Auf jeden Finger achten: Kai Kilger (links) erklärt dem Jung-Vater Florian Fröhlich, wie man seine Hände richtig desinfiziert. Quelle: Unbekannt

Von Claudia Bitzer

Mit 1700 Gramm ist Johannes Matthes Fröhlich in der 31. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommen. Dem kleinen Mann geht es gut, aber noch liegt er auf der Frühchenstation des Esslinger Klinikums, der einzigen im gesamten Kreis Esslingen. Friedlich an die Brust seine Mutter gekuschelt. Klar, dass Katharina und Florian Fröhlich so oft wie möglich bei ihrem ersten Kind sind. „Und selbstverständlich wollen wir auch, dass die Frühgeborenen so schnell wie möglich Körperkontakt mit ihrer Mutter bekommen sollen“, sagt Klaus Niethammer, Leitender Oberarzt der Abteilung Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin in der Kinderklinik.

Die Hände sind das A und O

Ein ständiger Spagat zwischen Nähe und Infektionsgefahr. „Den Frühchen fehlen noch Abwehrkörper, die in den letzten Schwangerschaftswochen gebildet werden“, erklärt Niethammer. Ihre Haut ist empfänglich für Pilzinfektionen, und wenn sie beatmet werden, über eine Sonde ernährt oder einen Katheder tragen müssen, können sich weitere Infektionswege auftun. Florian Fröhlich hat deshalb dankbar das Angebot angenommen, an der wöchentlichen Hygieneschulung für Frühchen-Eltern in der Kinderintensivstation teilzunehmen. „Die richtige Händedesinfektion ist besonders wichtig“, zeigt Kai Kilger, einer der fünf Hygienefachkräfte des Esslinger Klinikums, wie man die Flüssigkeit nicht nur auf Handrücken und -ballen, sondern auch auf jedem einzelnen Finger verreiben sollte. Am Ende kann Fröhlich seine Hände in einen Schwarzlichtkoffer stecken, den Kilger mitgebracht hat. Dort leuchten die Stellen weiß auf, die noch nicht genügend Desinfektionsmittel abbekommen haben. Das Hygieneteam schult auch regelmäßig Pflegepersonal und andere Mitarbeiter.

Eigene Hygieneabteilung

Mit der Hygiene nimmt man es im Esslinger Klinikum sehr genau, betont Klinikumsgeschäftsführer Bernd Sieber. Und bei den Frühchen mit ihrem noch nicht ausgereiften Immunsystem gelten noch einmal verschärfte Richtlinien. Keime sind etwas ganz Natürliches, sie leben auf der Haut, in Schleimhäuten und im Darm. Aber sie dürfen nicht zur falschen Zeit am falschen Ort sein. Was ein Erwachsener problemlos wegsteckt, kann für die ganz Kleinen und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem gefährlich werden. Das gilt natürlich besonders für die sogenannten multiresistenten Erreger. Diese Problemkeime - der bekannteste heißt Staphylococcus aureus (MRSA) - machen den Medizinern besonders zu schaffen, weil mindestens zwei Antibiotikagruppen gar nichts mehr gegen sie ausrichten können.

Dass Pilze, Bakterien, Viren oder sonstige unerfreuliche Dinge Eingang in ein Krankenhaus finden, lässt sich nicht vermeiden. Entscheidend ist, dass sie rasch entdeckt werden. Findet sich ein bakterieller Störenfried erst nach 48 Stunden ab Krankenhausaufnahme im Körper eines Patienten, geht man davon aus, dass er ihn sich im Krankenhaus zugezogen hat. Schon bei der Einlieferung werden Patienten, die - oft unwissentlich - einen Erreger mit sich herumschleppen könnten, gescannt. Nicht alle, aber solche, die zum Beispiel aus einem anderen Land oder einem anderen Krankenhaus kommen. Oder Menschen aus Pflegeheimen oder mit chronisch offenen Wunden. Bei ihnen werden Abstriche genommen und im Labor untersucht. Wenn notwendig, werden sie dann in separate Zimmer verlegt.

In der Kinderintensivstation wird wöchentlich ein Abstrich von allen Kindern gemacht, das Ergebnis wird regelmäßig mit den Ärzten besprochen. Im Vergleich zu den anderen Patienten ist dabei auch für das Pflegepersonal der Aufwand enorm hoch, berichtet Alexandra Kretschmar, Abteilungsleiterin Pflege. Auch Oberarzt Klaus Niethammer kann vermutlich gar nicht mehr sagen, wie oft er am Tag seine Hände desinfiziert. Und wenn bei einem der Kleinsten auch nur der Verdacht auf einen Erreger besteht, greift er zu Einweghandschuhen und -kittel, bei Bedarf auch zum Mundschutz, um ja nichts ins nächste Zimmer zu schleppen.

20 000 Euro jährlich lässt sich das Klinikum allein die Plastikmäntel kosten. Eine Investition, die sich aus Sicht von Professor Michael Geißler, als Ärztlicher Direktor gewissermaßen der oberste Hygienebeauftragte des Klinikums, auszahlt. Ebenso wie die eigene Hygieneabteilung, die sich längst nicht einfalle Krankenhäuser leisten. Krankenhaushygieniker Jürgen Maier sorgt für die Verbindung zum Labor Enders - und somit wird regelmäßig kontrolliert, befundet und dokumentiert, was sich an Türklinken, Toilettenrändern, aber auch in den Abstrichen der Patienten wiederfindet. Geißler: „Das ist zwar personalintensiv, spart uns unterm Strich aber Geld.“ Schließlich wirke sich die Schließung einer Abteilung oder gar eines ganzen Krankenhauses wegen der Verbreitung eines Problemkeims verheerend auf den Ruf eines Hauses aus. „Wir hatten hier am Esslinger Klinikum noch nie einen epidemiologischen Ausbruch solcher Problemkeime“. sagt Maier. Das Esslinger Krankenhaus liege hingegen seit Jahren beim Vorkommen multiresistenter Erreger unter dem bundesweiten Schnitt, betont Geißler.

Öffentliche Hygiene-schulung

Das Klinikum Esslingen beteiligt sich an der landesweiten Hygiene-Initiative der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG). Sie steht unter dem Motto „Gemeinsam Gesundheit schützen. Keine Keime. Keine Chance für multiresistente Erreger“. Im Foyer des Klinikums ist derzeit eine Ausstellung zu diesem Thema zu sehen. Neben Veranstaltungen für seine Mitarbeiter bietet das Klinikum am 14. November von 15 bis 17 Uhr in der Eingangshalle auch eine öffentliche Hygiene-Schulung für alle an.

www.keine-keime-bw.de