Foto: Archivfoto: Bulgrin - Bulgrin

Von Alexander Maier
Das Vier Peh hat in seiner mehr als 40-jährigen Geschichte immer mal wieder schwierige Zeiten erlebt, doch bis heute hat sich die Kulturkneipe an der Flandernstraße gehalten. Und sie hat sich zuletzt so lebendig wie lange nicht präsentiert: Seit Pächterin Uli Kopp das Haus vor vier Jahren übernommen hat, wird Kultur großgeschrieben. Nun droht ein jähes Aus: Ende Dezember läuft der Erbpachtvertrag für den Standort aus, eine Verlängerung scheint illusorisch. Doch ganz so einfach mögen viele Stammgäste nicht die Segel streichen: Mittlerweile hat sich ein Verein zum Erhalt des Kulturstandorts Vier Peh gegründet. Pächterin Uli Kopp könnte sich mit dem Gedanken anfreunden, so lange weiterzumachen, bis in einigen Jahren die Hochschule von der Flandernhöhe verschwindet. Doch die Hürden auf dem Weg zum Erhalt sind hoch und die Zeit drängt bedenklich.
Immer wieder Ärger mit Nachbarn
43 Jahre reicht die Geschichte von „Pavlos pädagogischer Pils-Pinte“, wie sich das Lokal anfangs nannte, zurück. Und für viele Studenten der damals nebenan neu gebauten pädagogischen Hochschule wurde es zur zweiten Heimat. Rasch spielte die Kultur dort eine Hauptrolle – Musiker und Kleinkünstler gaben sich ein Stelldichein. Weniger glücklich waren zuletzt einige Anwohner: Als das Vier Peh eröffnet wurde, waren die Soldaten der angrenzenden Funkerkaserne die einzigen Nachbarn. Doch seit Mitte der 90er-Jahre auf dem ehemaligen Kasernengelände das Baugebiet Flandernhöhe entstand, gab es immer wieder Probleme mit Nachbarn, die sich durch Lärm gestört fühlen.
Zum Jahresende läuft der Erbpachtvertrag, den die Brauerei Dinkelacker beziehungsweise deren Immobilienverwaltungsgesellschaft mit der Stadt und dem Land für das dortige Grundstück geschlossen haben, aus. Pächterin Uli Kopp hat signalisiert, dass sie gerne weitermachen würde. Doch ganz so einfach sieht man die Sache im Rathaus nicht. „Nach unserer Kenntnis wären einige Investitionen unter anderem in den Lärmschutz nötig“, sagt Rathaussprecher Roland Karpentier. Und er macht deutlich, dass sich die Stadt, der ein Teil des dortigen Grundstücks gehört, in Zeiten einer strategischen Haushaltskonsolidierung an den nötigen Investitionen in Lärm- und Brandschutz nicht beteiligen könne. Deshalb sehe die Verwaltung „keine andere Möglichkeit, als den Erbpachtvertrag nicht zu verlängern“. Im Klartext heißt das, dass die Brauerei Dinkelacker der Stadt das Gelände nach Ablauf des Vertrags abgeräumt übergeben müsste. Vorausgesetzt, der Gemeinderat entscheidet nicht anders. Doch darauf deutet wenig hin – zumal die Hochschule in einigen Jahren von der Flandernhöhe in die Weststadt umziehen und das Gelände neu bebaut werden soll. „Größere Investitionen in das Vier Peh sind für einen derart überschaubaren Zeitraum schwer darstellbar“, sagt Karpentier.
Die Brauerei Dinkelacker und deren Immobilienverwaltungsgesellschaft haben die Signale aus dem Esslinger Rathaus vernommen: „Wir wissen, dass die Pächterin des Vier Peh gerne den Vertrag mit uns verlängert hätte, aber das können wir nicht, weil uns die Stadt signalisiert hat, dass sie den Erbpachtvertrag für das Grundstück mit uns nicht verlängert“, erklärt Oliver Jerabek, Leiter der Immobilienabteilung der Dinkelacker AG. „Das Gebäude gehört uns, aber das Grundstück gehört Stadt und Land, und solange die nicht verlängern, sind uns die Hände gebunden.“ Sollte das Rathaus Verhandlungsbereitschaft zeigen, würde Jerabek gerne mit am Tisch sitzen: „Dann müsste man sehen, was machbar ist.“ Dann bliebe allerdings noch immer die Frage nach den nötigen Investitionen in Lärm- und Brandschutz.
Ein Stück Kultur erhalten
Pächterin Uli Kopp hatte sich eigentlich bereits mit dem Ende der Kulturkneipe zum Jahresende abgefunden: „Die Zeichen waren eindeutig.“ Dass sie nur ungern ziehen würde, mag sie nicht verhehlen: „Wir mussten einiges tun, aber jetzt hat sich das Vier Peh sehr gut etabliert.“ Uli Kopp weiß um den Ärger mit einigen Nachbarn, die sich über Lärm beklagen: „Die Veranstaltungen haben wir ganz gut im Griff. Wir fangen früher an und hören früher auf und achten auf den Lärmpegel. Probleme bereitet der Lärm im Biergarten und auf dem Parkplatz, und der lässt sich viel schwerer in den Griff bekommen. Wir können nun mal keine Glasglocke drüberstülpen.“ Mut machen der Pächterin die Reaktionen zahlreicher Gäste, die sich für den Erhalt der Kulturkneipe einsetzen – die engagiertesten haben inzwischen sogar einen Verein zum Erhalt des Kulturstandorts Vier Peh gegründet. Mit ihnen setzt Uli Kopp nun auf den Zeitfaktor: „Das Vier Peh ist als Mensa der Hochschule entstanden. Dann sollten wir einen Weg finden, dass es zusammen mit der Hochschule in einigen Jahren wieder von dort verschwinden kann. Das wäre eine Lösung, mit der man leben könnte.
Dafür macht sich auch der neu gegründete Verein stark. „Die Situation ist verfahren“, weiß der Vorsitzende Michael Schauer. Klar ist für ihn, dass Pächterin Uli Kopp die verlangten Investitionen nicht stemmen kann. Schauer hat inzwischen mit den politischen Gruppierungen in Esslingen Kontakt aufgenommen – die Resonanz war bislang überschaubar. Doch der Verein will am Ball bleiben: „Es ist eine Herausforderung, das hinzukriegen. Aber es lohnt sich, für das Vier Peh einzutreten, weil Esslingen solch eine Einrichtung braucht.“

