An der Ausgabestelle für Gelbe Säcke im Esslinger Ordnungsamt prangt ein großes Hinweisschild: Jeder darf nur eine Rolle mitnehmen. Foto: Bulgrin

Von Melanie Braun

Roland Braun kann es kaum fassen. Der 67-Jährige wollte jüngst neue Gelbe Säcke holen, und zwar nicht nur für sich, sondern auch für die pflegebedürftigen Eltern, um die er sich zusammen mit seiner Frau kümmert. Doch an der Ausgabestelle im Ordnungsamt wurde ihm eine zweite Rolle der Müllbeutel verwehrt: Jeder dürfe nur eine nehmen, darauf habe eine Mitarbeiterin trotz seiner Erklärungen und Bitten beharrt, berichtet Braun. Für ihn ist diese Regelung völlig unverständlich. Schließlich habe er die zweite Rolle noch nicht einmal für sich selbst nutzen wollen.

Der 67-Jährige ist nicht der Einzige, der sich über diese strikt limitierte Ausgabe der Gelben Säcke ärgert. Immer wieder kämen Beschwerden von Bürgern, heißt es sowohl bei der Stadtverwaltung als auch im Abfallwirtschaftsbetrieb im Landratsamt. Dabei ist weder die eine, noch die andere Behörde für die Gelben Säcke zuständig. Denn diese werden von der Entsorgungsfirma Remondis zur Verfügung gestellt, in Absprache mit der Duales System Deutschland GmbH, die die Entsorgung von Verpackungsmüll organisiert. Remondis sieht in punkto Gelbe Säcke aber weniger sich, sondern vielmehr die Bürger in der Pflicht.

Lagerraum für Müllbeutel fehlt

Gerhard Gorzellik, der Leiter des Ordnungsamtes, beschreibt ein Dilemma. In seiner Behörde befindet sich die einzige Ausgabestelle für Gelbe Säcke in der Stadt - neben der im Landratsamt. Doch man habe gar nicht genügend Lagerraum, um die Müllbeutel in großen Mengen vorzuhalten. Deshalb habe man bereits des Öfteren an Remondis appelliert, doch weitere Ausgabestellen in den Stadtteilen einzurichten, etwa in Supermärkten, wie es beispielsweise in Stuttgart schon länger praktiziert wird - vergeblich: „Wir sind bisher auf taube Ohren gestoßen“, sagt Gorzellik. Dabei sei gar nicht die Stadt, sondern Remondis dafür zuständig, dass die Leute an ihre Gelben Säcke kämen. Die Stadt habe sich lediglich bereit erklärt, die Ausgabestelle zu betreiben.

Diese besteht im Prinzip aus einer Kiste mit Gelben Säcken im Foyer des Ordnungsamtes, auf einem Schild darüber wird darauf hingewiesen, dass stets nur eine Rolle entnommen werden solle. Eine strikte Kontrolle, ob dies eingehalten werde, gebe es zwar nicht, sagt Gorzellik. „Aber wir müssen ja schauen, dass noch etwas da ist, wenn der nächste kommt.“ Dass sich manche durch den Hinweis gegängelt fühlten, tue ihm leid, sei aber nicht so gemeint: „Es ist keine Bösartigkeit der Mitarbeiter, die am Schalter sitzen, wenn sie auf die Regelung hinweisen.“

Auch beim Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises im Esslinger Landratsamt (AWB) kennt man den Unmut über die Verteilsystematik des Gelben Sacks. „Der größte Teil der Beschwerden, die bei uns eingehen, bezieht sich auf dieses Thema“, sagt Manfred Kopp, Geschäftsführer des AWB. Zuständig sei man auch hier nicht, auch wenn man es gerne wäre: Es sei kaum vermittelbar, warum der AWB für diesen Teil der Abfallentsorgung nicht verantwortlich sei, findet Kopp. So habe man weder eine rechtliche Handhabe noch irgendeinen anderen Einfluss in diesem Bereich, man könne lediglich die Beschwerden weitergeben.

Bei Remondis ist man zwar zuständig, hat aber eine etwas andere Sicht auf die Dinge. So ist man hier davon überzeugt, dass die Leute viel zu viele Gelbe Säcke verbrauchen. Veranschlagt sei eine Rolle pro Haushalt im Jahr, sagt Michael Schneider, Pressesprecher der Firma. Die 26 Beutel sollten bei 52 Kalenderwochen und einer Abholung alle zwei Wochen genau reichen, so die Kalkulation. Dem ist aber nicht so. Laut Schneider liegt das vor allem daran, dass viele Bürger die Säcke zweckentfremdeten, etwa als Pflanzenabdeckung oder als Schutz für den Fahrradsattel.

