Die Ernährungsberaterin Hanna Ritter schränkt die Zielgruppe des therapeutischen Fastens auf Gesunde ein und sieht es kritisch. Sie rät unter anderem zu einem bewussten Umgang mit Genussmitteln. Fotos: Weber-Obrock, Ehehalt (4) Quelle: Unbekannt

Von Petra Weber-Obrock

Am Aschermittwoch begann die Fastenzeit, in der sich die Christen 40 Tage lang auf die Passionszeit und das Fest der Auferstehung Jesu vorbereiten. Auch viele nicht kirchlich orientierte Menschen nehmen die Herausforderung an und verzichten sechs Wochen lang auf so manche selbstverständlich gewordene Gewohnheit. Dabei stehen nicht nur Genussmittel wie Zigaretten, Alkohol und Süßigkeiten zur Debatte, sondern auch ganz allgemein das Konsumverhalten oder die Nutzung digitaler Medien.

Das Wesentliche neu erkennen

Sechs Wochen lang gab es kein Fleisch, und am Aschermittwoch sowie Karfreitag wurde nur eine Mahlzeit aufgetischt. So streng wurde die kirchliche Fastenzeit früher ausgelegt. Stefan Möhler, der leitende Pfarrer der Katholischen Kirchengemeinden in Esslingen, sieht ihren Sinn heute in einer Schärfung des Blicks für die wesentlichen Dinge des Lebens sowie der Beziehungen des Menschen untereinander und zu Gott. Ein Symbol dafür sei das Aschenkreuz, das sich katholische Christen am Aschermittwoch auf die Stirn zeichnen lassen. Auch diakonische Taten zugunsten ärmerer Mitmenschen sowie ein Verzicht auf Überflüssiges gehörten dazu. „Wir werden Tag für Tag so von den Dingen eingelullt, dass man das Leben und Gott gar nicht mehr richtig wahrnehmen kann“, sagt Stefan Möhler.

Während die Kirche die Fastenzeit als umfassende Zeit der Erneuerung ansieht, verspricht sich mancher Zeitgenosse hiervon einfach ein paar Fettpölsterchen weniger. Die extremste Form des Heilfastens sind Kuren, bei denen zwischen sieben und 14 Tagen nur flüssige Nahrung zu sich genommen wird. Bei den unterschiedlichen Anbietern geht es nicht nur ums Abnehmen, sondern auch um eine spirituelle Reinigung und Regeneration der Seele. „Medizinisch ist eine Entschlackung des Körpers durch das Fasten nicht nachzuweisen“, schränkt Jochen Bauer, Facharzt für Gastroenterologie, Hämatologie und Ernährungsmedizin aus Sulzgries, ein. Manche Patienten gewännen aus der Fastenkur aber einen positiven Impuls für ihre Lebensführung: „Bei Patienten mit dem metabolischen Syndrom, bei dem Übergewicht, hoher Blutdruck und hohe Cholesterinwerte zusammenkommen, ist das durchaus zu empfehlen.“ Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen wie Krebs, Kreislaufproblemen, auch länger zurückliegenden Essstörungen, Schilddrüsenüberfunktion oder Diabetes vom Typ 1 ist das Fasten generell verboten. Auch Schwangere, stillende Mütter und Kinder sollten darauf verzichten.

Keine Süßigkeiten und kein Alkohol

Auch die Diplomingenieurin für Ernährungstechnik und Ernährungsberaterin Hanna Ritter schränkt die Zielgruppe des therapeutischen Fastens auf Gesunde ein. Insgesamt sieht sie es kritisch. Durch die erhebliche Reduzierung der Kalorienzufuhr würde man zwar zunächst Wasser und dann auch Muskelmasse verlieren, dauerhaft abnehmen könne man aber nur, wenn man auch seine Ernährungsgewohnheiten ändere: „Der Körper braucht eine ausgewogene Mischkost mit viel Obst und Gemüse sowie einer ausreichenden Kalzium- und Eiweißzufuhr.“

Wer also nach dem Fasten wieder in seine althergebrachten Gewohnheiten zurückfällt, riskiert den sogenannten Jojoeffekt und hat das verlorene Gewicht schnell wieder drauf. Weniger radikalen Fastenmethoden kann Hanna Ritter viel abgewinnen. „Generell empfehlen wir die Fastenzeit, um bewusst sechs Wochen lang beispielsweise ohne Süßigkeiten oder Alkohol auszukommen“, sagt sie. Sinnvoll sei vor allem ein zeitweiser Verzicht auf Alkohol, dessen Konsum oft zu hoch sei. „Gönnen Sie Ihrer Leber eine Ruhezeit“, empfiehlt sie. Nach diesem überschaubaren Zeitrahmen würde man bewusster mit Genussmitteln umgehen.