen Umbruch. Trotzdem sind die Akteure gelassen: Während man bei Osiander davon ausgeht, dass der Markt in der Stadt noch Spielräume bietet, setzen die anderen Buchhändler darauf, dass sie die richtigen Nischen und damit auch ein treues Stammpublikum gefunden haben.

Abschied mit gemischten Gefühlen

Eva Berndt fällt der Abschied von ihrer Buchhandlung sichtlich schwer: 1921 hatte ihr Großvater Hermann Theodor Schmidt das Geschäft gegründet, später übernahm sein Sohn Volker das Unternehmen – seit 2008 wird H. Th. Schmidt in dritter Generation von Eva Berndt geführt. „Und ich hätte diese Tradition gerne weitergeführt, weil mir dieses Haus, die Firma, die Mitarbeiter und die Kunden sehr ans Herz gewachsen sind“, gibt sie zu erkennen. Dass sie sich trotzdem zur Geschäftsübergabe an Osiander entschlossen hat, hatte Gründe: „Ich bin jetzt 65 und hatte gehofft, die Buchhandlung in jüngere Hände geben zu können. Leider fand sich kein Nachfolger.“

Deshalb hat sich Eva Berndt ihre Gedanken gemacht, als Osiander vor einigen Monaten anklopfte. „Es war klar, dass Osiander auf jeden Fall ein Geschäft in der Pliensau eröffnen würde. Mit Blick auf meine Nachfolge und die sich abzeichnende Konkurrenz habe ich mich zum Verkauf entschlossen. Osiander ist wesentlich größer, aber dennoch ein Familienunternehmen. So habe ich das Gefühl, dass meine Buchhandlung in guten Händen ist und meine Mitarbeiter auch.“ Gestern hat Eva Berndt mit zahlreichen Stammkunden einen stilvollen Abschied gefeiert, der jedoch nicht für immer sein soll. Denn mit Buch Schmidt in der Bahnhofstraße behält sie vorerst ihr zweites Geschäft, das bereits unter eigener Flagge gesegelt war: „Ich werde mich gerne weiter um diese kleine, feine Buchhandlung kümmern, die wir vor einem Jahr eröffnet haben. Und ich weiß, dass viele Kunden gerne dorthin gehen. Mit drei Top-Buchhändlerinnen ist sie gut aufgestellt, es wird Lesungen geben, und wir zeigen ein eigenständiges Profil.“

Für die Osiandersche Buchhandlung ist es ein doppelter Neubeginn in Esslingen, weil neben dem Traditionshaus H. Th. Schmidt auf der Inneren Brücke in der Pliensaustraße eine weitere Filiale mit rund 200 Quadratmetern Verkaufsfläche eröffnet wird. Filialleiter Andreas Foth und sein Team werden dort von heute an ein breites Sortiment vorhalten. „Wir sehen beide Standorte in Esslingen als eine Einheit“, erklärt Osiander-Geschäftsführer Heinrich Riethmüller, der zuletzt regelmäßig in Esslingen präsent war und beim Aufbau der neuen Filiale kräftig mit angepackt hat: „Diese Nähe ist durchaus auch ein Zeichen an unsere Mitarbeiter.“

Neue Kunden erschließen

„In der Pliensaustraße 17 setzt Osiander auf ein allgemeines Sortiment sowie eine große Kinder- und Jugendbuchabteilung“, erklärt Riethmüller. „Das Geschäft auf der Inneren Brücke sehen wir eher als literarische Buchhandlung. Kinder- und Jugendbücher wird es dort weiterhin geben, allerdings nicht mehr im bisherigen Umfang.“ Während die neue Filiale heute ihre Türen öffnet, bleiben die Räume von H. Th. Schmidt bis 5. Juli wegen Inventur geschlossen. Ende August sind Umbauten geplant. Und die Kunden werden weiterhin bekannten Gesichtern begegnen. „Wir haben die Mitarbeiter von Schmidt übernommen“, erklärt Riethmüller. „Darüber sind wir froh, weil sie eine hohe Expertise mitbringen und ihre Kunden kennen.“

Dass sein Unternehmen zwei Buchhandlungen in kurzer Distanz eröffnet, findet Riethmüller sinnvoll: „Wir glauben, dass der örtliche Markt noch nicht voll ausgeschöpft ist. Bei Städten dieser Größe gibt es in der Regel zumindest eine ganz große Buchhandlung. Hier ist alles etwas kleinteiliger – nette, engagierte kleinere Buchhandlungen. Aber es gibt auch v iele Kunden, die flanieren und eine große Auswahl haben wollen. Das hat nach unserem Eindruck bisher in Esslingen gefehlt. Es gibt so viele unterschiedliche Kundentypen, dass jeder seinen Platz finden kann. Konkurrenz belebt das Geschäft.“