Dabei sei vielen offenbar nicht bewusst, dass die Gelben Säcke zwar für sie umsonst seien, für Remondis hingegen durchaus einen Kostenfaktor bedeuteten. Eine Tüte habe zwar nur einen Wert vom Bruchteil eines Cents, aber in der Menge läppere sich das - zumal die Gesamtfinanzierung des dualen Systems ohnehin sehr knapp bemessen sei. Deshalb versuche man, den Verbrauch nicht ausufern zu lassen. Für jede Ausgabestelle gebe es daher ein abgezähltes Kontingent, das eigentlich reichen müsse.

Keine Obergrenze für Gelbe Säcke

Bei der Duales System Deutschland GmbH (DSD), die die Entsorgung des Verpackungsmülls in Esslingen organisiert, zeigt man durchaus Verständnis für Remondis. „Die Entsorger sehen in vielen Bereichen, dass sie mehr Säcke ausgeben als sie wieder abholen“, berichtet Norbert Völl, Pressesprecher der DSD. Daher sei es nachzuvollziehen, dass das Unternehmen ein Auge auf die Zahl der Beutel habe. Grundsätzlich gebe es aber keine Obergrenze: Die Entsorger müssten so viele Gelbe Säcke zur Verfügung stellen wie benötigt würden, das sei vertraglich festgeschrieben. Zwar werde in Esslingen stets am Anfang des Jahres je eine Rolle Gelbe Säcke an die Haushalte verteilt, doch wenn eine weitere Ausgabestelle gewünscht sei, würde die DSD sich nicht sperren. „Aber an uns wurde dieser Wunsch bislang nicht herangetragen“, sagt Völl.

Für Remondis ist die Zweckentfremdung derweil nicht das einzige Problem bei den Gelben Säcken. Gravierend sei auch die sogenannte Fehlbefüllung, also der Anteil der Dinge, die im Gelben Sack eigentlich gar nichts zu suchen hat, sagt Michael Schneider. Teilweise gebe es bis zu 50 Prozent Fehlwürfe. „Leider hält sich die Mähr, dass wir am Ende ohnehin alles verbrennen und man deshalb auch alles in den Gelben Sack schmeißen könne“, bedauert der Sprecher. Dabei seien für Millionenbeträge Recycling- und Sortiermaschinen angeschafft worden, um die Rohstoffe weiter verwerten zu können. „Im Hinblick auf den Klimaschutz ist es das Beste, zu Hause sorgfältig zu trennen“, betont Schneider. Denn jedes Kilo Verpackungsrohstoff verhindere den Landschaftsverbrauch und senke den CO2-Ausstoß.

das duale system der verpackungsentsorgung

Verordnung: Mit der Verpackungsverordnung, die Anfang der 90er-Jahre erlassen wurde, ist den Herstellern die Verantwortung für die Entsorgung ihrer Produktverpackungen zugeschrieben worden. Weil die Rücknahme von Verpackungen in den Geschäften vor Ort mit Problemen verbunden gewesen wäre, etwa im Hinblick auf Hygiene oder Platzbedarf, wurde dem Handel und den Herstellern erlaubt, eine Organisation zu schaffen, die Verpackungen direkt beim Verbraucher abholt.

Duales System: Als Folge der Verpackungsverordnung wurde deshalb die Duales System Deutschland GmbH (DSD) von Unternehmen der Lebensmittel- und Verpackungsbranche gegründet. Die Bezeichnung „dual“ weist darauf hin, dass das System der Verpackungsentsorgung neben dem öffentlich-rechtlichen System der Abfallbeseitigung aufgebaut wurde. Die DSD arbeitet mit einem Lizenzsystem: Unternehmen, die ihre Produkte auf diesem Weg verwerten lassen möchten, müssen dafür Lizenzgebühren zahlen. 2003 wurde der Markt für den Wettbewerb geöffnet, inzwischen gibt es bundesweit neun Konkurrenzunternehmen zur DSD.

Entsorger: Firmen wie die DSD organisieren die Entsorgung von Verpackungsmüll, indem sie mit den öffentlich-rechtlichen Abfallunternehmen Standards festlegen, nach denen die Dienstleistung dann ausgeschrieben wird. Dafür können sich Entsorger wie Remondis bewerben.