Regina Rapp (SPD) Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg

Vor Überraschungen sind Archäologen nie sicher. Das erlebte auch das Grabungsteam um Jörg Bofinger, Referatsleiter Regionale Archäologie im Landesamt für Denkmalpflege. Kurz vor Ende der Ausgrabung eines großen neolithischen Siedlungsareals in Kirchheim machten die Archäologen im vergangenen Jahr einen unerwarteten Fund: Sie stießen auf das mit Goldschmuck und Gagatperlen reich ausgestattete Grab der „Keltendame vom Hegelesberg“. Der Kirchheimer Goldfund gehört für Professor Claus Wolf, Präsident des Landesamts für Denkmalpflege, zu den „Höhepunkten der archäologischen Ausgrabungen“. Dieser und viele weitere Funde belegten einmal mehr, „dass „Baden-Württemberg zu den reichsten archäologischen Fundlandschaften Mitteleuropas zählt“, verdeutlichte Landesarchäologe Professor Dirk Krausse. Er stellte gestern im Esslinger Landesdenkmalamt das druckfrische archäologische Jahrbuch 2015 vor, das in 81 Beiträgen die Ergebnisse von Grabungen im ganzen Land dokumentiert.

„Lackmustest bestanden“

Im Landesamt für Denkmalpflege war das vergangene Jahr aber nicht nur durch Aufsehen erregende Funde geprägt. „Für uns war es auch das Jahr null nach der Strukturreform“ (siehe Infobox), erklärte Claus Wolf. „Diese Zusammenlegung hat inzwischen auch im Bereich der Archäologischen Denkmalpflege ihren Lackmustest bestanden.“ Durch die Bündelung der Aufgaben in einer Behörde sei man nun wieder der Ansprechpartner in Sachen Denkmalpflege, habe Engpässe flexibel ausgleichen und zusätzliches Stammpersonal für den Grabungssektor unbefristet einstellen können. Auch das sogenannte Veranlasserprinzip (Infobox) trägt Früchte. „Es spült viel Geld in unsere Kassen.“

Zudem ist Claus Wolf froh, dass die Archäologen inzwischen bei Bauvorhaben im Land frühzeitig eingebunden werden. Trotz aller positiven Entwicklungen und Signale ist für den Chef der Denkmalpflege aber noch lange nicht alles gut. „In Baden-Württemberg haben wir nach wie vor einen extrem hohen Flächenverbrauch und somit steigt die Gefahr, dass archäologische Befunde verloren gehen.“ Dirk Krausse bereitet jedoch nicht nur die rege Bautätigkeit Sorgen: „Die Zerstörung archäologischer Denkmale durch die extensive Landwirtschaft ist größer als die durch die Bebauung.“

Das im Theiss Verlag erschienene Buch „Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2015“ ist für 21,95 Euro im Buchhandel zu haben.

Rolle rückwärts

Strukturreform:Bis zum Jahr 2004 gab es in Baden-Württemberg ein selbstständiges Landesdenkmalamt. Im Jahr darauf zerschlug der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel die zentrale Behörde und ordnete die Aufgaben den vier Regierungspräsidien im Land zu. Das Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen „war danach nur noch ein Rumpfamt für allgemeine Dinge“, erklärt Professor Claus Wolf, Präsident des Landesamts für Denkmalpflege. So haben seither in Esslingen zwar Restaurierungswerkstätten und Labore ihr Domizil. „Aber alle operativen Angelegenheiten und Entscheidungen lagen in den Händen der jeweiligen Regierungspräsidien“, erläutert der Präsident. Unter der Ägide von Esslingens heutigem Finanzbürgermeister Ingo Rust - in seiner Zeit als Staatssekretär unter anderem für die Denkmalpflege im Land zuständig - wurde diese reorganisiert. „Wir haben jetzt praktisch eine Rolle rückwärts gemacht“, erklärt Claus Wolf. Seit Ende 2014 ist die gesamte Denkmalpflege wieder in Esslingen vereint. „Das macht unsere Arbeit einfacher und deutlich effektiver. Und durch die Bündelung in einer Behörde können auch Engpässe in den Regionen ausgeglichen werden.“

Veranlasserprinzip: Will ein Investor auf dem Gelände eines archäologischen Denkmals einen Supermarkt, ein Mehrfamilienhaus oder ein Fabrikgebäude bauen, gilt nun auch in Baden-Württemberg das sogenannte Veranlasserprinzip. „Der Investor trägt also im Rahmen des Zumutbaren die Kosten für Freilegung, Bergung und Konservierung“, erklärt Claus Wolf. Verschont bleiben im Land der Häuslebauer aber Privatleute. „Wenn Familie XY ein Haus baut und das Pech hat, dass auf dem Grundstück Reste einer römischen Siedlung gefunden werden, dann zahlt das Land.“