Das Gigatronik Smart World Symposium mit Moderator Felix Traier und Stefan Stark (rechts) von BMW im Esslinger Neckar Forum. Carsharing mit einer reinen Elektroflotte und Buchungen sowie weitere Serviceleistungen über Apps - so soll die Zukunft nach Ansicht von BMW aussehen. Foto: oh Quelle: Unbekannt

Esslingen - Seit Jahren sind Autohersteller dabei, ihre Geschäftsmodelle grundlegend zu verändern. Das Tempo dieser Entwicklung nimmt zu. Wo die Autobauer stehen und was die Zukunft bringen könnte, darüber diskutierten 150 Fachleute mit Experten aus der Automobilindustrie, Zulieferern und Wissenschaftlern im Esslinger Neckar Forum beim Gigatronik Smart World Symposium.

Von Stephanie Danner

Der Kunde der Zukunft fragt nicht mehr nur ein Auto nach, sondern Mobilität. Klassische Hersteller müssen künftig also die Nachfrage nach Mobilität befriedigen und reagieren mit verschiedenen Ansätzen und Anwendungen.

BMW setzt mit dem Modell BMWi3 auf die emissionsfreie Mobilität. Hinzu kommen Dienstleistungen, die aufgrund der Vernetzung von Auto und Umfeld möglich werden. Stefan Stark, der sich mit Mobilitätsdienstleistungen innerhalb der BMW-Gruppe beschäftigt, nannte Carsharing als eine Lösung. Schließlich werden private Autos einen großen Teil ihres Lebens gar nicht bewegt. Ein Carsharing-Fahrzeug ersetze sechs Privatwagen, zitierte Stark entsprechende Studien und bekräftigte auf Nachfrage aus dem Publikum, dass sich das für die Autobauer dennoch rechne. „Mit Carsharing erreichen wir eine junge Zielgruppe. Zu 80 Prozent waren sie vorher keine BMW-Kunden.“ Irgendwann kämen auch diese Menschen als Käufer in Betracht.

Das Ideal vom Laden und Parken

Außerdem will man mit Dienstleistung punkten: So wurden Apps entwickelt, die Ladestationen in der Umgebung zeigen und auch wissen, ob der entsprechende Stecker gerade frei ist. 42 000 Stationen in 25 Ländern sind dort registriert. Hinzu kommen Dienste, die das Parken erleichtern. „30 Prozent des innerstädtischen Verkehrs ist Parksuchverkehr“, sagte Stark. Wie einfach, wenn eine App meldet, wo der nächste Parkplatz frei ist - und diesen im Idealfall auch gleich noch reserviert.

Ein Carsharing-Angebot, das BMW seit Kurzem in den USA praktiziert, sieht noch mehr Service vor. Auf Wunsch kann das Auto an einen bestimmten Ort gebracht werden oder man kann sich einen Fahrer buchen. Künftig seien auch geschlossene Nutzergruppen für ein Fahrzeug denkbar, sagte Stark. Zudem soll es die Möglichkeit geben, das eigene Auto - etwa für die Zeit, die man selbst beim Arbeiten verbringt - an die Flotte zu verleihen.

Wesentlich für all diese Neuerungen, das hob Stark hervor, ist die Zusammenarbeit mit den Kommunen. Das gelte auch für Apps, die die Städte selbst entwickeln, zum Beispiel die City-App in Stuttgart. Als sinnvoll bezeichnete er zudem die Zusammenarbeit mit Wettbewerbern wie car2go, wenn es etwa darum geht, Verträge mit Parkhausbetreibern abzuschließen -der dort eine gemeinsame Technik zu implementieren.

