Vorsicht Gegenverkehr: Die Holperstrecke am Neckarufer ist zwischen Bahnhof und Mettingen so eng, dass Radfahrer von einer Zumutung sprechen. Auch für Fußgänger ist die Situation völlig unbefriedigend.     Foto: Kaier - Kaier

Von Hermann Dorn
Im Esslinger Radnetz hat es zuletzt wichtige Fortschritte gegeben. Nur zwei Beispiele seien genannt: Zwischen Stadtmitte und Oberesslingen gehört die Hindenburgstraße zu den längsten Fahrradstraßen in Deutschland. Und am Neckarfreibad ist ein besonders holpriger Abschnitt des Fernradwegs einem ansprechenden Asphaltbelag gewichen. Noch gibt es aber viel zu tun. Zu den größten Schwachstellen gehört der Abschnitt zwischen Bahnhof und Mettingen. Für Radfahrer und Fußgänger ist der Engpass, der zudem mit zahllosen Schlaglöchern und Rissen übersät ist, eine Zumutung. Die Entscheidung einer Jury, den 366 Kilometer langen Neckartalradweg von Villingen bis Mannheim mit vier Sternen zu bewerten, erscheint Kritikern unter diesem Blickwinkel fragwürdig.
Jetzt schickt sich die Stadt Esslingen an, mit einem Schlenker am Hengstenberg-Areal und am Bahnhof eine Alternative zu dieser Etappe anzubieten. Nicht alle Radfahrer sind darüber begeistert. Kritiker stoßen sich an Gerüchten, wonach das aktuelle Teilstück am Neckar künftig nur noch Fußgängern vorbehalten sein soll. Unter Pendlern, die mit dem Rad zur Arbeit fahren, löst das empörte Reaktionen aus. Sie befürchten Zeitverluste und Unfallrisiken.
Tatsache ist: Nach den Plänen der Stadt – sie stehen kurz vor der Verwirklichung – wird die stark befahrene Neckartalroute in Richtung Süden künftig auf Höhe des Hengstenberg-Areals einen Schlenker machen. Die neue Verbindung wird im Anschluss den Bahnhof nicht mehr auf der Rück-, sondern auf der Vorderseite passieren. Auf Höhe der Pliensaubrücke, spätestens aber am Landratsamt erreicht sie wieder die alte Fahrradroute.

Baubeginn im November

Die Arbeiten für die mehr als 500 000 Euro teure Lösung sollen in Kürze vergeben werden. Uwe Heinemann, Leiter des Tiefbauamts, rechnet mit einem Baubeginn im November und einer Freigabe im kommenden Frühjahr. Verwaltung und Gemeinderat haben auf diesen Zeitplan lange hingearbeitet. In zähen Verhandlungen mit der Bahn sicherte sich die Stadt die Option, im Bereich des Hengstenberg-Areals eine Unterführung in ihr Konzept einzubeziehen. Sie spielt für die aktuellen Pläne eine zentrale Rolle. Die jetzt vereinbarte Öffnung der Verbindung – sie ist im Regelfall vergittert und bislang nur Mitarbeitern der Bahn zugänglich – macht die Alternativroute erst möglich.
Perfekt ist die neue Teilstrecke aber erst, wenn weitere Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu gehört im Bereich des „Dick“ der Ausbau der Fleischmannstraße. Abgewartet werden muss auch das Ende der Baustelle im Bereich der Kreissparkasse und die damit verbundene Teilsperrung der Bahnhofstraße. Überbewerten will Heinemann solche Einschränkungen aber nicht. „Sie ändern nichts daran, dass wir schon im Frühjahr eine attraktive Alternative zur heutigen Route bekommen.“
Unter den Radfahrern mag bisher allerdings keine Vorfreude aufkommen. Unmittelbar vor Baubeginn treibt die Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad- Clubs (ADFC) die Sorge um, die heutige Holperstrecke könnte nach der Eröffnung des neuen Teilstücks für Radler gesperrt werden. Vorstandsmitglied Jan A. Lutz beruft sich auf Informationen aus dem Rathaus. Sein Kommentar zu etwaigen Überlegungen in dieser Richtung fällt eindeutig aus: „Das wäre für viele Pendler eine deutliche Verschlechterung.“ Weil die Strecke länger werde und zudem mit mehreren Ampeln versehen sei, drohten die Radfahrer viel Zeit zu verlieren. Im Bereich des Bahnhofs befürchtet er zudem Konflikte mit Fußgängern sowie nennenswerte Unfallrisiken. Der ADFC fordert aus diesem Grund, den Neckaruferweg hinter dem Bahnhof so zu sanieren und zu verbreitern, dass Radfahrer dort eine Zukunft haben. Andere gehen noch weiter. So fordert Thorsten Schirwandt – er legt den Weg nach Stuttgart jeden Tag mit dem Rad zurück – einen Verzicht auf die Alternativroute und einen sofortigen Ausbau der Engstelle am Neckar. „Die paar Milliönchen, die das kostet, muss die Stadt für die Radfahrer übrig haben. Alles andere wäre ein falsches Signal.“

„Wichtiger Baustein“

Erster Bürgermeister Wilfried Wallbrecht lässt unterdessen keine Zweifel daran, dass das neue Teilstück kommen wird. „Er bildet in unserem Konzept für das Radnetz einen wichtigen Baustein“, sagt er. Wallbrecht tritt aber Befürchtungen entgegen, die vorhandene Trasse am Neckar werde im Frühjahr für Radfahrer gesperrt. „Für Pendler, die es eilig haben, ist diese Verbindung wichtig“, bestätigt er die Sicht des ADFC in diesem Punkt. Außerdem weiß er um die Akzeptanzprobleme, die mit Verboten verbunden wären.
Während Wallbrecht in diesem Punkt also Entwarnung gibt, dämpft er Hoffnungen auf einen raschen Ausbau des Neckaruferwegs. Er spricht von einem Fernziel, das im Zug der Pläne für einen großen Neckaruferpark hinter dem Bahnhof realisiert werden soll. Mit Blick auf einen hohen Millionenbetrag, der dafür investiert werden müsse, fehle wohl auf absehbare Zeit das Geld. Allerdings ist Wallbrecht klar, dass der aktuelle Zustand der Holperstrecke nach einer Antwort ruft. Konkrete Zusagen möchte er im Moment allerdings nicht machen.