Warten auf Wunder

Kommentar von Alexander Maier

Wenn nicht ein Wunder geschieht, gehen Ende Dezember im Vier Peh die Lichter aus: Mehr als vier Jahrzehnte lang war die Kulturkneipe in der Flandernstraße fast durchweg eine feste Größe im Esslinger Kulturleben – und viele verbinden mit „Pavlovs pädagogischer Pils-Pinte“, wie sich das Lokal zu Anfang nannte, eine Fülle ganz persönlicher Erinnerungen. Das gilt nicht nur für die Besucher, sondern auch für Künstler wie die Galgenstricke, die dort die Anfänge ihrer Kabarett-Karriere erlebten, oder Pur-Frontmann Hartmut Engler, der noch gerne daran denkt, wie er in jungen Jahren in der Kulturkneipe zur Klampfe gegriffen hat. Doch nicht nur deshalb ist es schwer vorstellbar, dass das Vier Peh demnächst vom Stadtplan der Esslinger Kultur verschwinden soll: Pächterin Uli Kopp hat viel Geld und Herzblut investiert, um das Vier Peh zu einer guten Adresse in Sachen Kultur zu machen. Allein wegen dieses Engagements sollte das Haus zum Jahresende nicht einfach sang- und klanglos von der Bildfläche verschwinden.
Gewiss, die Situation ist vertrackt, und sie ist nicht neu. Probleme gab es in den vergangenen Jahren immer wieder – nicht zuletzt mit Anwohnern, die sich von Kneipenbesuchern gestört fühlten. Das erinnert fatal an die Probleme, die aktuell das Fünfbisneun im Jugendhaus Komma hat. Doch hier wie dort gilt: Wenn alle Beteiligten aufeinander zugehen und sich bemühen, zu einem Kompromiss zu gelangen, müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn sich nicht eine Lösung finden ließe, mit der jeder leben kann. Einen Versuch wäre es allemal wert. Esslingen rühmt sich gerne eines facettenreichen Kulturangebots – auch dank des Vier Peh. Einst war die Kulturkneipe zusammen mit der Pädagogischen Hochschule in der Flandernstraße entstanden. Der Gedanke, dass das Vier Peh zumindest so lange existieren sollte, bis das Hochschulgebäude in einigen Jahren von dort verschwindet, klingt überzeugend.