Mobilität in Unternehmen mit elektrisierten Fahrzeugflotten ist Gegenstand der Forschung am Fraunhofer Institut in Stuttgart. Gabriele Scheffler untersucht hierzu mit ihrem Team im Anwendungszentrum KEIM, das an der Hochschule Esslingen stationiert ist, den Alltag solcher Flotten. Anhand der 20 Elektroautos verschiedenster Hersteller wurde schnell klar, dass nicht alle Fahrzeuge tags genutzt und abends ans Stromnetz gekoppelt werden können. „Da könnte die Infrastruktur zusammenbrechen“, verdeutlichte Scheffler. Damit solche - zumal teuren - Lastspitzen vermieden werden, müsse es ein entsprechendes Fuhrparkmanagement geben. Das ist wiederum durch Vernetzung und intelligente Anwendungen möglich. Das Fraunhofer Institut nennt seine Plattform EcoGuru. Dort gibt der Nutzer an, wann er für welche Zeit und Strecke ein Auto benötigt und der Ladezustand sowie die Verfügbarkeit von Fahrzeugen ist für Nutzer und Manager in Echtzeit sichtbar. Lasten steuern sei möglich, wenn der Energiebedarf für die Folgefahrten bekannt, die Standzeiten länger als die Ladezeiten und die Ladeinfrastruktur vorhanden ist, erklärte Scheffler. Bei der Auswertung von Ladevorgängen stellten die Wissenschaftler fest, dass an einem 22 Kilowatt-Anschluss in der Realität nur gut 6 Kilowatt abgerufen werden. „Das ist wichtig, um die Ladezeit zu berechnen“, erläuterte Scheffler. Bisher laufe „Living Lab eFleet“ noch als Projekt, Autohersteller hätten die Erkenntnisse bisher nicht genutzt.

Der Fahrzeugtyp ist egal

Scheffler betonte, dass die Rolle des Nutzers beim Carsharing eine andere ist. Sie müsse erkannt und beeinflusst werden, etwa mit Punktevergaben für den Buchungszeitpunkt oder die Wahl des Fahrzeugs. „Da kommt es dann zu einem Wettbewerb zwischen den Nutzern“, sagte Scheffler, deren Befragung ergab, dass es 36 Prozent der Nutzer egal ist, mit welchem Fahrzeugtyp sie unterwegs sind.

Den oft zitierten Satz, man müsse das Internet ins Fahrzeug holen, hält Christian Maihöfer, Projektleiter bei der Stuttgarter Daimler AG, für falsch: „Niemand will im Fahrzeug browsen. Die Menschen wollen Dienste haben“, verdeutlichte Maihöfer. Also müsse man das Fahrzeug ins Internet bringen. Schließlich sei das Auto ein umfangreicher Sensor, der viele Daten liefert, sagte Maihöfer. Die Daimler AG macht das beispielsweise mit dem Remote Service „Mercedes me connect“. Über die App lassen sich zahlreiche Funktionen aus der Ferne steuern. So ist die Standheizung regulierbar oder auch die Verriegelung. Die Ortungsfunktion könne bei Diebstahl helfen, aber auch, wenn der Fahrer sich nicht mehr an den genauen Parkplatz erinnert. Außerdem erinnert die App an den nächsten Wartungstermin oder hilft bei Pannen oder Unfällen weiter.

Gigatronik-Symposium A2A

Die Fachtagung A2A fand in diesem Jahr zum siebten Mal statt. Ursprünglich stand A2A für „Apps to Automotive“, also die Integration von IT-Anwendungen ins Fahrzeug. Darauf hatte sich die Fachtagung anfänglich konzentriert. „Fahrzeuge sind ein Bestandteil der vernetzten Welt. Im Internet der Dinge gibt es mittlerweile ganze Systeme smart vernetzter Produkte. Deswegen haben wir die A2A weiterentwickelt zu einer interdisziplinären Plattform, auf der sich Experten über ihre Erfahrungen mit intelligenter Vernetzung in unterschiedlichsten Bereichen austauschen können“, erläuterte Gigatronik-Veranstaltungsleiter Felix Traier die inhaltliche Konzeption des Symposiums.

Gigatronik ist nach eigenen Angaben einer der führenden Entwicklungs- und Consultingpartner für alle technischen Aufgabengebiete in der vernetzten Welt. In den Kompetenzfeldern Informationstechnologie und Elektronik bietet Gigatronik intelligente Lösungen für Kunden aus der Automobilindustrie und anderen Industriebranchen. Zu den Kunden zählen unter anderem acht der weltweit größten Automobilhersteller. Die Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Stuttgart beschäftigt mehr als 1000 Mitarbeiter an 14 Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Gegründet wurde die GmbH 2001. Der Jahresumsatz betrug im Geschäftsjahr 2015 ungefähr 122 Millionen Euro.